Kiel: „Die Walküre“

am 23.4.2016

Blick in die Zukunft

Gestern fand im Opernhaus Kiel die zweite Vorstellung der Neuproduktion „Die Walküre“ von Richard Wagner statt. Schon nach dem ersten Akt wurden die Akteure frenetisch gefeiert.

Daniel Karasek knüpft bildermächtig an sein wunderbares Rheingold an, liefert keine neuen Interpretationsansätze, erzählt aber die Geschichte zielstrebig und nachvollziehbar. Dass er sich mit seinen Inszenierungsideen dabei kräftig im Chereau-Jahrhundertring bedient, ist zwar ehrenrührig, tut dem Genuss des Abends als solchem aber keinen Abbruch.

Seine Kostümbildnerin Claudia Spielmann-Hoppe wildert ebenso freizügig im Kreativwerk anderer. Ihre Ideen scheinen die aktuellen Serienrenner aus den USA , zb. Game of Thrones oder House of Cards, zu liefern

Der Bühnenbildner Norbert Ziermann liefert dazu vier verschiedene Räume: Ein edelholz-ausgekleidetes Jagdzimmer im Stile der späten 1950er mit Blick durch eine großzügige Fensteröffnung auf einen Bach im Hintergrund, ein hochgelegenes modernes Badezimmer in einem Haus im Wald, eine offene Bühne mit Waldprojektion, sowie ein futuristisches, an Weltraum-Epen erinnerndes Bild für den dritten Akt. In jedem Bild arbeitet Ziemann mit Versatzstücken bzw. Zitaten aus seinem Rheingold und gibt den Zyklusteilen damit eine charmante deja-vu-Klammer.

Das Geschehen um den Tod Wotans Lieblingssohn Siegmund und dessen Inzest mit Sieglinde, sowie Wotans Scherereien mit seiner ungehorsamen Tochter Brünnhilde und deren Bestrafung beginnt mit einer großen Videoprojektion (allesamt von Konrad Kästner), in der jemand durch einen dunklen Wald hetzt und unter wild drohendem Wonnemond Zuflucht in Undings Hütte findet.

Immer wieder tauchen solche Videosequenzen auf und verblüffen in ihrem Großformat. Kino kann nicht besser sein!

Beinahe filmisch-intim arbeitet Karasek die Figurenbeziehungen heraus. Hier liegt, neben dem stringenten Gesichteerzählen, die Stärke seiner vorgelegten Arbeit.

Musikalisch bewegt sich die Kieler Walküre auf hohem und höchstem Niveau. Zwar fehlt es an der Intonationsarbeit mit den v.a. Blechbläsern, die besonders am Beginn der Todesverkündigung deutlich zu Tage tritt. Doch GMD Georg Fritzsch leitet Orchester und Sänger gut balanciert und mit ruhiger Hand durch den langen, nie langweiligen Abend.

Sängerisch beeindruckt v.a. Thomas Hall mit seinem wohlklingenden, gut tragenden Bariton. In seinen langen Szenen im zweiten und dritten Akt hört man keine Spur von Müdigkeit. Vielmehr beeindruckt er mit hervorragender Diktion und offensichtlich verinnerlichtem Textinhalt.

Neben ihm glänzt ebenso sprach- und sinndeutlich Alexandra Petersamer s Fricka als politisches, oberflächliches Weib. Auch darstellerisch füllt sie die Partie vollends aus. Den darstellerisch stärksten Eindruck des Abends macht Timo Riihonen als Hunding. Er zeigt im ersten Akt einen latent brutalen, aggressiven Trunkenbold. Stimmlich fügt er sich leider nicht in das Sängerensemble. Seine Diktion ist undeutlich und die Tongebung zufällig.

Das Wälsungenpaar mit Agnieszka Hauzer als Sieglinde und Bryan Register als Siegmund geben ein gutes Portrait ihrer entflammenden Liebe. Dabei sind es vor allem die flüchtigen Blicke von Agnieszka Hauzer, die den Abläufen auf der Bühne Sinn verleihen. Sie singt die Partie mit schönem Ton und verfügt über den nötigen Stimmumfang, um der tiefen Lage der Partie gerecht zu werden.

Bryan Register singt im ersten Akt einen verhalten lyrischen Siegmund, trumpft dann aber in seinen Passagen im zweiten Akt auf. Sein Tenor trägt sehr gut und ist – bis auf eine gelegentliche Nasalität – besonders schön frei.

Jane Dutton s Interpretation der Brünnhilde ist ungewöhnlich. Sie zeigt eine junge Frau, die ihren Vater verärgert, weil sie Siegmund retten möchte. Diese jugendliche Unbedarftheit passt sehr gut. Ihre Stimme projiziert ausgezeichnet. Und auch wenn die Sängerin in den einzelnen Phrasen körperlich angespannt wirkt, hält sie die Partie gut durch.

Die übrigen Walküren sind der mittleren Größe des Hauses angemessen besetzt. Aus dem Ensemble mit Heike Wittlieb, Hye Jung Lee, Geneviève Tschumi, Tatia Jibladze und Stephanie Christiano treten stimmlich besonders Fiorella Hincapié, Lori Guilbeau und Gabriella Guilfoil mit starkem Ton hervor.

Fazit: Ein im besten Sinne fantastischer, gut erzählter, trotz tatsächlicher Länge kurzweiliger Wagnerabend mit großartigen Sängern, einem ordentlich spielenden Orchester und Bildern, die Staunen machen. Ein Besuch lohnt sich unbedingt!

Berit Jürgens 26.3.2016

Bilder (c) Theater Kiel