Frankfurt: Bamberger Symphoniker

Mitsuko Uchida (Klavier), Jakub Hrůša (Leitung)

Bernd Richard Deutsch
Phantasma

(Auftragskomposition der Bamberger Symphoniker mit dem Cleveland Orchestra, Royal Concertgebouw Orchestra, Royal Liverpool Philharmonic Orchestra)

Richard Strauss
Also sprach Zarathustra. Sinfonische Dichtung op. 30

Ludwig van Beethoven
Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur op. 73

Klangkosmos

Gustav Klimt und seine ornamentale Malerei hat es ihm angetan: dem deutschen Komponisten Bernd Richard Deutsch. Sein vor wenigen Tagen uraufgeführtes Orchesterwerk „Phantasma“ verarbeitet seine Eindrücke in der Betrachtung der Gemälde von Gustav Klimt. Konkret angeregt ist Phantasma durch Klimts 1901 vollendeten Beethovenfries im Gebäude der Wiener Secession. Und somit ist die programmatische Brücke zu Beethovens Klavierkonzert Nr. 5 gar nicht so weit.

Doch zunächst zu dem viertelstündigen Orchesterwerk von Deutsch. Eine farbige, verspielte Bildwelt in Tönen begegnet dem Zuhörer. Die Komposition beginnt und endet mit einemakustischen Anklopfer auf den kleinen Schlaghölzern, den Claves. Hier hat Deutsch eine Eigenart von Klimt aufgegriffen, der Besucher in seinem Atelier nur dann empfing, wenn diese in einem bestimmten Rhythmus anklopften.

Deutsch unterteilte „Phantasma“ in sechs programmatische Teile. Zu erleben war eine rasante Fahrt durch den gesamten Orchesterapparat in teilweise zugespitzte Tempi. Doch auch Ruhepunkte setzte Deutsch als Kontrastmittel ein. Die Musik wirkte erzählerisch, abwechslungsreich und verwendete eine großes Schlagzeuginstrumentarium, welches nicht lärmte, sondern vor allem dem Collagencharakter Rechnung trug. Der große Streicherapparat durfte sogar angedeutete Kantilenen entwickeln, freilich es bleibt eine etwas sperrig, atonale Komposition, die Orchester und Publikum intensiv forderte.

Die Bamberger Symphoniker spielten mit großer Virtuosität und hohem Ernst, als wäre es ein Repertoirestück. Chefdirigent Jakub Hrůša wirkte sehr klar und völlig souverän im Umgang mit den gewaltigen Anforderungen. Kaum zu glauben, dass die Uraufführung erst wenige Tage zurück lag, so selbstsicher und beheimatet wirkten die Ausführenden. Kurzer anerkennender Applaus, den auch der anwesende Komponist entgegennehmen durfte.

Es war der 26. November 1896 in Frankfurt, da erklang der berühmteste Sonnenaufgang der Musikgeschichte zum ersten Mal: „Also sprach Zarathustra“ von Richard Strauss.

Der Komponist formulierte ein Programm für sein Orchesterwerk, gegliedert in acht Teile. Aus der Nacht entwickelte Strauss seinen „Hymnus an die Sonne“, beginnend in dem schweren Tremolo der Kontrabässe und der großen Trommel. Das markante Trompetenmotiv weckt das volle Orchester zur gewaltigen Kraftentfaltung ins blendende C-Dur mit zusätzlichem Orgelgetöse. Was für ein Beginn!

Es folgt ein Wechselspiel zwischen Mensch und Natur. Strauss, ganz Virtuose seiner Zunft, zieht alle Register, von der Fuge „Von der Wissenschaft“ bis hin zum prägnant vorgetragenen „Nachtwandlerlied“. Was bleibt? Nach allem orchestralen Furor endet die Komposition mit vielen Fragezeichen. Helle und dunkle Akkorde ergeben ein faszinierendes, offenes Ende. Mensch und Natur. Kampf und permanentes Ringen. Ein ewiger Kreislauf, ohne Gewinner.

Die Bamberger Symphoniker sind mit dem Repertoire von Richard Strauss hörbar bestens vertraut und somit in der Lage, eindrucksvoll ihre hohe Qualität zu demonstrieren. In Frankfurt konnten sich die Zuhörer über einen satten und doch durchsichtigen Streicherklang freuen. Dieser wurde angeführt von dem Goldton der Celligruppe und dem herrlich charakteristisch vorgetragenen Violin-Solo des Konzertmeisters Illian Garnetz, das wunderbar abgestuft zwischen Schmäh und Zwiespalt zu differenzieren wusste. Fast konnte man dabei an die kapriziöse Komponisten Gattin Pauline denken. Mächtig konnten die Symphoniker aufspielen und dabei immer wieder auch durch die kammermusikalische Klasse in allen Spielgruppen bestechen. Exponierte Soli gelangen mustergültig und waren zugleich in den sonoren Orchesterklang eingebettet. Die Bamberger Symphoniker, in bestechender Form aufspielend, zeigten zweierlei. Zum einen, dass Sie derzeit höchstes Niveau präsentieren, in unverwechselbarer Klanggebung. Und auf der anderen Seite steht die perfekte Symbiose zwischen Dirigent und Orchester.

