Essen: Freude an der Musik

Es gibt Konzerte, die sind einfach wunderbar, weil die Fröhlichkeit und Spielfreude der Künstler sich sofort dem Publikum mitteilt. Hier gilt es von solch einem herrlichen "Nachmittagskonzert" (17 h) zu berichten. Ich gebe zu, daß mich weniger der Name des Orchesters Orchestre de Chambre Pelléas, welches hierzulande weniger bekannt ist, als der Name einer der größten Sopranistinnen, nämlich Jennifer Larmore, zum Besuch bewegt hat.

Das ware beinahe ein Fehler, denn die fabelhaften Musici dieses tollen Kollektivs wären allein schon die Fahrt nach Essen wert gewesen. Was für ein Orchester! Dies Bild unten sagt wahrlich mehr als Worte.

Musik beflügelt 😉

Foto:Francois Goisé

Da schauen einem keine bräsigen Beamtenmusiker entgegen, die ich immer wieder so vielerorts erlebe. Endlich einmal keine Finsterbacken, die z.B. in der Oper jede temporäre Nichtspiel-Möglichkeit nutzen, um den Graben zu verlassen; oder das Gegenteil: abgeklärte Spitzenmusiker, die ein Stück zwar professionell sehr gut, aber mit dem Gleichmut des Tausende-Male-Gespielten tonbandmäßig (in Köln klingt es so perfekt und blutlos routiniert, wie in Essen, München oder Kalkutta) ablaufen lassen. Nein, diese jungen Menschen nicken ein freundliches "Hallo" beim Betreten des Podestes in Richtung Publikum und umarmen am Schluss ihre Nebenspieler, sich gegenseitig bedankend auf eine Herzlichkeit, wie man es selten bis nie erlebt. Das rührt an, das erfreut das Seelenheil des Publikums und des Kritikers.

Bitte merken Sie sich den Namen: ORCHESTRE DE CHAMBRE PELLEAS.

Jennifer Larmore sang Klassiker aus dem Bereich der leichten Muse (Bernstein, Loewe, Weill, Gershwin…). Stücke die, nehmen wir Erwin Berlins "What´ll I do" mal heraus, zum Bunten Abend des durchaus Alltäglichen und der ewig währenden Welthits gehören. Daß "La grande dame" Larmore diese trefflich singen können würde, stand außer Frage, doch bleibt eigentlich nichts nachhaltig hängen. Frau Larmore wirkt zwar charmant, aber eben typisch amerikanisch, mit etwas zuviel Affektivität und jenerm "I-wanna-be-everybodys-darling" Charme; zuviel Emotionen für manches Stück und zuviel "It´s-Showtime!" Dauerausdruck.

Dennoch ergeht des Rezensenten großes persönliches Lob, daß sich ein Künstler aus den holden Gefilden der großen Opera-Performance auf solche "niedere" Unterhaltungsebenen begibt. Das dies natürlich beim Publikum blendend ankommt, war vorhersagbar, einfach weil diese Künstlerin eben so vortrefflich singen kann.

Daß man mit Benjamin Levy einen der hochkompetenten, sprachgewandten und humorvollen Dirigenten und Moderatoren dabei hatte, war ein Glücksfall sondergleichen, denn Levy erklärte auch aufs Höchste amüsant und informativ die seltenen Stücke. Wer hat schon einmal von Jacques Iberts Bühnenmusik zum "Chapeau de paille d´italie" gehört? Musik zum Bühnenstück vom großen Eugene Labiche. (Opernfreund-Geheimtipp: Dazu gibt es auch eine Oper namens "Der Florentinerhut" von Nino Rota, die gerade in Gelsenkirchen läuft).

Oder kennen Sie Henri Christinés Ouvertüre zur schwungvollen Operette "Phi-Phi"? Die findet man noch nicht einmal auf YOUTUBE! Gleiches gilt für Albert Roussels Suite Fantaisie aus "Le testament de la tante Caroline" oder die Ouvertüre zu Maurice Yvains "Pas sur la bouche". Das ist Musik, die Freude macht – vieles perlt wie Offenbachscher Champagner. Stichwort "Offenbach": Levy bedankte sich ausdrücklich beim deutschen Publikum, dass es Offenbach nach Frankreich hat ziehen lassen, wo er ja (wie wir wissen) zum Urvater der Operette avancierte.

Was war das für eine grandios schöne Sonntagnachmittags-Unterhaltung! leider brachten es nur gut 350 (lt. Kasse) Musikfreunde übers Herz sich in die Philharmonie zu begeben. Schade… Vielleicht kann man diese tolle Truppe – aber es muss unbedingt Benjamin Levy als Dirigent dabei sein (!), fürs nächste Silvesterkonzert buchen – solch wunderbare Musik hätte wahrhaft mehr Besucher verdient.

Peter Bilsing 28.1.2017

Bilder (c) Der Opernfreund / orchestrepelleas.com

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