Vorstellung am 3.8.16 in Masseria Luco (Premiere am 28.7.)
Auch diese Commedia per musica stammt von Giovanni Paisiello und wurde auf ein Libretto von Giovanni Battista Lorenzi (1721-1807) geschrieben, der auch den Text für Paisiellos berühmteste Oper „Nina o sia La pazza per amore“ verfasste. (Schade, dass der teilweise sehr unterhaltsame Text im an sich vorbildlichen Festivalprogrammheft nicht abgedruckt wurde). Der geneigte Leser möge sich nicht an der italienischen Schreibweise des Titels stoßen – auf sprachliche Eigenheiten wurde in den Libretti des 18./19. Jahrhunderts kein besonderer Wert gelegt, eben so wenig auf erzählerische Treue gegenüber dem Original, das in diesem Fall bekanntlich von Cervantes stammt (einem weiteren Jubilar dieses Jahres).
Die Handlung, die den Kampf Don Quijotes gegen die Windmühlen oder mit einer Herde Wildschweine aus dem Roman übernimmt, dreht sich um zwei gelangweilte Damen, eine Herzogin und eine Gräfin, die mit ihren Verehrern Don Calafrone und Don Platone ihren Spaß treiben und auf den Ritter von der traurigen Gestalt stoßen, der samt seinem Begleiter Sancho Pansa nun zum Opfer der Streiche der vier Herrschaften wird. Regisseur Davide Garattini Raimondi verlegte die Handlung in eine surreale Jetztzeit, in der die Damen und ihre Anbeter in Symbiose mit dem jeweiligen Handy und den damit verfertigten Selfies leben, während Don Quijote in einem Heim von Sancho als Pfleger betreut wird. Die Geschichte wird turbulent und mit köstlichen Einfällen erzählt, so etwa, wenn ein Teppichklopfer dem ausgezuckten Helden als Schwert dient oder aufblasbare Gummiballons die Wildschweine verkörpern. Im zweiten Teil hatte die Kostümbildnerin Giada Masi speziell Gelegenheit, mit wunderbar-skurrilen Kostümen ihrer Phantasie freien Lauf zu lassen, wenn der Don in eine Märchenwelt entführt werden soll. Was da mit Hilfe eines Tisches, einiger Stühle und Leintücher dargestellt wurde, war außerdem feinste pantomimische Kunst.
Die Vorstellung fand vor dem Eingang einer Masseria statt, ein weiteres Plus dieses schönen Abends. „Masseria“ bedeutet in Apulien Gehöft im weitesten Sinne, Haupthaus und Nebengebäude, aber es können – wie in diesem Fall – auch eine kleine Kirche und ein paar Trulli (die typischen kegelförmigen Behausungen dieser Gegend) dazugehören. In dieser zauberhaften Umgebung leitete Ettore Papadia vom Klavier aus eine kammermusikalische Bearbeitung der Partitur für zwei Geigen, Bratsche, Cello und Kontrabass (Ensemble dell’Orchestra ICO della Magna Grecia di Taranto). Die ausgezeichnete instrumentale Leistung fand ihr Gegenstück in den vokalen Darbietungen der jungen Sänger, die großteils an der Accademia del Belcanto in Ausbildung stehen. Besonders überzeugten die beiden Soprane, die Herzogin von Alessandra Della Croce und die Gräfin der Israeli Shiri Hershkovitz. Beide Damen wiesen eine geläufige Gurgel und starke darstellerische Eignung nach. Der erstmals vor Publikum auftretende Tenor Nico Franchini (Don Calafrone) zeigte sich im Besitz einer wohltimbrierten Stimme, von der anzunehmen ist, dass sie sich bei weiterem Studium durchsetzen wird. Der Baske Iosu Yeregui (Don Platone) erwies sich als Vollblutkomödiant mit angenehmem Bariton. Mit David Ferri Durà (Titelrolle) und Salvatore Grigoli (Sancho) gehörte er nicht zum aus der Accademia kommenden Nachwuchs. Der Spanier Ferri Durà war schon von der Erscheinung her ein idealer Quijote und setzte sein zum Charaktertenor tendierendes Material geschickt ein. Mit interessant gefärbtem Bariton gab Salvatore Grigoli einen umtriebigen, um den Don immer besorgten Sancho. In den Rollen dreier Zofen (hier: Krankenschwestern) waren Rosa García Dominguez (Spanien) und die Italienerinnen Alessandra Torrani und Cristina Fanelli zu hören, wobei vor allem García Dominguez mit beherzter Koloraturgeläufigkeit auffiel.
Großer Jubel von Seiten eines begeisterten Publikums.
Am Nachmittag war im prachtvollen barocken Dom von Martina Franca ein Mozart-Requiem zu hören gewesen, das ohne vorherige Planung spontan zur Erinnerung an die 27 Opfer der kurz zuvor stattgefundenen Zugkatastrophe in Apulien gespielt wurde. Der unermüdliche Fabio Luisi dirigierte auch hier Mitglieder des Orchestra Internazionale d’Italia mit den Solisten Shaked Bar, Benedetta Mazzucato, Pablo Rossi Rodino und Daniele Antonangeli. Der Anlass verbietet, über die künstlerischen Leistungen ins Detail zu gehen. Es sei nur noch auf die beeindruckende Leistung des Klausenburger Chors hingewiesen, der sein Teil zur erschütternden Wirkung dieser Wiedergabe beitrug.
Eva Pleus 14.8.16
Bilder: P. Consegna / Festival della Valle d’Itria