Wien: „Kabbala“, René Clemencic

Vor einem Jahr ist der österreichische Universalgelehrte, Musikwissenschaftler, Flötenvirtuose, Dirigent, Flötenvirtuose, Philosoph, Dirigent, Komponist und Kunstsammler René Clemencic im 94. Lebensjahr in eine andere Welt gegangen.

Ihm zu Ehren hat das Sirene Operntheater, das mit ihm schon öfter zusammengearbeitet hatte, im Oktober im Rahmen von Wien Modern sein Oratorium „Kaballa“ zur Aufführung gebracht und jetzt im Januar aufgrund des grossen Erfolges wieder aufgenommen. Am 25. war die letzte Vorstellung, und wer diese nicht gesehen hat, hat wirklich was verpasst, wenn es nicht doch noch eine zweite Wiederaufnahme gibt, denn die Produktion bot ein einzigartiges, unvergleichliches und unwiederholbares Erlebnis.

© Sirene Operntheater

Allein schon das Werk an sich (Gattungsbezeichnung: Oratorium) ist ein Unikat. Auf den Texten der prophetischen Kabbala basierend, ist es in hebräischer Sprache verfasst (die Clemencic eigens dafür gelernt hat). Und die Besetzung ist auch nicht gerade alltäglich: zwei Countertenöre, zwei Tenöre, Posaunen, Trompeten, Schlagwerk.

Der Clou ist aber, dass die Dramaturgin Kristine Tornquist die szenische Aufführung ins Planetarium verlegt hat. Und dort werden zu den (für den des Hebräischen nicht Mächtigen) völlig unverständlichen Texten (wie z.B. Aolo Aola Aoli Aolu oder Aowo Aowa Aowe Aowi Aowu etc.) auf die Planetariumskuppel in dreidimensionaler Weise Originalaufnahmen der NASA aus dem Universum projeziert: von 13,7 oder 4,7 Milliarden Lichtjahren entfernten Galaxien, von Doppelsternen, Milchstrassen, Supernovas, schwarzen Löchern etc.etc. Das Ganze, während man im Stockdunkeln in sehr bequemen, leicht geneigten Liegesitzen verharrt…

Der Effekt ist eigentlich unbeschreiblich, den muss man erlebt haben: es entsteht ein optischer und akustischer Sog, dem man sich unmöglich entziehen kann. Man wird entrückt in eine andere Welt, in einen anderen Raum, in eine andere Zeit, in eine andere Dimension. Man gerät einen anderen Zustand, man gerät fast in Trance (was ja Mystik ursprünglich bewirken soll). Man kommt sich vor wie eine zerquetschte Ameise und fühlt sich dennoch wie geborgen in den unendlichen schwarzen Weiten des unfassbaren Universums…

Es fehlen einem die Worte, es bleibt einem die Spucke weg, es stockt einem der Atem.

Danke, René Clemencic, in welcher Galaxie du jetzt auch immer weilen magst, für diese grossartige Offenbarung!

P.S. Wer die Aufführung versäumt hat – oder zumindest die Musik wiederhören will – kann sich Clemencics eigene Aufnahme, erschienen bei collegno, zu Gemüte führen.

Robert Quitta, 4. Februar 2023

Besonderer Dank an unseren Kooperationspartner Merker-online (Wien)


Kaballa

Oratorium von René Clemencic

Wien, Planetarium

Serene Operntheater

25. Januar 2023