Frankfurt, Konzert: „Neue Philharmonie Frankfurt“, Beethoven, Rachmaninow, Schumann

Ein kontrastreiches Programm präsentierte die Neue Philharmonie Frankfurt im Congress Park Hanau. In düsterem c-moll schrieb Ludwig van Beethoven seine wuchtige „Coriolan“-Ouvertüre. 1807 entstand dieses Werk als Schauspielmusik zum gleichnamigen Theaterstück. Die Ouvertüre selbst ist ein Meisterwerk der musikalischen Dramaturgie. Beethoven gelingt es, die Geschichte des römischen Feldherrn Coriolanus mit musikalischen Mitteln zu erzählen und eine fesselnde Spannung aufzubauen. Die Neue Philharmonie Frankfurt und Chef-Dirigent Jens Troester verstanden es hervorragend, diese Dramaturgie in ihrer Aufführung umzusetzen. Die musikalischen Kontraste zwischen den harschen Passagen und den lyrischen Melodien wurden fein nuanciert herausgearbeitet und sorgten für ein abwechslungsreiches Hörerlebnis. Besonders beeindruckend war die Klarheit und der pointierte Rhythmus, mit der das Orchester spielte, kleinere Konzentrationsfehler fielen da nicht ins Gewicht. Jeder Ton, jede Nuance war deutlich zu hören, und die Dynamik und Intensität der Musik wurde mit erkennbarer Hingabe ausgeführt. Jens Troester als Dirigent führte das Orchester mit einer beeindruckenden Souveränität durch das Stück, wobei er gleichzeitig Raum für individuelle Interpretationen und Ausdrucksformen der einzelnen Musikerinnen und Musiker ließ.

(c) Mike Bender

Ein wenig untergegangen in der Musikwelt ist der 150. Geburtstag des großen russischen Komponisten Sergej Rachmaninow, der am 01. April 1873 zur Welt kam. Die Entstehung seines beliebten Klavierkonzertes Nr. 2 kommt einem Wunder gleich. Als seine von ihm so sehr geschätzte erste Sinfonie bei der Uraufführung ein unfassbares Desaster erlebte, erlitt Rachmaninow ein tiefes Trauma mit einer langwährenden Schreibblockade. Vier Jahre schrieb er keine Note. Tiefe Depressionen und Seelenschmerzen waren an der Tagesordnung. Große Bedeutung kommt seinem damaligen behandelnden Arzt Dr. Dahl bei. Er war Rachmaninows großer Glückstreffer, denn Dahl war ein sehr erfahrener Psychoanalytiker und darüber hinaus ein Musikexperte. Gesicherte Zitate belegen, dass Dahl dem Komponisten in zahllosen Hypnosebehandlungen immer wieder suggerierte, dass er ein neues Klavierkonzert von herausragender Qualität schreiben werde. Tatsächlich sollte es so kommen und im Sommer 1900 begann Rachmaninow mit der Komposition seines zweiten Klavierkonzerts. Im Folgejahr war dann im Oktober die Uraufführung, die der Komponist selbst am Klavier spielte. Endlich war der große internationale Durchbruch gelungen und Rachmaninow fühlte sich rehabilitiert.

Was für ein Beginn! Acht anschwellende Solo-Akkorde des Klaviers, wie schwere Glocken eröffnen das Konzert und werden dann mit einem schwelgerischen Cantabile der Streicher fortgeführt. Rachmaninow schrieb ein Meisterwerk voller eingängiger Melodien, jedoch immens virtuos in den Anforderungen für den Solisten. Ebenso ist die Balance zwischen Orchester und Klavier ein weiterer Prüfstein für einen gelungenen Vortrag.

Solist des Abends war der junge Berliner Pianist Julius Asal. Bereits mit drei Jahren begann er Klavier zu spielen. Seine Begabung wurde früh gefördert und so kann Asal bereits auf eine eindrucksvolle Karriere blicken. Zahlreiche internationale Gastspiele, Preise und erste CD-Einspielungen runden sein Profil ab. Seit 2021 studiert er u.a. bei Sir András Schiff an der Kronberg Academy.

