Solingen: „Carousel“, Richard Rodgers & Oscar Hammerstein II

Bereits zum fünften Mal schließen sich das Theater und Konzerthaus Solingen und die Folkwang Universität der Künste zusammen, um eine große gemeinsame Musicalproduktion auf die Beine zu stellen. In diesem Jahr fiel die Wahl auf den Klassiker Carousel, ein Stück, das hierzulande so gut wie nie zu sehen ist. Dabei war das Musical nach seiner Premiere am Broadway am 19. April 1945 mit 890 Vorstellungen durchaus erfolgreich. Im Jahr 1956 folgte eine Filmfassung mit Gordon MacRae und Shirley Jones in den Hauptrollen. Der ganz große Erfolg blieb dem Film jedoch verwehrt, und auch bis zur deutschsprachigen Erstaufführung an der Wiener Volksoper in der Spielzeit 1972/73 vergingen noch einige Jahre. Diese deutsche Fassung von Robert Gilbert ist nun auch in Solingen zu hören.

© Elisa Jasse

Die Geschichte basiert inhaltlich auf dem Schauspiel Liliom des ungarischen Dramatikers Ferenc Molnár aus dem Jahr 1909. Während er sich zuvor noch gegen eine Opernfassung durch Giacomo Puccini gewehrt hatte, erklärte er sich einige Jahre später mit der Musical-Adaption durch Rodgers und Hammerstein einverstanden. Dies lag unter anderem daran, dass ihm Oklahoma! von den beiden sehr gefallen haben soll. Für das Musical wurde die Handlung von Ungarn in ein kleines Hafenstädtchen an der Küste von New England im Jahre 1873 verlegt. In der Solinger Inszenierung des Folkwang-Lehrenden Kay Link sind wir allerdings Ende der 1980er-Jahre angekommen. Billy Bigelow arbeitet dort als Ausrufer in einem kleinen Vergnügungspark. Dort trifft er auch erstmals auf Julie Jordan, die sich trotz seiner rauen und streitsüchtigen Art in ihn verliebt und als Einzige etwas Gutes in ihm sieht. Beide träumen von einem gemeinsamen Leben ohne Ausbeutung, doch wegen ihrer Beziehung verlieren beide ihren Job. Als Julie ein Kind erwartet, verschlechtert sich ihre Situation. Um seinem Kind eine bessere Zukunft zu ermöglichen, lässt Billy sich von seinem Kumpel Jigger Craigin zu einem Raubüberfall überreden. Doch dieser schlägt fehl und Billy stirbt noch an Ort und Stelle in den Armen von Julie, die herbeigeeilt ist. Ein himmlisches Gericht gibt Billy allerdings die Chance, für einen Tag auf die Erde zurückzukehren. Inzwischen sind dort 15 Jahre vergangen und seine Tochter Louise steht vor ähnlichen Problemen wie er damals. Er versucht, mit ihr zu reden, und schenkt ihr einen Stern bzw. in Solingen einen Plüschflamingo, der bereits zuvor in der Inszenierung immer wieder geschickt eingesetzt wurde. Doch Louise ist von dem Fremden verunsichert, was Billy erneut erzürnt. Sie rennt davon und erzählt ihrer Mutter von der Begegnung. Als diese den Flamingo sieht, spürt sie tief im Inneren, was geschehen ist, und Mutter und Tochter blicken gemeinsam einer positiven Zukunft entgegen.

© Elisa Jasse

Dieser optimistische Ausgang wurde in das Musical aufgenommen, um den Zuschauern in den schweren Zeiten des Zweiten Weltkriegs Hoffnung zu geben. Die bekannte Schlussballade You’ll Never Walk Alone entwickelte sich zum Welthit und wird heute nicht nur in Liverpool und Dortmund von 10.000en Fußballfans vor jedem Heimspiel gesungen. Inhaltlich bleibt Carousel leider etwas hinter den bisherigen vier gemeinsamen Eigenproduktionen zurück. Dafür bietet es einige musikalische Besonderheiten. Insbesondere weist die Komposition dem Orchester eine musikdramatische Funktion zu, wodurch Carousel in dieser Hinsicht fast als Pionierwerk angesehen werden kann. Auch der rein instrumentale The Carousel Waltz überzeugt in einer fast opern- bzw. operettenhaften Komposition des gesamten Musicals. Einzelne Nummern werden hierbei nahezu endlos ausgedehnt und immer wieder aufgegriffen. Unter der musikalischen Leitung von Stephan Kanyar spielen die Bergischen Symphoniker die Partitur lebendig und schwungvoll und sorgen so für ein historisches Broadway-Feeling.

Die Studierenden des Abschlussjahrgangs 2026 übernehmen die fünf Hauptrollen und überzeugen einmal mehr in Schauspiel und Gesang. Lino Kalich verkörpert Billy Bigelow als einen in sich zerrissenen Menschen, der immer wieder ausrastet, wenn er überfordert ist, der aber tief in sich drin ein gutes Herz besitzt. Dies wird besonders in seinem gemeinsamen Duett Wär es Liebe mit Anna Teodora Donosa-Danila als Julie Jordan deutlich. Als Julies Freundin Carrie ist Katalin Rohse zu sehen, die insbesondere im Zusammenspiel mit Albert Gaßmann als ihrem (zukünftigen) Ehemann Enoch Snow für die humorvollen Momente des Abends sorgt. Timm Moritz Marquardt verkörpert den Kleinkriminellen Jigger Craigin absolut rollendeckend. In den weiteren Rollen sind zudem die sieben Studierenden des Abschlussjahrgangs 2027 zu sehen. Unterstützung erhalten die jungen Studenten und Studentinnen von den erfahrenen Bühnenprofis Cornelia Constanze Orlow (Karussellbesitzerin Mrs. Mullin), Bernhard Bauer (David Bascombe), Rudolf Schlager (Himmlischer Freund) und Susanne Flury (Hüterin der Sterne).

© Elisa Jasse

Dem Theater & Konzerthaus Solingen und den beteiligten Personen der Folkwang Universität der Künste ist einmal mehr zu dieser Zusammenarbeit zu gratulieren. Das Stück ist in der kommenden Woche noch einmal in Solingen zu sehen und gastiert anschließend im Teo-Otto-Theater Remscheid sowie im Forum Leverkusen. Zudem sollte man sich bereits jetzt den 7. Mai 2026 vormerken, wenn sich in Solingen der Vorhang zur neuen Eigeninszenierung On the Town von Leonard Bernstein heben wird.

Markus Lamers, 18. Mai 2025


Carousel
Musical von Richard Rodgers (Musik) und Oscar Hammerstein II (Buch & Songtexte)

Theater und Konzerthaus Solingen

Premiere: 16. Mai 2025

Inszenierung: Kay Link
Musikalische Leitung: Stephan Kanyar
Bergische Symphoniker

Weitere Aufführungen: 24. Mai (Solingen), 31. Mai (Remscheid) und 4. Juni (Leverkusen)