Chefdirigent Jakub Hrůša, dessen Vertrag bis 2026 verlängert wurde, zeigte einmal mehr seine herausragende Kompetenz als Dirigent. Mit klarer Zeichengebung und mustergültigem Timing beschwor er alle Farben aus der Partitur heraus. Seine nie endende Energie, seine hoch wache Aufmerksamkeit und die tiefe Verbundenheit mit den Erfordernissen der Partitur sind beispielhaft und ergaben ein tief bewegendes Hörerlebnis! Es ist anrührend, zu sehen und zu erleben, wie gut das Miteinander zwischen Dirigenten und Orchester dabei harmonierte. Eine perfekte Basis für eine gelingende Aufführung dieses rätselhaften Werkes. Große Begeisterung bei den Konzertbesuchern!

Es ist das letzte Klavierkonzert, das Ludwig van Beethoven niederschrieb und 1811 uraufgeführt wurde. Warum es zuweilen den Beinamen „Kaiserkonzert“ trägt, ist ein immer noch spannendes Rätsel der Musikgeschichte. Welcher Kaiser ist gemeint?

Der heroische Tonfall im Orchester gibt diesem Konzert seine besondere Wirkung. Beethoven hatte minutiöse Anweisungen für den Klavier-Solisten formuliert. Orchester und Klavier sind gleich berechtigt. Beethoven spielt mit der Formgebung virtuos und sorgt für manche Überraschung, wie z.B. im Schlussrondo, in welchem es zu einem Duett zwischen Klavier und Pauke kommt.

Mitsuko Uchida und Ludwig van Beethoven sind eine ewige Erfolgskombination.
Ihre Interpretation ist davon gekennzeichnet, alle Aspekte der Komposition zu sichten und auszuschöpfen. Lyrische Passagen wurden wunderbar sensibel vorgetragen und doch fehlte auch nicht der kräftige Zugriff, den dieses Konzert ebenso verlangt.

Natürlich ist Uchidas Meisterschaft in jeglicher Hinsicht ein besonderes Hörerlebnis. Es ist vor allem ihre tief berührende Empfindsamkeit, ihr hoch sensibler Anschlag und das genaue Erfühlen der Kantabilität in der Melodieführung, die den zweiten Adagio Satz zum musikalischen Höhepunkt werden ließ. Weder zu langsam oder zu schnell. Der Dialog zwischen dem hingebungsvollen Orchester und Uchida verschmolz zu einer besonderen Einheit, die das Auditorium in der Alten Oper in eine andere, bessere Welt führte. Kaum zu fassen, mit welcher Intensität Uchida die Bandbreite der leisen Töne, feinstabgetupft durchschritt. Der Flügel wirkte zuweilen wie von Zauberhand leicht gestreichelt und der Rest waren zauberisch anmutende Klänge. Ein Geschenk an die Zuhörer und eine außergewöhnliche Begabung, wie sie nur wenigen beschieden ist. Den Übergang in den stürmischen Schlusssatz trug Uchida mit extremer Langsamkeit vor, was die Spannung immens erhöhte. Überschäumend und voller mitreißendem Elan wurde das Rondo als finales Freudenfestgefeiert.

Jakub Hrůša und die Bamberger Symphoniker entfalteten Klangpracht und empathische Spielfreude, die diesem Abend ein glorioses Ausrufezeichen der Zuversicht gab. Scharfe Akzente und rhythmische Pointierungen verschmolzen mit Uchida zu einer Einheit, so dass das Werk wie eine „Klaviersinfonie“ wirkte. Eine beglückende Einheit!

„DANKE“ war die erste, lautstarke Reaktion aus dem Publikum am Ende des Vortrags und dann feierte das begeisterte Publikum die wunderbaren Künstler mit langer Ausdauer.

Noch einmal verzauberte Mitsuko Uchida mit einer Zugabe, die in ihrer Natürlichkeit, reinste Poesie in Klang wurde: Mozarts Andante Cantabile aus dessen Klaviersonate Nr. 10.

Das Publikum reagierte mit Rührung und riesiger Begeisterung.

Dirk Schauß, 10. Oktober 2022