Teatro Comunale Luciano Pavarotti|Aufführung am 26.10. (Premiere)
Die im Mai besprochene Produktion ging, wie bereits angekündigt, nach Modena, dessen Teatro Comunale dem Andenken des aus dieser Stadt stammenden großen Tenors gewidmet ist.
Ich hatte die Vorstellung auch wegen der einzigen Neubesetzung im Vergleich zu Piacenza besucht, denn nun sang Marco Caria anstelle von Simone Piazzola den Sultan Seid. Neugierig war ich auf den Bariton, weil er seine ersten bedeutenderen Schritte ja an der Wiener Staatsoper gemacht hatte, wo er mir u.a. durch ziemlich häufige Absagen auffiel, was sich auch in Italien wiederholte. Nun konnte ich ihn also endlich hören, und das gleich bei einem Rollendebüt. Fazit: Eine gut durchgebildete Stimme (darin lässt sie an sein Studium mit Mirella Freni denken) von angenehmem, sehr virilem Timbre. Forciert wurde nur bei zwei Spitzentönen, was nicht nötig war, mir aber einer gewissen Nervosität geschuldet schien. Die Persönlichkeit des Baritons scheint mir nicht sehr ausgeprägt, doch spielte er routiniert.
Während der Proben hatte es allerdings noch eine Umbesetzung gegeben, denn statt der erkrankten Serena Gamberoni sang Adriana Iozzia die Medora. Die junge Dame nützte die Chance zu einer überzeugenden Interpretation der einzigen relativ bekannten Arie der Oper, „Non so le tetre immagini“, während die Stimme an anderen Stellen ihrer nicht sehr umfangreichen Rolle einen leicht säuerlichen Stich hatte. Roberta Mantegna war neuerlich die Gulnara, und ich muss mein Urteil über sie in dieser Rolle im Mai wiederholen: „Sehr interessantes Material, muss aber noch an der Technik feilen“.
Aufreger des Abends war allerdings die Tatsache, dass Iván Ayón Rivas als Corrado, Titelheld des Werks, nach einem stimmlich und szenisch ausgezeichneten ersten Teil die Sinne verloren hatte, kurz nachdem der Vorhang nach dem 2. Akt gefallen war. Deshalb verlängerte Pause, Ansage über eine Übelkeit des Tenors, Ambulanz. Nach der Behandlung war er dann in der Lage, die Rolle ohne stimmliche Einbußen zu Ende zu singen. Wie zu erfahren war, waren es private Nachrichten, die dem 25-jährigen Peruaner zugesetzt hatten. Ich möchte aber auch hinzufügen, dass er mich ein wenig an Rolando Villazón erinnert. Nicht stimmlich, denn sein Timbre ist weniger baritonal als das des Mexikaners, aber im 150%igen Einsatz, der einen auch nervlichen Verschleiß befürchten lässt. Es wäre schade um diesen temperamentvollen, schönstimmigen und auch technisch versierten jungen Mann.
Die Leistungen von Christian Saitta (Giovanni), Matteo Mezzaro (Selimo) und Raffaele Feo (Eunuch und Sklave) entsprachen den in Piacenza gebotenen, also gut für Erstere und schwach für Letzteren. Am Pult des Orchestra Regionale dell’Emilia-Romagna bewies Matteo Beltrami eiserne Nerven, ließ sich von den Umständen nicht beeinflussen und brachte den Abend (welcher Genuss die stringent geführten Ensembles!) zu seinem vielbeklatschten Ende. Auch der Chor des Teatro Municpale di Piacenza unter seinem Leiter Corrado Casati zeichnete sich neuerlich durch Klangschönheit und szenische Teilnahme aus. Die Inszenierung von Lamberto Puggelli aus 2004, nun betreut von Puggellis Witwe Grazia Pulvirenti, gefällt immer noch mit ihren eindrucksvollen Takelagen (Marco Capuana) und den kleidsamen Kostümen von Vera Marzot. Auch die rasante Einstudierung der Fechtszenen durch Renzo Musumeci Greco sei nochmals ausdrücklich gelobt.
Ende gut, alles gut.
Eva Pleus 28.10.18