Magdeburg: „Faust“

Besuchte Vorstellung am 2. Oktober 2016, Premiere am 10. September 2016

Musikalischer Volltreffer

Die Neuinszenierung von Gounods „Faust“ war jedenfalls musikalisch ein Volltreffer. Das lag entscheidend am umsichtigen, ausgesprochen sängerfreundlichen Dirigat von Magdeburgs neuem 1. Kapellmeister Svetoslav Borisov. Wie der Bulgare die gut disponierte Philharmonie zu fein ausdifferenzierendem Musizieren brachte und in den Chören den großen Apparat zusammenhielt, das hatte herausragendes Niveau.

Aber nun zunächst zur Inszenierung: Zum Vorspiel sah man auf einen Zwischenvorhang, auf dem sich naturwissenschaftliche Formeln und das Goethe-Zitat „Daß ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält“ aufbauten, offenbar das Motto für das Konzept des Bühnenbildes (Niki Turner), ein Labor, das nach hinten und zu den Seiten mit hohen Regalen voller Behälter mit chloroformierten Tier-Mutationen und menschlichen Körperteilen begrenzt war. In den folgenden Szenen blieben die Begrenzungen mit den Regalen bestehen, nun allerdings ohne rechten Bezug zu den Handlungsorten, die jeweils durch wenige Requisiten angedeutet wurden. Die detailverliebten, knallbunten Kostüme von Falk Bauer trugen mit dekorativen Video-Einspielungen zum farbigen Gesamteindruck bei. So war beispielsweise die Kirmes-Szene mit dem Abschied der Soldaten und dem Tanz ums goldene Kalb durch die Verkleidung der Choristen als Transvestiten, als männliche Playboy-Häschen oder als eine Art freizügige Funkenmariechen in der wirren Choreografie von David Williams so skurril und bizarr, dass sie zu dem ernsten Gebet Valentins einen starken Kontrast bildete. Sehr viel eindrücklicher war die Rückkehr der Soldaten, als diese – durch die Kriegserlebnisse sichtlich traumatisiert – sich zu dem übermäßig pathetischen Soldatenchor aufrafften.

Shavleg Armasi/Noa Danon/Chor

Auch die einzelnen Szenen der Protagonisten wirkten dank der klugen Personenführung der britischen Regisseurin Olivia Fuchs durchgehend glaubwürdig.
Das lag natürlich auch an dem beeindruckenden Gestaltungsvermögen des Ensembles: In der Titelrolle erlebte man den tschechischen Tenor Richard Samek, der den alten Faust (an einer Gehhilfe) ebenso überzeugend darzustellen wusste wie den Liebhaber, der am Schluss nach der „Rettung“ von Marguerite gebrochen im Rollstuhl landete. Mit der hohen Tessitura seiner Partie kam er mit seiner in der Mittellage fülligen Stimme gut zurecht. Mit extremen Höhen hatte er keine Probleme, sondern er ließ sie mit schönem Legato in den französischen Duktus einfließen.

Richard Samek/Noa Danon

Ein elegant-dämonischer Méphisto, hier auch äußerlich Fausts „Alter Ego“, war Shavleg Armasi, der mit glänzendem Spiel und seinem facettenreichen Bass rundum begeisterte. Noa Danon gab eine anrührende Marguerite; ihren charaktervollen Sopran führte sie mit schönen Bögen durch die Partie. Die bekannte „Juwelen-Arie“ kam etwas verhalten, während sie das Schluss-Terzett mit Emphase dominierte. Der unglückliche Valentin wurde von Johannes Wollrab glaubhaft gestaltet; sein Bariton blieb dagegen blass und konnte bei allzu angestrengten Höhen nicht überzeugen. Siébel war bei Lucia Cervoni gut aufgehoben, deren heller Mezzo in allen Lagen ausgeglichen war. Undine Dreißig und Paul Sketris ergänzten als Marthe und Wagner.

Richard Samek/Noa Danon

In der Einstudierung von Martin Wagner erwies sich der Opernchor erneut als ein gut ausgewogener und farbprächtiger Klangkörper, der trotz der teilweise übertriebenen Bewegungsregie sicher zusammenhielt.

Das Publikum in der Nachmittagsvorstellung im mäßig besetzten Haus spendete allen Mitwirkenden reichlich Applaus.

Gerhard Eckels3.101.6

Bilder (c) Theater Magdeburg / Andreas Lander

Weitere Vorstellungen: 14.,31.10.+11.,27.11.+10.,21.12.2016