Magdeburg: „Die lustigen Weiber von Windsor“

Lucia Cervoni/Ute Bachmaier

Es ist schon sehr erfreulich, dass jedenfalls an mittleren und kleineren Häusern Otto Nicolais Spieloper „Die lustigen Weiber von Windsor“ ab und an zu erleben ist, ist sie doch von Verdis Geniestreich „Falstaff“ weitgehend verdrängt worden. Vor allem musikalisch ist sie nach wie vor von besonderem Reiz: Sie enthält neben Volkstümlichem („Als Büblein klein…“ oder Fentons Romanze „Horch, die Lerche singt im Hain“) mit Frau Fluths „Nun eilt herbei, Witz, heit’re Laune“ eine veritable Bravour-Arie, außerdem witzige Ensembles und ausgesprochen romantische „Sommernachtstraum“-Musik.

In seiner Neuinszenierung hat Christian von Götz das biedermeierliche Windsor verlassen und eine knallbunte Bühnenshow im Hippie-Milieu produziert, das ja eigentlich mit der sonstigen Gesellschaft im Clinch liegen sollte, die selbst aber letztlich überhaupt nicht spießbürgerlich ist. Im Einheits-Bühnenkasten mit knallbunter „Flower-Power“-Tapete (Ulrich Schulz) betreibt Frau Fluth mit blonden Barbies (choreographisch von Kerstin Ried bestens einstudiert) einen Beauty-Salon mit Kugel-Vorhang und Saunaeingang, in dem alle Mitwirkenden in poppigen Kostümen (Ulrich Schulz, Verena von Götz) ihr turbulentes Spiel treiben. Allerlei verrückte Fahrzeuge, zum Vatertag ein Radel-Sauf-Mobil – die Oper beginnt in Magdeburg mit dem bekannten Bass-grundigen „Büblein klein“– , eine grellbunte 2CV-„Ente“, eine fahrbare riesige Plüschbank in Pink und ein rollender Wäschekorb ermöglichen flinke Szenenwechsel; das spritzige Finale spielt passenderweise unter einem Hanfbaum.

Konsequent wird die Verlegung in die 1960er-Jahre durchgehalten; dabei passen die eingefügten modernen Dialoge und Stammtisch-Kalauer nicht immer zu den aus heutiger Sicht eher altbackenen Texten der Musiknummern; warum aus Falstaffs Hirschgeweih nun Eselsohren werden mussten, hat sich mir jedenfalls nicht erschlossen. Auch die eingeschobene Musik aus neuerer Zeit wie „What shall we do with the drunken sailor“ oder eine Rock-Nummer nervten nur, denn Nicolais unverwüstliche Oper hat das alles gar nicht nötig. Sei’s drum – das Publikum hatte seinen Spaß, und musikalisch leistete das Magdeburger Opernensemble durchaus Beachtliches.

Lucia Cervoni/Ute Bachmaier/Thomas Florio/Paul Sketris/Markus Liske

Wen soll man zuerst nennen? Das ist dann wohl doch die seit über 30 Jahren dem Magdeburger Ensemble angehörende Ute Bachmaier, die jetzt mit Frau Fluth ihren Abschied von der Bühne nimmt. Mit viel Spielwitz, äußerst beweglicher Darstellung und ausgefeilter Stimmtechnik machte sie deutlich, dass sie mit ihrem durchweg intonationsreinen, höhensicheren Sopran eigentlich noch nicht zum alten Eisen gehört. Mit charaktervollem Mezzo und ebenfalls ansehnlicher Erscheinung gehörte auch Lucia Cervoni als Frau Reich zu den „lustigen Weibern von Windsor“, die die Männer alt aussehen lassen. Dazu gehört natürlich auch deren Tochter Anna, die in Gestalt von Julie Martin du Theil mit wunderschön aufblühendem, blitzsauberem Sopran für sich einnahm. Die Paraderolle des dicken Ritters Sir John Falstaff war Johannes Stermann anvertraut, der zwar seinen großvolumigen, individuell timbrierten Bass bis in die Tiefen gut einzusetzen wusste, sonst aber reichlich ordinär daher kam und nicht einmal andeutungsweise erkennen ließ, dass Falstaff zumindest früher einigen Charme versprühen konnte.

Johannes Stermann/Lucia Cervoni/Ute Bachmaier

Mit tragfähigem Bariton und temperamentvollem Hüftschwung gab Thomas Florio den übertrieben eifersüchtigen Fluth als Elvis-Verschnitt und Macho höchsten Grades. David Zimmer überzeugte mit feinem lyrischen Tenor als Fenton, der mit seiner ganzen Hippie-Kommune in der Blumen-verzierten „Ente“ zum Rendezvous mit Anna kam. Schön, dass man wieder einmal den gut sitzenden, prägnanten Bass von Paul Sketris erleben konnte, der witzig die Vorliebe des Herrn Reich zu Dessous präsentierte. Annas weitere Verehrer waren bei Markus Liske als Junker Spärlich mit dem albernen „O süße Anna“ und Frank Heinrich als französisch radebrechendem Dr. Cajus gut aufgehoben.

Johannes Stermann/Chor

Von der differenziert und schwungvoll musizierten Ouvertüre an hatte die Magdeburgische Philharmonie unter dem sicher und präzise leitenden Michael Balke einen guten Tag. Der lebhaft agierende und im Finale auch choreografisch stark geforderte Opernchor (Einstudierung: Martin Wagner)

entwickelte ausgewogene Klangpracht.

Am Pfingstmontag gab es im nicht voll besetzten Haus langanhaltenden, verdienten Beifall für alle Mitwirkenden.

Bilder: Nilz Böhme
Gerhard Eckels 17. Mai 2016

Weitere Vorstellungen: 27.5.+12.6.2016