Hagen: „Lohengrin“, Richard Wagner

© Volker Beushausen

In Hagen scheinen Operninszenierungen mit Tieren Hochkonjunktur zu haben. Nach einem „Freischütz“ mit Hasen, gibt es jetzt „Lohengrin“ mit Vögeln. Regie führt Nelly Danker, die früher Regieassistentin bei Hans Neuenfels war, bei dessen Bayreuther „Lohengrin“ es aber nur so vor Ratten wimmelte.

In den Kostümen von Amélie Sator sind Elsa und Lohengrin ein weißer und ein blauer Pfau. König Heinrich ist ein Wiedehopf und Ortrud ein Goldfasan. Hier sind schöne und sehenswerte Kostüme gelungen, jedoch wirkt das ganze Projekt etwas halbherzig, denn die die Akteure haben weder Schnäbel noch Krallen. Auch hätte bei dem gesamten Ensemble und Chor sorgfältiger an der Vogel-Körpersprache gearbeitet werden müssen. So entsteht weitgehend der Eindruck, sich nicht wirklich im Tierreich zu befinden, sondern man erlebt Sänger im Vogelkostüm.

In den Soloszenen bietet Regisseurin Nelly Danker eine solide Personenführung. In den großen Chorszenen wirkt die Regie manchmal überfordert und so, als wären einige Darsteller komplett in Vergessenheit geraten, weil sie bloß herumstehen und auf ihren nächsten Einsatz warten.

Die Bühnenbilder und Videos von Robert Pflanz belassen die Ausstattung in einem Szenario, in dem man die Sänger in mittelalterlichen Kostümen auftreten lassen könnte. Im ersten Akt sieht man eine Steinlandschaft vor einer Weide am Fluss. Im zweiten Akt besteht die Bühne ganz traditionell aus Treppen vor einem Kathedralen Fenster. Das Brautgemach ist eine Kissenlandschaft in einem Korbgeflecht. Passender wäre gewesen, Elsa und Lohengrin in einem Nest zu platzieren, und in den ersten beiden Akten hätte man das ganze Federvieh gerne auf den Ästen eines Baumes gesehen.

Trotz des relativ kleinen Hagener Orchestergrabens gelingt GMD Joseph Trafton ein großer sinfonischer Wagner-Klang. Aufgrund der kleinen Streicherbesetzung klingen einige Passagen im Vorspiel zu ersten Akt etwas zerbrechlich. Das Philharmonische Orchester Hagen spielt einen dramatisch-farbenreichen Wagner. Im 3. Akt kommt es bei den Blechbläsern zu konditionellen Einbrüchen. Der Hagener Opernchor, der durch den Extrachor und Gäste verstärkt wird, singt mit großem Klang. Jedoch stechen in Stücken wie „In früh versammelt uns der Ruf“ einzelne Stimmen heraus. Beim Brautchor, der vom 2. Rang gesungen wird, geht der Kontakt zum Dirigenten verloren, wodurch der Chor rhythmisch auseinanderfällt.

© Volker Beushausen

Sopranistin Dorothea Herbert hat die Elsa schon in Darmstadt gesungen und ist die einzige Interpretin, die an diesem Abend nicht in ihrer Rolle debütiert. Sie gestaltet die Elsa sehr textsicher und singt mit einem schönen und hellen Sopran. Ebenso wie Tobias Haaks, der in Hagen die Titelpartie singt, dürfte sie auch für größere Häuser eine interessante Besetzung sein. Haaks, der eigentlich am kleinen Koblenzer Theater engagiert ist, singt den Lohengrin mit kräftigen, strahlenden Spitzentönen. In den lyrischen Abschnitten weiß er seine Stimme klug zu drosseln.

Fulminant ist das Ortrud-Debüt von Angela Davis. Die Sängerin ist wahrscheinlich die Sopranistin mit dem ungewöhnlichsten und breitesten Repertoire in NRW. In der laufenden Saison steht sie neben der hochdramatischen Ortrud auch noch als Mimi in „La Boheme“, Hanna Glawari in „Die lustige Witwe“ und Agathe im „Freischütz“ auf der Hagener Bühne. Sie singt die Ortrud mit dramatischem Feuer, mit dem sie auch schon als Kundry beeindruckte, und einer kräftigen Tiefe. Gleichzeitig kostet sie die Bosheit der Figur genüsslich aus. Auf die weitere Karriere dieser ungewöhnlichen Sängerin darf man gespannt sein.

Die Partie des Telramund wird von Insu Hwang mit kernigem Bariton scharf und genau artikuliert. Im 2. Akt hat er dann allerdings Probleme sich mit seinen Spitzentönen gegen die Blechbläser durchzusetzen. Dong-Wong Seo war in Hagen schon ein beachtlicher Gurnemanz. Nun singt er mit warmer und vollem Bass den König Heinrich. Von ihm würde man sich noch aber besser gesetzte Akzente und Pausen wünschen. Mit enger und kehliger Stimme müht sich Kenneth Mattice durch Partie des Heerrufers.

Hagen präsentiert mit dieser Inszenierung einen „Lohengrin“ in neuer Optik, der aber keine neuen Erkenntnisse vermittelt.

Rudolf Hermes, 2. März 2024


Richard Wagner
Lohengrin

Hagen

Premiere: 25. Februar 2024

Inszenierung: Nelly Danker
Musikalische Leitung: Joseph Trafton
Philharmonische Orchester Hagen