Düsseldorf: „E lucevan le stelle“

Konzert am 6.2.2018 (Dritter Abend des Städtischen Sinfoniekonzerts)
Sterneabend im ehemaligen Planetarium, heute: Tonhalle

Lahav Shani & Die Düsseldorfer Symphoniker – featuring Danae Dörken

Prokofjew
Symphonie Nr. 1 D-Dur op. 25 „Symphonie classique“

Mozart
Konzert für Klavier und Orchester C-Dur KV 503

Skrjabin
Le poème de l´Extase op. 54

Das Schönste im Leben eines Kritikers und begeisterten Konzertgängers ist es, wenn man jungen Ausnahmetalenten noch in ihrer frühen Phase begegnet. Später, wenn sie in der Albert Hall, der Carnegie Hall oder in Boston, Wien, Salzburg bzw. Sidney (pars pro toto!) auftreten, werden sie nicht nur unbezahlbar sein, sondern eventuell auch schon im Superstarkult allzu sehr vermarktet und genormt sein. Heuer sind sie noch natürlich, kreativ, fröhlich, sympathisch und sprühen geradezu vor Einsatzfreude und bedingungsloser Liebe zur Musik. In der Düsseldorfer Tonhalle waren gleich zwei blutjunge Talente zu genießen, deren Zukunft gesichert sein dürfte.

Daß solcher Einsatz gepaart mit Spielfreude auch die (zumindest früher in meiner langen Erinnerung 😉 meist recht brav und friedfertigen Musici des Städtischen Symphonie Orchesters der Düsseldorfer Symphoniker, die sich heute liebevoll „Düsis“ nennen, förmlich aus den Sitzpulten reißt, begeistert den Rezensenten – der das Orchester jetzt bald ein halbes Jahrhundert kennt – besonders nachhaltig.

Danae Dörken ist mit ihren gerade 26 Jahren der erste Traum dieses Abends; das wunderbare golden glitzernde Rausche-Engel Kleid beim Auftritt ist ein optisches Versprechen, was ihr pianistische Genie später mehr als erfüllen wird. Wenn Optik und feinste Pianokultur derartig verschmelzen, ist es ein in jeder Form ästhetisches Erlebnis.

Daß die sympathische junge Künstlerin viel mitzuteilen hat, bewies sie im so titulierten „Startalk“ mit Dr. Uwe Sommer-Sorgente (Vorbildlich publikumsfreundliche Veranstaltung immer eine Stunde vor Konzertbeginn!) in dem sie ausgiebig auch über ihr großes Lebensmotto „Brücken bauen mit Musik“ sprach. Besonders am Herzen liegt es der jungen Deutsch-Griechin Menschen, Kulturen, Musikrichtungen zu verbinden. 2015 gründete sie gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester, der Pianistin Kiveli Dörken, auf Lesbos das „Molyvos International Music Festival„. Es findet in diesem Sommer zum dritten Mal statt und wurde gerade mit dem „Classical:NEXT 2017 Innovation Award“ ausgezeichnet.

Gerade am zweiten großen Klavierkonzert Mozarts (KV 503) bewies die Pianistin nicht nur empathisches Poesie-Gespür für jede einzelne Mozart-Note, die dem Piano Forte mit geradezu überschäumender Eloquenz – Noten mit Engelsflügeln – entschweben, sondern sie überzeugte auch durch ihre stupend großartiger Technik. Bei aller Perfektion spürt man subkutan, wie hier jemand mit Herz und Seele spielt. Mozart macht Spaß…

Der 28-jährige israelische Dirigent Lahav Shani begann seine Karriere 2013 als Erster Preisträger des Gustav-Mahler-Dirigentenwettbewerbs in Bamberg. Sein Aufstieg ist phänomenal und gebührt der Beachtung, denn er wurde nicht nur vom großen internationalen „Rotterdam Philharmonic Orchestra“ einstimmig zum neuen Chefdirigenten (als Nachfolger von Yannick Nézet-Séguin ab 2018) gewählt, sondern er wird auch ab 2020 die Nachfolge der des dienstältesten Dirigenten weltweit, nämlich Zubin Mehta, als Chef des „Israel Philharmonic Orchestra“ antreten – bemerkenswert: hier überspringt er gleich zwei Generationen. Als Gast beim „Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks“ werden ihn noch in diesem Jahr die glücklichen Münchner erleben dürfen. Summa summarum ein geradezu märchenhafter Aufstieg! Glücklich, wer ihn gestern in der Düsseldorfer Tonhalle erleben durfte.

Das Glück begann bei der kurzen, selten so spritzig und lebendig gehörten, „Symphony classique“ von Prokofjew, die er in Bernstein-Zeit sogar unter 14 Minuten schaffte. Diese erste Sinfonie ist noch eine harmonische ohrengenehme friedfertige, durchaus humorvolle Hommage an den klassischen Stil eines Haydn bzw. Mozart – im Jahre 1917 eine Art Blick zurück in die Vergangenheit – und hat mit seinen späteren Sinfonien so gut wie nichts gemein. Die „Düsis“ wirbeln diesen „Staub der Vergangenheit“ gehörig und spielfreudig auf. Eine besonders in Dynamik und Rhythmik vorbildliche Umsetzung. Die Freude über die brillierende Umsetzung sieht man den Musikern am Ende an.

Im Gegensatz dazu steht ein nur 22 minütiges Monsterwerk im zweiten Teil des Abends an: Skrjabins „Le poème de l´Extase“. 17-faches Blech (8 Hörner, 5 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba) dazu Große Trommel, Becken, Tamtam, Triangel, Glocke, Glockenspiel, Celesta, zwei Harfen und Orgel. Nicht weniger als 4 Flöten, 3 Oboen, Englischhorn, 3 Klarinetten, Bassklarinette, 3 Fagotte und ein Kontrafagott – plus großes mahlersches Streichermeer. Da geht die sprichwörtliche Post ab und im strahlenden C-Dur-Finale (welches übrigens nur live und niemals auf Platte so unerhört erlebbar wird!) übertrumpft Skrjabin sogar noch Mahlers Finale der Zweiten. Das ist unerhörte Musik! Der orchestrale Gigantismus dieser Sinfonie, zu deren besserem Verständnis der Komponist selber noch ein 370 zeiliges Gedicht schrieb, ist ein geradezu orgiastischer Klangrausch. Man müsste es eigentlich am Ende mit Lightshow und Feuerwerk präsentieren – nebenbei Gedanken, die Skrjabin für sein Monsterwerk immerhin schon damals andachte. Die Düsseldorfer Symphoniker bewältigen diese hochschwierige Riesenschlacht bravourös.

So endet ein toller Konzertabend mit einem so abwechslungsreichen, wie vorbildlichen Programm in verdient tosendem Jubel und Bravi des enthusiasmierten Publikums. Der Rezensent schloss sich hier lauthals und von ganzem Herzen an.

Peter Bilsing 6.2.2018

Dank für die schönen Bilder an (c) Susanne Diesner / Tonhalle

* das Konzert wurde vom WDR gestern live übertragen. Und ist die nächsten 31 Tage noch abrufbar.

Die Tonhalle vom Parkplatz (Rheinufer) aus betrachtet (c) Der Opernfreund