Mönchengladbach: „Salome“

Premiere am 22.9.2019

Stimmliche Entdeckungen

Liebe Salzburger Opernfestspielfreunde: Ihr müsst jetzt ganz, ganz tapfer sein! Zu berichten ist über eine Salome-Produktion aus dem kleinen, aber feinen Kleinod von Opernhaus Mönchengladbach Rheydt, die durchaus internationales Format hat und gesanglich, zumindest in den Hauptpartien der Salome Dorothea Herbert und des Herodes Markus Petsch, mit dem alljährlichen Operntreff der Reichen und Schönen dieser Welt an der Salzach durchaus mithalten kann. Statt 600 Euro kostet eine sehr gute Karte im Rheydter Opernhaus nur ein Zwanzigstel! Und, lassen Sie mich das als Zwei-Meter-Mensch sagen, im Gegensatz zur Felsenreitschule bietet das Mönchengladbacher Theater geradezu exzellenten Sitzkomfort. Daß die herrliche kleine Oper am Niederrhein, wo man auf keinem Platz weiter als 18 Meter von der Bühne entfernt ist, natürlich eine erheblich bessere Akustik hat als eine "Reithalle" ;-), sei nur am Rande vermerkt.

Weiterer Pluspunkt ist die Inszenierung des großartigen Anthony Pilavachi, die durchaus sinnstiftend im fin de siècle – also zur Entstehungszeit der Oper – angesiedelt ist. Sie ist nicht verrätselt oder verfremdet, sondern hat Hand und Fuß. Das ist Oscar Wilde pur. Alles ist werktreu spannend und geradezu elektrifizierend bis pulsbeschleunigend und kein Regietheater-Gedöns besserwissender Regisseure oder abgebrochener Pädagogen, Psychologen oder Demagogen, die uns belehren wollen. Die Vereinigten Bühnen Krefeld & Mönchengladbach bleiben dem ehernen Motto treu: Hier gilt´s weiterhin der Kunst.

Besonders erwähnenswert ist auch die sehr gute, so praktikable, wie sängerfreundlich gestaltete Bühne von Markus Meyer, der auch für die trefflichen Kostüme die Verantwortung trägt. Die nicht benannte sensible Lichtregie – ein wichtiges Spannungsmoment jeder Produktion – sollte nicht unerwähnt bleiben. So muß Musiktheater präsentiert werden!

Die unfassbare Leistung der Niederrheinischen Sinfoniker unter dem schon fast begnadet zu nennenden Dirigat von GMD Mikhel Kütson lässt unsere sensiblen Kritikerohren regelrecht Augen machen. Ich habe die Musici in den letzten Jahren ganz selten so konzentriert und im Blechbläserglanze ganz großer Häuser strahlen gehört. Das führte letztlich zu einer Konzentriertheit des Publikums, in der man nicht nur den eigenen Atem, sondern auch die sprichwörtliche Stecknadel (Enthauptungsmusik) hätte fallen hören können. Das Premierenpublikum wurde regelrecht mitgerissen.

Da auch die Comprimarii (Herodias Eva Maria Günschmann / Jochanaan Johannes Schwärsky, Narraboth David Esteban) Großes leisteten, muß von einem ganz großen Abend in Rheydt gesprochen werden. Besser und vielumjubelter kann ein Saisonstart kaum beginnen.

Fazit: Sparen Sie sich das teure Geld für eine Salzburg-Karte. Ich bin mir ziemlich sicher, daß die Riesenentdeckung Dorothea Herbert in einigen Jahren auf den ganz großen Bühnen dieser Welt zu Hause sein wird. Und dann wird es teuer. Also verehrte Opernfreunde aus Deutschland: Auf, auf und auf zum wunderschönen Theater an unseren herrlichen Niederrhein. Es lohnt auch die weiteste Anreise!

Peter Bilsing, 23.9.2019

Dank für die schönen Bilder an (c) Matthias Stutte

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