DVD: „Il Trittico“, Giacomo Puccini

Um das Fazit vorwegzunehmen: Diese DVD ist durchaus empfehlenswert. Die im August 2022 bei den Salzburger Festspielen aufgezeichnete, damals gerade neu herausgekommene Produktion von Puccinis Il Trittico vermag insbesondere szenisch und gesanglich zu fesseln. Die Inszenierung liegt in den bewährten Händen von Christof Loy, das Bühnenbild und die Kostüme stammen von Etienne Pluss und Barbara Drosihn. Loys überzeugendes Regiekonzept nimmt in einer Variation der herkömmlichen Reihenfolgen der drei Einakter ihren Anfang. Normal beginnt das Ganze mit Il Tabarro, gefolgt von Suor Angelica und zuletzt Gianni Schicchi. In Salzburg beginnt man mit Gianni Schicchi. Es folgt Il Tabarro, und am Schluss steht Suor Angelica. Zur Herangehensweise der Regie an Il Trittico gehört auch die Besetzung der drei weiblichen Hauptpartien mit ein und derselben Sängerin: der großartigen Asmik Grigorian, die hier sowohl darstellerisch wie auch gesanglich jede Facette ihrer dankbaren Rollen zieht. Stimmlich überzeugt sie mit einem gut fokussierten, ebenmäßig geführten und über eine treffliche Linienführung verfügenden Sopran, der zudem zu vielen einfühlsamen Nuancen fähig ist. Wunderbar ist ihre emotionale Tongebung und auch die vokale Auslotung der drei Partien gelingt ihr hervorragend. Schauspielerisch vermag sie ebenfalls sehr zu gefallen. Mit großer Brillanz zeigt der Regisseur anhand von Lauretta, Giorgetta und Angelica die schrittweise Entwicklung einer einzigen Frau auf. Drei Damen in einer: Da fühlt man sich stark an Offenbachs Les contes d’Hoffmann erinnert. Der Vergleich drängt sich auf. Mit enormem schauspielerischem Können zeigt Asmik Grigorian den Werdegang eines naiven, frisch verliebten Mädchens über eine frustrierte, in ihrer Ehe gescheiterte und sich nach Liebe sehnenden Frau zu einer verzweifelten, unter einer ausgemachten Psychose leidenden Nonne auf, die letzten Endes Selbstmord begeht. Wie die Grigorian das alles spielt, geht – in erster Linie in Suor Angelica – ganz schön unter die Haut.

Aber auch sonst kann man mit Loys Inszenierung voll zufrieden sein. Seine Personenregie ist stringent und sehr ausgeprägt. Das Bühnenbild bleibt über alle drei Stücke hinweg fast leer, sodass nichts von den verschiedenen Charakteren ablenkt. Einige Sitzgelegenheiten sind ständig präsent. In Gianni Schicchi dominiert ein riesiges Bett die Bühne. Das Ensemble gibt sich hier derart putzmunter und aufgedreht, dass Loy ihm ein wenig die Zügel anlegen muss. Dabei gelingt es ihm vorzüglich, das Geschehen nicht in eine Klamotte abdriften zu lassen. Neben der Grigorian vermögen hier der markant singende Misha Kiria als Gianni Schicchi und der mit einer vorbildlichen italienischen Technik gesegnete, frisch und mit jugendlichem Elan intonierende Alexey Neklyudov in der Rolle des Rinuccio nachhaltig für sich einzunehmen. Solide sind die anderen Verwandten besetzt.

Bei Il Tabarro handelt es sich um eine ausgemachte Eifersuchtstragödie, und genauso bringt sie Loy auch auf die Bühne. Die verschiedenen Handlungsträger gewinnen bei ihm ein bemerkenswertes Eigengewicht. Das Ehepaar Giorgetta und Michele leidet stark unter ihrer nicht gerade gut laufenden Ehe und dem Verlust ihres Kindes. Der Ehebruch ersterer mit Luigi erscheint vorprogrammiert. Es ist eine raue, gewalttätige Männerwelt, gegen die Giorgetta keine Chance hat, die der Regisseur hier zeichnet. Und Michele ist gleichermaßen Opfer wie Täter – ein trefflicher Regieeinfall. Hier wird das Bühnenbild von einem gewaltigen Lastkahn eingenommen, auf dem sich das tragische Geschehen abspielt. Das Ganze ist dunkel ausgeleuchtet. Man merkt, es handelt es sich um ein ausgesprochenes Nachtstück. Hier gesellen sich zu Grigorians Giorgetta der über einen markanten, solide italienisch fundierten Bariton verfügende, den Michele perfekt singende Roman Burdenko und Joshua Guerrero, dessen strahlkräftiger, profunder und starken Höhenglanz ausstrahlender Tenor für den Luigi sehr passend ist. Rollendeckend präsentieren sich die kleinen Rollen.

Am besten gelungen ist Loy die Suor Angelica, in der sich seine ausgeprägte Meisterschaft wieder einmal offenbart. In dieser Oper ist die Bühne fast ganz leer. Lediglich einige wenige Topfpflanzen symbolisieren den Klostergarten. Einfühlsam zeichnet die Regie das Bild einer angesichts des Todes ihres kleinen Sohnes in Verzweiflung versinkenden, psychisch labilen adeligen Nonne, die letztlich das Klosterleben nicht mehr erträgt, ihr Nonnengewand ablegt und dafür ein schlichtes graues Kleid anzieht. Da sie den Tod ihres Kindes nicht verwinden kann, begeht sie am Ende Selbstmord. Sterbend visualisiert sie ihren barfüßigen Sohn herauf, der ihr Trost im Sterben gibt. Die abschließende Marienerscheinung findet bei Loy nicht statt. Hier ist Asmik Grigorian wieder ganz stark. Ihre Auseinandersetzung mit Karita Mattilas tadellos und prägnant singender Fürstin ist der Höhepunkt der Suor Angelica. Über immer noch beachtliche Mezzo-Reserven verfügt Hanna Schwarz‘ Äbtissin. Auch die Schwester Eiferin von Enkelejda Shkosa vermag für sich einzunehmen, genau wie die anderen kleinen Nonnen, die allesamt ordentlich singen.

Wünsche bleiben bei Franz Welser-Möst offen, der die Wiener Philharmoniker allzu deutsch dirigiert. Stilistisch ist seine Herangehensweise an Puccinis Partitur verfehlt. Nur weil man mit Asmik Grigorian die derzeit wohl beste Salome-Sängerin zur Verfügung hat, bedeutet das doch noch lange nicht, dass man Il Trittico auch wie die Salome dirigieren muss. Genau das aber tut Welser-Möst. Und dieses musikalische Konzept des Dirigenten geht absolut nicht auf. Hier spürt man überhaupt keine schöne Italianita, die aber bei Puccini so wichtig ist. Das Publikum indes quittiert diesen Faux-Pas nicht mit Buhrufen, sondern reagiert begeistert. Ich bin es nicht.

Ludwig Steinbach, 13. August 2023


DVD: „Il Trittico“
Giacomo Puccini

Salzburger Festspiele 2022
Inszenierung: Christof Loy
Musikalische Leitung: Franz Welser-Möst
Wiener Philharmoniker

Unitel
Best.Nr.: 808908
2 DVDs