Menschlichkeit in ihrer schlichten Einfachheit
Christof Loy, deutscher Regisseur der Neuinszenierung der Oper „Eugen Onegin“ von Pjotr Iljitsch Tschaikowsky am Teatro Real in Madrid, zeigt seine Handschrift. Schon beim Öffnen des Vorhangs ist es wieder da, das weiß betonte Bühnenbild, in dem Akteure und Sänger sich ihrer Nacktheit der fokussierten Darstellung des Charakters stellen müssen. An diesem Schauplatz lässt Loy den emotionalen Interaktionen zwischen den Rollen ihren Lauf. Besonders zu Beginn des zweiten Akts möchte er die erschütternde Erkenntnis Onegins hervorheben. Onegin, der nun feststellt, dass er mit den Konsequenzen seines bisherigen Lebensstils leben muss, wird von den Bildern seines Gewissens gejagt. Der Schatten des im Duell verstorbenen Lensky verfolgt Onegin bis zur Verzweiflung. Diese Verfolgung inszenierte Loy choreografisch. Statisten und der wieder lebendig gewordene Lensky tanzen um Onegin herum und symbolisieren seine Albträume. Loys Intention war vor allem, in Onegin eine reale Person zu schaffen, die mit all ihren verschiedenen Dimensionen der Persönlichkeit Schmerzen und Konsequenzen des Gewissens erlebt.
Und so blieb er sich auch in seiner „Onegin“-Inszenierung treu. Besonders detailreich und kunstvoll wurde die Choreografie von Andreas Heise erarbeitet. Mit viel Dynamik und aussagekräftigen Bewegungen gibt er dem Tanz eine wichtige Rolle in der Oper. Die Ausstattung wurde von Herbert Murauer in schlichtem Schwarz, Pastelltönen und Weiß gehalten. Das Licht von Olaf Winter fiel dabei etwas ab.
Das Sängerensemble glänzte mit zwei Stars. Besonders hervorzuheben ist dabei der bekannte ukrainische Tenor Bogdan Volkov mit seinem wohlklingenden Tenor, der den melancholischen Liebhaber Lensky verkörperte. Volkov war wohl der einzige an diesem Abend, der das Publikum mit seiner berühmten „Kuda, Kuda“- Arie zu Tränen rührte, besonders mit dem technisch sicher geführten pp in der Reprise der Arie.
Kristina Mkhitaryan stellte mit ihrem gut geführten lyrischen Sopran eine perfekte Tatiana dar. Bereits zu ihrer Briefarie hatte sie die Sympathie des Publikums gewonnen. Im Finale glänzte sie mit stimmlicher Stärke und guter Höhe. Etwas schwach dagegen war Iurii Samoilov als Eugen Onegin. Darstellerisch zeigte er dem Publikum einen facettenreichen, jungen Charakter der Titelrolle, aber stimmlich mangelte es doch etwas an Wärme und Klang.
Die Schwester Larina wurde von Katarina Dalayman, einer früher mal international unterwegs gewesenen Brünnhilde, mit einem schönen Mezzo gegeben. Die Mutter Olga wurde von Victoria Karkacheva und die Haushälterin Filipievna von Elena Zilio gesungen. Frederic Jost gab den Capitan mit einem schönen Bariton, Joan Sancho den Triquet, Maxim Kuzmin-Karavaev den Gemahlen Príncipe Gremin/Zaretski mit wohlklingender Stimme und David Romero die Rolle des Capataz.
Insgesamt erarbeitete Loy mit dem Sängerensemble eine Ästhetik der Schlichtheit der Gefühle der Rollen heraus, wodurch sich eine gut abgestimmte Dramaturgie entwickelte.
Gustavo Gimeno stand am Pult des Orquesta Titular del Teatro Real. Gimeno, der nächste Spielzeit neuer GMD des Teatro Real werden wird, erschuf eine Balance im Klang mit Orchester und Sängern. Er erarbeitete rhythmische und musikalische Strukturen aus dem Orchester, welches mit Leidenschaft und Hingabe die gefühlsbetonte Musik Tschaikowskys spielte.
Der Opernchor des Teatro Real, unter der Leitung von Jose Luis Basso, glänzte mit spielfreudigen und klanglichen Einsätzen. Loy inszenierte den Chor zu einer tragenden Rolle im Ablauf der Handlung der Oper, indem er ihm starke szenische Präsenz auf der Bühne einräumte. Somit ist diese gelungene Inszenierung eine Reise nach Madrid wert.
Julia Binek, 29. Januar 2025
Eugen Onegin
Pjotr Iljitsch Tschaikowsky
Teatro Real, Madrid
Besuchte Aufführung am 22. Januar 2025
Premiere am 22. Januar 2025
Inszenierung: Christof Loy
Musikalische Leitung: Gustavo Gimeno
Orquesta Titular del Teatro Real