Piacenza: „I due Foscari“, Giuseppe Verdi

Zu einem veritablen Triumph wurde die letzte Produktion vor der Sommerpause in dem schönen Opernhaus der Stadt, die in der Emilia-Romagna knapp an der Grenze zur Lombardei liegt.

Giuseppe Verdis sechste Oper wurde 1844 in Rom uraufgeführt und fristete jahrzehntelang ein stiefmütterliches Dasein, bis sie von einigen der „großen alten“ Baritone wie Leo Nucci oder Renato Bruson für sich entdeckt wurde, wonach dann auch der selbsternannte Bariton Placido Domingo nicht fehlen durfte. Nach und nach gesellte sich die jüngere Generation dazu, etwa Claudio Sgura oder Luca Salsi, der den alten Dogen Francesco Foscari im Repertoire hat, seit er die Rolle 2011 in Triest zum ersten Mal verkörperte.

© Gianni Cravedi

Dass die Oper relativ selten gegeben wird, hat zwei Gründe. Der eine ist das (auf einem Werk Lord Byrons beruhende) Libretto von Francesco Maria Piave, das keine echten szenischen Höhepunkte bietet, denn die drei Hauptfiguren jammern ständig über ihr Schicksal, ohne dass etwas geschieht. Der Doge Francesco vermag seinem vom Erzfeind der Foscaris, Jacopo Loredano (Bass), des Mordes angeklagten (und natürlich unschuldigen) Sohn Jacopo (Tenor) nicht zu retten. Jacopo seinerseits klagt im Gefängnis, und seine Frau Lucrezia Contarini (Sopran) ringt vergeblich um die Freilassung ihres Gatten. Der zweite Grund liegt in den enormen stimmlichen Ansprüchen, die der junge Verdi an Tenor und Sopran stellt. Man darf die Rolle der Lucrezia Contarini getrost mit dem vergleichen, was der Komponist der Abigaille abverlangt, wobei die Contarini noch viel mehr zu singen hat. Auch der Tenor muss immer wieder in höchsten Höhen explodieren und hat eine schwierige Arie nach der anderen. Die beiden müssen sich, ganz Verdis Jugendstil verpflichtet, die Seele aus dem Leib singen, aber die Schlussszene gehört dem Bariton und weist Verdi als den ganz Großen aus, der er in der Operngeschichte werden sollte.

Die Inszenierung entstand 2008 für Bilbao, kam dann nach Parma und Modena sowie, wie erwähnt, nach Triest. Das Bühnenbild (William Orlandi, auch für die treffenden historisch inspirierten Kostüme verantwortlich) war für breiträumigere Bühnen als die in Piacenza vorhandene entworfen worden und stellte die Technik des Hauses vor große Probleme, die aber, auch mit Hilfe der Beleuchtung von Valerio Alfieri, geschickt gelöst wurden, sodass man die zwei notwendigen relativ langen Pausen gerne in Kauf nahm. Regisseur Joseph Franconi Lee führte Sänger und den hervorragenden Chor des Hauses (Einstudierung: Corrado Casati) in positivem Sinne konservativ, auch weil die drei temperamentvollen Protagonisten fähig waren, trotz der Statik der Handlung die Spannung zu erhalten.

Allerdings konnten sie zu deren Erhalt auch auf einen musikalischen Teppich zählen, der zum Feinsten gehörte, was man in den letzten Jahren in Italien zu hören bekam. Unter der Leitung von Matteo Beltrami wuchs das an sich schon sehr solide Orchestra dell’Emilia-Romagna Arturo Toscanini über sich hinaus. Beltrami hat (nicht nur) Verdi im Blut, dessen wiederholt noch an Donizetti erinnernden Rhythmen er unglaubliches Feuer verlieh, ohne jemals die Sänger aus den Augen zu verlieren, sondern sie in ihren schwierigen Aufgaben in jeder Sekunde unterstützend. Damit war die bereits erwähnte Spannung ständig auf dem Siedepunkt. Für die Rolle der Lucrezia Contarini war Marina Rebeka verpflichtet worden, die aber leider seit der dritten Vorstellung von „Médée“ an der Scala im Jänner dieses Jahres alle Verpflichtungen absagen musste.

© Gianni Cravedi

Die an ihrer Stelle auftretende Marigona Qerkezi, eine Kroatin mit kosovarischen Wurzeln, war nichts weniger als eine Entdeckung, denn nicht nur beherrschte sie alle zuvor erwähnten Schwierigkeiten ihrer Rolle souverän, sondern erfüllte jede Note mit pulsierendem Leben und war auch szenisch sehr aktiv. Luciano Ganci war ein hinreißender Jacopo Foscari, der alle Höhenflüge seiner Rolle auf eine Art und Weise bewältigte, dass man als Publikum nur staunen konnte. Sein explosiver Tenor ist auch hinsichtlich des jugendlichen, für das Fach idealen authentischen Timbres ein Ereignis. Dazu kam Luca Salsi, dessen stimmliche Fähigkeiten ja bekannt sind, der im erwähnten Schlussbild des Dogen, der nicht nur den Sohn verliert, sondern auch in seiner Funktion abgesetzt wird, die herzergreifende Figur eines gebrochenen Mannes zeichnete, die direkt ans Herz rührte. Somit drei Protagonisten, wie man sie sich besser nicht vorstellen kann. Die undankbare, weil kaum umrissene Figur des Loredano gab Antonio di Matteo mit Nachdruck, unter den soliden Interpreten der Kleinstrollen Ilaria Alida Quilico, Manuel Pierattelli und Eugenio Maria Degiacomi stach Marcello Nardis mit penetranten Tönen negativ hervor. Der langanhaltende Jubel des Publikums erreichte Lautstärken, die man sonst nur aus Stadien kennt.

Eva Pleus, 11. Mai 2024


I due Foscari
Giuseppe Verdi

Teatro Municipale Piacenza

3. Mai 2024

Inszenierung: Joseph Franconi Lee
Musikalische Leitung: Matteo Beltrami
Orchestra dell’Emilia-Romagna Arturo Toscanini