(c) Neue Philharmonie Frankfurt

Das Konzert begann mit den berühmten glockenartigen Akkorden, die Asal mit zupackender Dynamik formulierte. Dieser Beginn wurde mit einer kraftvollen und präzisen Eröffnung durch das Orchester in dem herrlichen Streicherthema aufgegriffen. Die Melodie führte nahtlos in Julius Asals Einführung des Klavierthemas ein, das er mit unglaublicher Virtuosität und Feinheit präsentierte. Seine Finger glitten über die Tasten, als ob er eine sehr persönliche Verbindung mit dem Klavier hätte. Sein Spiel war voller Emotionen, und er schien in jeder Note aufzugehen. Julius Asals Interpretation von Rachmaninows 2. Klavierkonzert war bemerkenswert. Er spielte mit einer solchen Kraft und Hingabe, dass es unmöglich war, nicht von seinem Spiel ergriffen zu werden. Jede Note war perfekt platziert, und sein Spiel war von einer beeindruckenden technischen Fertigkeit begleitet. Asals Vortrag war sowohl einfühlsam als auch kraftvoll, und er schaffte es, das Publikum in jeder Sekunde des Konzerts in seinen Bann zu ziehen. Besonders bewegend war seine Interpretation des berühmten Adagio-Satzes. Asal spielte diesen Satz mit einer solchen Intensität und einer unglaublichen Fähigkeit, die Melancholie und Traurigkeit der Musik zum Ausdruck zu bringen. Seine Gabe, die langen, fließenden Melodien von Rachmaninow auf eine so lebendige und bewegende Weise zu interpretieren, war imponierend. Die Neue Philharmonie Frankfurt und Dirigent Jens Troester boten eine hervorragende Begleitung für Asals Klavierspiel. Das Orchester und der Pianist waren bestens aufeinander abgestimmt, und die Zusammenarbeit zwischen ihnen schien nahtlos zu sein. Troesters Interpretation des Stücks war raffiniert und präzise, und er führte das Orchester in jeder Phase des Konzerts mit fester Hand. Troester unterstrich einmal mehr seine besondere Affinität zur russischen Musik, derart überzeugend gelang seine Auslegung der meisterhaften Partitur.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Julius Asal eine exzellente Leistung mit Rachmaninows 2. Klavierkonzert geboten hat. Sein Spiel war von unvergleichlicher Technik und Leidenschaft geprägt, und er hat das Publikum mit seiner Fähigkeit, die Emotionen der Musik zum Ausdruck zu bringen, nachhaltig beschenkt. Großer Jubel im Saal. Julius Asal bedankte diesen mit einer virtuosen Zugabe.

Der 31. März 1841 war ein glücklicher Tag im Leben des depressiven Robert Schumann. In gerade einmal vier Tagen schrieb er im Überschwang seiner Gefühle seine erste Sinfonie, welche er „Frühlingssinfonie“ nannte. Bereits die einleitende Trompetenfanfare wollte Schumann als Weckruf des Frühlings verstanden wissen. Wenige Augenblicke der Ruhe, ehe sodann in einem bewegten Allegro molto vivace die Streicher im regen Dialog mit den Bläsern davon stürmen. Silbrige Farbtupfer steuert die Triangel bei. Die Musik pulsiert und atmet fortwährend. Welch ein Überschwang des Gefühls! Eine kurze Atempause gewährt Schumann sodann im Folgenden Larghetto, in welchem die Streicher einen ruhenden Pol formulieren. Bläser und Streicher stimmen darin einen großen Melodiebogen an, der nicht endet. Rhythmische Brillanz prägen das folgende Scherzo, molto vivace. Ruppige, ja schroffe Akzente zeigen, dass hier mitnichten alles heil ist. Der musikalische Verlauf fegt alles hinweg und stürmt davon, durch alle Höhen und Tiefen. Ambivalenz kongenial in Töne formuliert. Der finale Satz Allegro animato e grazioso ist ein überaus farbenfrohes, optimistisches Finale, obgleich dann und wann die tiefen Streicher dieses infrage stellen. Spannend immer wieder auch einzelne Abschnitte in den Holzbläsern, die an Mendelssohn erinnern. Und am Ende eine dynamische Dur-getränkte Steigerung, die in ihrem Elan besonders mitreißend ist.

Mit einer kraftvollen und fesselnden Interpretation von Robert Schumanns erster Sinfonie brachte die Neue Philharmonie Frankfurt unter der Leitung ihres herausragenden Dirigenten Jens Troester das Publikum zum Staunen. Von den ersten Klängen der Sinfonie bis zum leidenschaftlichen Finale war die Aufführung ein mitreißendes Erlebnis, das die musikalische Vision Schumanns mit Präzision und Empfindsamkeit vermittelte. Troester dirigierte das Orchester mit sicherer Hand und führte es zu überzeugender Ausdruckskraft. Besonders gelungen war die Art und Weise, wie Troester die verschiedenen Instrumentalstimmen des Orchesters ausbalancierte und harmonisierte, um die feinen Nuancen der Partitur zum Leben zu erwecken. Seine dynamische Leitung ließ die Musik lebendig werden und vermittelte dem Publikum ein tiefes Verständnis für die Schönheit und Kraft dieser wunderbaren Komposition. Die Neue Philharmonie Frankfurt und Jens Troester verdienen Lob für diese gelungene Aufführung von Schumanns erster Sinfonie. Ihre Leidenschaft und Hingabe für die Musik war offensichtlich und inspirierend, und ihre Zusammenarbeit hat eine Interpretation gelingen lassen, welche in den Herzen und Köpfen des Publikums nachklingen wird. Das Auditorium würdigte den Vortrag mit begeisterndem Beifall.

Dirk Schauß 7. Mai 2023


Konzert am 6. Mai 2023

im Congress Park Hanau

Ludwig van Beethoven: Ouvertüre zu „Coriolan“ op. 62

Sergej Rachmaninow: Klavierkonzert Nr. 2 c-moll op. 18

Robert Schumann: Sinfonie Nr. 1 B-Dur op. 38 „Frühling“

Julius Asal, Klavier

Neue Philharmonie Frankfurt

Jens Troester, Leitung