am 15.11. (Premiere 14.10.)
Korrepetitor rettet die Aufführung
Die achte Vorstellung dieser Produktion sollte gleich zu Beginn mit einer Überraschung aufwarten. Dirigent Lorenz C. Aichner konnte auf Grund eines Kreislaufkollapses die Vorstellung nicht dirigieren. Nun sind „I Masnadieri“ von Giuseppe Verdi keine Repertoireoper, sondern wird nur fallweise auf den Spielplan gesetzt. In der Kürze war sohin auch kein Dirigent zu finden, der das Werk – ohne Probe – dirigieren würde. Das aber war die große Chance für den Korrepetitor Felix Lemke, der sich bereit erklärte, die Aufführung zu leiten. Und gleich bei seinem energischen ersten Einsatz wusste man die Oper in verständnisvollen Händen gebettet und den Abend souverän gerettet. Die Tempi waren sorgfältig gewählt, Orchester und Bühne verschmolzen unter seinem sensiblen Dirigat zu einer harmonischen Symbiose, die in mir den Wunsch hervorrief, diesem Newcomer als Dirigenten in Zukunft noch öfters begegnen zu können. Und auch der von Holger Christen einstudierte Volksopernchor gab eine respektable Räuberbande ab und bewies auch tänzerisches Können während fröhliche Mörderweisen erklangen.
Zum Werk: „I masnadieri“, so der Originaltitel, ist bereits Verdis 11. Oper. Von den früheren Opern haben sich lediglich Nabucco, Ernani und Macbeth im ständigen Repertoire der großen Opernhäuser gehalten. Die Oper war ein Auftragswerk für das königliche Opernhaus am Haymarket in London und wurde dort am 22. Juli 1847 von Verdi selbst dirigiert. Ihm stand dabei die berühmte Jenny Lind als Amelia zur Verfügung. Und am heutigen Abend trat Anja-Nina Bahrmann – für mein Dafürhalten – in deren würdige Fußstapfen. Die Gesangspartie hatte Verdi, ähnlich wie jene der Gilda im Rigoletto, für den mittleren und oberen Sopranbereich angesiedelt. Mit ihrem lyrischen Sopran perlten die Koloraturen nur so heraus und auch darstellerisch gefiel sie, wenngleich ihr Duell mit Franz, den sie mit gezogenem Dolch attackierte, doch ein wenig komisch anzusehen war. Boaz Daniel hätte ein wenig mehr Bosheit für die Rolle der „Kanaille“ Franz nicht geschadet. Bei Kurt Rydl denkt man mit Wehmut an große Wagnerabende in der Staatsoper zurück, wo er als Hagen oder Gurnemanz mit seinem voluminösen Bass begeistern konnte. An diesem Abend hielt sich der 70jährige aber recht wacker, wenngleich seine Stimme bereits ein großes Vibrato hören lässt. Aber für die Rolle eines gebrochenen Vaters ist das vielleicht gar kein so großer Nachteil. Am Ende durfte er dann gleich auch den Part des Pastor Moser singen, was mir nicht als ganz logisch erschien. Alexander Pinderak als Hermann und Christian Drescher als Roller sangen und spielten mit Verve. Einziger Wermutstropfen an diesem Abend war Mehrzad Montazeri als Karl. Für diese Partie verfügte der Sänger leider nicht über die erforderliche Tessitur und so musste er hörbar häufig stark forcieren. Dennoch gelangen ihm aber immer wieder schöne Momente, wenn die Gesangslinie nicht allzu hoch nach oben verlief.
Die Ouvertüre bebilderte Regisseur Alexander Schulin, wie es derzeit wohl Mode ist, indem er Ricardo Bru im Hause Moor ein Violoncello solo spielen ließ, ihm zu Füßen drei Kindern. Das Einheitsbühnenbild von Bettina Meyer besteht aus einem schwarzen drehbaren Kubus und eine geöffnete Wand bietet den Betrachtern beiderlei Geschlechts Einblick in das Innere. Variiert wird die Szene lediglich während des Räuberquartiers, wo einige herabhängende Leuchtstoffröhren wohl den Wald symbolisieren sollen. Bettina Walter entwarf die werkgerechten Kostüme. Der Regie mangelt es für mein Dafürhalten an einer stärkeren Personenführung. Der Kubus sollte nicht unbedingt zum Versteckspiel der Protagonisten dienen, das wirkt ein wenig albern. Aber in Summe war ich von diesem Abend sehr angetan. Ich selber habe das Werk – meiner Erinnerung nach – nur einmal in italienischer Sprache in den 90ger Jahren am Landestheater Linz gesehen, besitze aber insgesamt sechs Videogesamtaufnahmen der „I masnadieri“ aus Sydney 1980 und 1987, Piacenza 1998, Palermo 2001, Neapel 2012 und Parma 2013. Verdienter Applaus für alle Mitwirkenden, Bravorufe für Kurt Rydl und Anja-Nina Bahrmann und den Retter des Abends, „Einspringer“ Felix Lemke, der den Abend souverän geleitetet hatte. Bravo!
Harald Lacina, 16.11.2017
Fotocredits: Barbara Palffy / Volksoper