Vorstellung am 19.11.21 (Premiere)
Der für nicht-italienische Ohren monströs klingende Titel (den man ungefähr mit „Vor- und Nachteile des Bühnenlebens“ übersetzen könnte) wird außerhalb Italiens und vor allem nördlich der Alpen meist als „Mamma Agata“ gegeben. Diese für einen Bassbuffo geschriebene Rolle ist die Hauptfigur, um die in Gaetano Donizettis Satire über das Theaterleben alles kreist. Der Komponist war sein eigener Librettist, als er 1827 eine einaktige farsa herausbrachte und auch 1831, als er nach dem überwältigenden Erfolg in Neapel für Mailand einen zweiten Akt anfügte und das gesamte Werk mit dramma giocoso untertitelte. Schade, dass man sich über die den Personen gegebenen Namen nur beim Lesen des Librettos amüsieren kann (ein Beispiel für alle: Der Komponist heißt Biscroma Strappaviscere, also ungefähr „Zweiunddreißigstelnote Tränendrüsendrücker“).
Das Thema „Theaterleute machen sich über sich selbst lustig“ war schon immer beliebt. Hier nimmt Donizetti die Primadonna, ihren Mann, den Tenor, den Librettisten und den Impresario mit ihren Launen und nervösen Ausbrüchen aufs Korn. Es ist ein Leichtes, die Situation ins Heute zu verlegen, denn die grundsätzliche Lage der Künstler mit ihren Wünschen ist ja unverändert geblieben. Allerdings wären viele Anspielungen für das heutige Publikum unverständlich oder brächten es zumindest nicht zum Lachen. Deshalb hat der Journalist und Autor Alberto Mattioli die gesprochenen Texte überarbeitet und
von Bartoli bis Netrebko die Namen heutiger Stars der E-Musik eingefügt. Ein Beispiel: Bei der Einstudierung müsse man nicht so schrecklich philologisch vorgehen, schließlich dirigiere ja nicht Riccardo Muti… Im gelungenen Bühnenbild von Danilo Coppola (eine triste Probebühne für den ersten Akt, eine gewollt kitschige Umgebung mit einer großen Muschel à la Botticellis „Geburt der Venus“ für den zweiten) führte Renato Bonajuto spritzig und mit sicherer Hand eine Regie, an der sich alle Mitwirkenden mit sichtlichem Vergnügen und Einsatz beteiligten, ohne in die hier an allen Ecken lauernden Möglichkeiten des Chargierens zu verfallen. Unterstützt wurden sie dabei von den eleganten bis hinreißend komischen Kostümen des Artemio Cabassi.
Unsagbar komisch Marco Filippo Romano als Mamma Agata, die sich zunächst für ihre von der Primadonna in den Schatten gestellte Tochter Luigia ins Zeug wirft, um schließlich die ganze Sache an sich zu reißen und selbst aufzutreten. Niemals aber verfiel der Künstler in reines Geblödel, sondern schenkte auch dem Gesang die nötige Aufmerksamkeit. Giuliana Gianfaldoni (Corilla) gab den Prototyp der hofierten Diva, zeigte aber mit der Hymne der Corinna aus Rossinis „Viaggio a Reims“ auch stimmliche Qualitäten. (Im zweiten Teil können ernste Stücke ad libitum eingefügt werden). Gar köstlich war auch Matteo Desole, der zunächst einen deutschen Tenor mit Sprachschwierigkeiten und prekärer Intonation mimte und später wunderbar ein schwieriges Barockstück präsentierte. Das gilt auch für den Mezzo Silvia Beltrami, die als Mann verkleidet auftrat, um eine Rolle als – Counter zu erringen. Sie sang später mit samtener Stimme eine weitere Barockarie. Quicklebendig und hellstimmig Paola Leoci als Luigia, affektiert donnernd Nicolò Donini (Procolo, Corillas Ehegespons). Den dirigierenden Komponisten gab Andrea Vincenzo Bonsignore immer am Rande einer ne
rvlichen Krise, den Librettisten (hier der Regisseur) mit entsprechend autoritärem Gehabe Stefano Marchisio. Den hier zum Intendanten mutierten Impresario gab Dario Giorgelè zum Schreien komisch in Maske und Habitus von – Dominique Meyer. Als Theaterinspektor ergänzte Juliusz Loranzi. Beschwingt die Leitung des Orchestra Filarmonica Italiana durch Giovanni Di Stefano und zuverlässig der von Corrado Casati einstudierte Chor des Hauses.Viel Gelächter und gute Stimmung sowie stürmischer Applaus.
Ein Licht auf die allgemeine Lage der Oper in Italien wirft die Tatsache, dass die Intendant in des Hauses Cristina Ferrari angesichts des schleppenden Kartenverkaufs den Einfall hatte, eine populäre Diva der leichten Musik, die inzwischen 81-jährige Iva Zanicchi, zu einem (übrigens geschmackvoll und unaufdringlichen) Kurzauftritt einzuladen, woraufhin der Kartenverkauf gleich anzog…
Eva Pleus 23.11.21
Bilder: Cravedi / Verile