Kiel: „Das Rheingold“

Premiere 26.9.15

Wenn man die Sommer-Oper auf dem Rathausplatz vor dem Kieler Opernhaus nicht mitrechnet, wurde gestern in Kiel die aktuelle Spielzeit eröffnet. Fast 20 Jahre nach dem legendären Ring in der Regie von Kirsten Harms wird erstmals wieder in Kiel ein neuer Ring geschmiedet. Somit war die gestrige Rheingold-Premiere auch der Auftakt zum neuen Ring-Zyklus in der Regie von Generalintendant Daniel Karasek und der musikalischen Leitung von GMD Georg Fritzsch.

Regisseur Daniel Karaseks großes Verdienst liegt darin, dass er keine Interpretation versucht. Er verlegt die Handlung in eine modern mythische Welt und wird darin insbesondere durch die ästhetischen und klaren Linien folgenden Kostüme von Claudia Spielmann-Hoppe unterstützt. Das großformatige Bühnenbild wurde von Norbert Ziermann erdacht. Es handelt sich dabei um drei unterschiedliche Orte (die Tiefen des Rheins, die Welt der Götter und Niebelheim), die einer eher simplen, dennoch schönen Formensprache folgen.

Ingesamt handelt es sich um eine archaische, abstrakte Ästhetik, die seltsamer Weise dann vom Regisseur konkretisiert wird, wenn gerade die Abstraktion eine interessante Dimension eröffnet hätte (beispielsweise in der konkreten Darstellung des Rheingoldes/Hortes oder den Riesen, die von dem Figurenbildner Marc Schnittger liebevoll erdacht, gebaut und choreographiert wurden).

Unterstützt wird das Team von Videoprojektionen während des Vorspiels, sowie den Verwandlungen nach Niebelheim und zurück, die von Konrad Kästner handwerklich ganz vorzüglich erstellt wurden und technisch auch anspruchsvolle Cineasten befriedigen können. Dennoch passen viele der gezeigten Projektionen nur bedingt sowohl zum Verlauf der Musik als auch zur restlichen Ästhetik. Filmschnitte scheinen willkürlich und gehen mit der Musik gerade im Vorspiel nicht Hand in Hand.

Hier hätte man sich eine bessere Abstimmung zwischen Regisseur und Dirigenten gewünscht. Dabei macht GMD Georg Fritzsch in vielen Punkten eine gute Figur. Er versucht die Sänger stets aufmerksam zu begleiten, deckt im Klangrausch die Sänger bisweilen unnötig zu. Besonders in den ersten Momenten der jeweiligen Sängern. Was in den folgenden Vorstellungen unbedingt verbessert werden müsste ist die Balance im Graben zwischen dominanten Bläsern und den Streichern, die in Kiel immer etwas dünn tönen. Besonders gut gelingen die Verwandlungsmusiken nach Niebelheim und zurück. Groß und beeindruckend gestalten die Kieler Philharmonikern vor allem den finalen Einzug der Götter nach Walhal.

Im neuen Kieler Rheingold beeindrucken vor allem die Sänger, die bis auf Wotan, Fricka und Erda aus dem eigenen Haus besetzt werden können. Den stimmlich wie darstellerisch ausgefeiltesten Eindruck machte am Premierenabend der Loge des Michael Müller. Überaus präsent ist er ein wahrer Mephisto auf der Bühne. Seine Textverständlichkeit ist hervorragend. Stimmlich entwickelt er die Partie und aus einem schönen, vollen, durch alle Lagen ausgeglichenen Ton.

Ks. Jörg Sabrowski gefällt in der Rolle des Alberich. Die dunkle, kernige Farbe seines Bass-Baritons gibt der Partie eine dämonische Eindrücklichkeit. Und was ihm in der exponierten Höhe der Partie fehlt, macht er durch ein sehr charakteristisches, expressiv-leidenschaftliches Spiel wett. Der Wotan des amerikanischen Gastsängers Thomas Hall ist mit würdevollem Ton gesungen. Besonders warm klingt er im Schlußgesang „Abendlich strahlt der Sonne Auge“.

Besondere Erwähnung muss auch der Sänger des Mime, Fred Hoffmann, finden. Sein Text ist bestens verständlich. Die anderen Götter Fricka (Cristina Melis), Freia (Agniezka Hauzer), Froh (Yoonki Baek) und Donner (Tomohiro Takada) entledigen sich ihrer Aufgabe stimmlich rollendeckend, agieren jedoch eher statisch.

Nicht groß, aber massig sind die Riesen-Figuren Fasolt und Fafner, die von jeweils vier Figurenspielern geführt werden. Dazu erklingen auf der Bühne die Stimmen von Timo Riihonen (Fasolt) und Marek Wojciechowksi (Fafner), wobei sich letzterer mit guter Textverständlichkeit und starkem Ausdruck hervorhebt. Rena Kleifeld verleiht der Erda bei ihrem kurzen Auftritt in das in rot getränkte Bühnenbild eine warme, strömende Farbe.

Unter den Rheintöchter gefällt besonders Tatia Jibladze (Floßhilfe) mit deutlichem, schönem Mezzo. Komplettiert wird das schönstimmige Trio durch Hye-Jung Lee (Woglinde) und Ks. Heike Wittlieb (Wellgunde).

Fazit: Für Wagnerianer und Interessierte ist dieses Rheingold in Kiel ein Muss: ein großer Abend, der dem Publikum sofort nach dem letzten Ton viele Bravos entlockt. Besonders gefeiert wurden die Darsteller des Loge, Alberich und Wotan. Viel Zustimmung auch für die simple und ästhetische Realisierung der Szene, sowie die engagierten Musiker im Graben.

Berit Jürgensen 27.9.15

Bilder: Olaf Struck / Thester Kiel