Gastspiel des des Theaters Ulm am 18.02.2014 (Premiere 07.11.13)
Ein Märchen für alle Sinne, in Fürth gab es keine gespaltene Meinung
Mein Kollege Ludwig Steinbach war in der Premiere von „Hänsel und Gretel“ in Ulm und hatte als Fazit in seiner Rezension angemerkt, dass es eine gelungene Oper für die ganze Familie gewesen und ein Besuch dieser Aufführung aus diesem Grund durchaus zu empfehlen sei. Das Märchen – auch für Kinder – aus Ulm machte nun Station in Fürth und ich war sehr gespannt, wie das Publikum im fränkischen Fürth reagiert. Auf der einen Seite war die Gesangsbesetzung eine teilweise total andere als in Ulm, zum anderen reizte es mich zu sehen und zu hören, ob die teilweise konträren Kritiken der Aufführung in Ulm zutreffen würden. Und zum anderen freue ich mich natürlich immer wieder, wenn ich das wunderschöne Fürther Theater besuchen darf.
Im Gegensatz zur Premiere in Ulm waren in Fürth relativ viele Kinder ins ausverkaufte Haus mitgekommen und auch ihnen hat es sehr gut gefallen. Man konnte dies in den Pausengesprächen und an den aufgeregten roten Bäckchen ablesen. Für einige – noch sehr kleine Kinder – war natürlich die „Hexenverbrennung“ ein bisschen problematisch und man kann nur hoffen, dass die Eltern sich mit ihren Sprösslingen nach der Aufführung ausführlich darüber unterhalten und auseinandergesetzt haben. Das Bühnenbild von Mona Hapke verstand es vorzüglich neuzeitliches mit märchenhaftem traditionellem zu verbinden um damit eine gelungene Synopse beider zu erhalten. Gelungen auch die Inszenierung von Benjamin Künzel, der versuchte fast jeden Bereich zu bedienen und so auf den Publikumsgeschmack in all seinen Facetten einging, dort natürlich nur, wo es möglich war.
Einen umfassenden und äußerst zutreffenden Abriss zur Handlung und den auch sozialkritischen Aspekten hat mein Kollege Steinbach ausgezeichnet bei seinem Premierenbericht gegeben. Dies zu wiederholen wäre unsinnig, sein Bericht ist unter Ulm abzurufen und auf jeden Fall sehr empfehlenswert. Ich möchte auf jeden Fall vor allem auf die musikalische Seite der Märchenoper eingehen, da sie sich ja, wie ich bereits erwähnte, von der Premierenbesetzung zum Teil erheblich unterschied.
Das Philharmonische Orchester der Stadt Ulm ist an diesem Tag hervorragend aufgelegt und wird von Daniel Montané, der für das Theater Ulm ein wahrhafter Glücksfall zu sein scheint, mit leidenschaftlichem Atem geleitet. Er bringt die wunderschöne Musik Humperdincks zum Erblühen, romantisch, weich, zart, trotzdem auch straff und lodernd, wo es erforderlich ist. Die Musik ist auch das große Plus der gesamten Märchenoper mit warmen, an die Herzen gehenden einschmeichelnden Melodien, die jedoch, wenn es nötig wird auch großer sinfonischer Klangesfülle werden können. In einem Märchen wird auch gezaubert, diese Musik verzaubert in jedem Fall. Erwähnt sei auch der von Hendrik Haas eindrucksvoll einstudierte Opernchor des Stadttheaters Ulm, der seine Sache ausgezeichnet machte. Bei den Sängern, denen man praktisch allen die Freude ansah, in einer einmal etwas anderen Oper aufzutreten, gab es praktisch keinen einzigen Ausfall. Von der Premierenbesetzung blieb einmal Hans-Günther Dotzauer als Hexe. Er hatte das Publikum auf seiner Seite und bot einen schauspielerisch sicherlich über dem Durchschnitt liegenden Part. Fast eine Stunde muss der Arme vor der Aufführung in die Maske und über eine halbe Stunde dauert das Abschminken. Doch jede Minute lohnt den Aufwand, so grausig, verschlagen sieht man selten so eine Hexe. Stimmlich fehlen ihm mitunter die leidenschaftlichen Ausbrüche, dennoch kann er mit seinem ansprechenden Tenor auch hier überzeugen. Genauso überzeugen wie Maria Rosendorfsky als müllmannspielendes Sand- und Taumännchen. Über die Kostümierung kann man sicherlich lange streiten und diskutieren, über ihren sauberen, hellen und zarten, aber dennoch durchdringenden Sopran gibt es jedoch keine Einschränkungen anzubringen, hier kann sie voll überzeugen. Der Besenbinder war auch in Fürth Tomasz Kaluzny, der mit durchschlagskräftigem, stimmschönem Bariton aufhorchen ließ und in Eleonora Halbert eine adäquate Partnerin hatte. Die beiden Rollen sind ja nicht sehr groß, müssen aber auch entsprechend angelegt sein und dies waren sie an diesem Abend. Katarzyna Jagiello konnte als liebreizende Gretel voll überzeugen. Ihr leuchtender, frischer, jugendlicher erblühender Sopran passte hervorragend in die Rolle und auch an der schauspielerischen Gestaltung gab es nichts auszusetzen. Zu Recht wurde sie mit viel Applaus bedacht. Ein ebensolcher Applaus für ihren Hänsel, der von Frauke Willimczik (die in der Premiere die Mutter sang) rollendeckend verkörpert wurde. Ihr kräftiger Mezzo verband sich in idealer Weise mit dem Sopran ihrer Gretel. Beide boten auch eine überaus sympathische Verkörperung ihrer Rollen.
Die Aufführung in Fürth hat beeindruckt, die Musik Humperdincks tut es ohnehin. Ich habe kaum eine kritische Stimme beim Nachhausgehen gehört. Eine Oper der etwas anderen Art, die man ab und zu mit immer größerer Lust wieder hört und sieht. Der Abend war gelungen, das Publikum war zufrieden – und das ist schon mehr als man heutzutage über manche Opernaufführung sagen kann.
Manfred Drescher, 16.03.2014
Fotos 1 und 2 = Martin Kaufhold, 3 = Eigenaufnahme