Knapp drei Monate nach der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf präsentiert auch die Kölner Oper Verdis frühes Freiheitsdrama „Nabucco“ in einer Inszenierung, die auf zeitlich einschränkende Aktualisierungen und szenische Mätzchen weitgehend verzichtet. Dabei hält sich Ben Baur in Köln noch stärker zurück, dessen Deutung vor allem durch ihre Unauffälligkeit auffällt. Optisch ist alles in einem tristen Kellergewölbe ohne farbliche Kontraste angesiedelt, ergänzt durch die ebenfalls in Alltags-Grau gehaltenen Kostüme von Julia Katharina Berndt. In dem Einheits-Grau gehen die Kontraste zwischen den „politisch“ gefärbten Massenszenen der unterdrückten Israeliten und den „privaten“, interfamilären Dramen zwischen Vater Nabucco und seiner rachsüchtigen Tochter Abigaille weitgehend verloren. Da differenzierte Ilaria Lanzino in Düsseldorf doch eine Spur feiner. Und auch die Brutalität der assyrischen Angriffe hat die Regisseurin durch eingeblendete Video-Sequenzen zerstörerischer Bombardements plastischer verdeutlichen können als Ben Baur mit einigen zarthaft angedeuteten Assoziationen an KZ- und Guantánamo-Gräuel. Wobei der Chor seine Verzweiflung mit arg theatralischen Gesten recht antiquiert ausdrücken muss, wie die Personenführung insgesamt recht brav und teilweise steif angelegt ist. Nennenswerte Eingriffe betreffen lediglich das Finale, dem gleich die gesamte Sippe Nabuccos zum Opfer fällt.
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Für die rundum anspruchsvollen Solopartien hält die Kölner zwei mit zahlreichen Gästen bestückte Besetzungen bereit. Die alternative „Zweitbesetzung“ in der ersten Reprise singt und agiert auf uneinheitlichem Niveau. Etwas schwerfällig, wenn auch mit angemessener stimmlicher Durchschlagskraft, gestaltet Stefano Meo die Titelrolle. Den vokalen Tücken der mörderischen Partie der Abigaille zeigt sich Trine Møller vollauf gewachsen, auch wenn sie ein leichtendes Tremolo nicht unterdrücken kann. Wie schon in der Premiere wartet Aya Wakizono als sanfte Tochter Fenena mit balsamischem Wohllaut und der an diesem Abend homogensten Leistung auf, während Vasyl Solodkyy als Ismaele mit seiner begrenzten tenoralen Brillanz und Simón Orfila als Zaccaria mit seinem nicht in jeder Lage ausgeglichenen Bass nur bedingt punkten können.
Die eigentliche Hauptrolle kommt ohnehin dem vielbeschäftigten Chor zu, der seine Aufgabe wirkungsvoll und sicher ausführt. Maestro Sesto Quatrini hat es angesichts der riesigen Dimension der Spielfläche nicht leicht, das weit in die Breite gedehnte Gürzenich Orchester präzis zusammenhalten zu können. Das gelingt ihm nahezu pannenfrei wie auch die Musiker, die Probleme der Spielstätte gewohnt, routiniert reagieren und für wirkungsvolle dramatische Schlagkraft und lyrische Feinheiten sorgen.
Insgesamt eine gediegene Produktion mit einigen vokalen Meriten in einem etwas monotonen szenischen Umfeld. Viele Schönheiten der melodiegesättigten Partitur kommen auf jeden Fall auf ihre Kosten.
Pedro Obiera, 7. Dezember 2024
Nabucco
Giuseppe Verdi
Oper Köln
Besuchte Vorstellung: 5. Dezember 2024
Premiere: 1. Dezember 2024
Regie: Ben Baur
Musikalische Leitung: Sesto Quadrini
Gürzenich Orchester
Die nächsten Aufführungen im Deutzer Staatenhaus: am 7., 11., 13., 18., 21., 23., 26., 28. und 30 Dezember. (Infos und Karten: www.oper.koeln.de).