Populärer Walter Braunfels
Seit einigen Jahren erfährt das Werk des in den 1920er Jahren in Deutschland neben Richard Strauss äußerst begehrten Komponisten Walter Braunfels eine Renaissance, und es ist auch höchste Zeit. Immerhin haben die Salzburger Festspiele schon eine seiner Opern konzertant gebracht, und sein wohl populärstes Werk, „Die Vögel“ von 1920, nach einer Komödie von Artistophanes 414 v. Chr. wird von großen und mittleren Bühnen in Deutschland, Österreich und der Schweiz nun immer mehr gespielt.
Große Häuser wie die Bayerische Staatsoper München zum 100. Jahresjubiläum 2020, die Oper Köln, das Opéra national du Rhin in Strasbourg, die Tiroler Festspiele Erl, aber auch kleinere Häuser wie Osnabrück, nun Oldenburg und bald Braunschweig haben sich den „Vögeln“ von Walter Braunfels in den letzten Jahren gewidmet, in zum Teil beachtlichen Produktionen. Schon vor über 20 Jahren brachte die Volksoper Wien eine damals sehr beachtete Inszenierung heraus, als das Stück noch nicht so bekannt war.
Am Oldenburgischen Staatstheater, das erst vor zwei Jahren mit einer ansehnlichen und intelligenten Inszenierung des „Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner auf sich aufmerksam machte und damit viel internationales Publikum anzog, betraute man den Regisseur Holger Potocki mit der Regie der „Vögel“. Zwar geht das Stück auf eine griechische Komödie zurück, Potocki sieht aber zutreffend in den „Vögeln“ die Vereinigung einer Komödie mit einer Tragödie.
Und tatsächlich lässt das Werk, das Walter Braunfels gleich nach und unter traumatischen Eindrücken des I. Weltkriegs herausbrachte, die tiefen Schmerzen der Nachtigall erkennen, die diese mit ihrem herrlichen und melancholischen Klagegesang charakterisiert. Es ist der zuriefst tragische Gesang der Mutter des Ithys aus der griechischen Mythologie über den von ihr aus Rache an ihrem Mann, dem Vater des Ithys, selbst getöteten Sohn. Daraufhin wurde sie von Zeus in eine Nachtigall verwandelt. Aufgrund dieses Hintergrunds stellt der Regisseur die Nachtigall in seiner Inszenierung auch nicht als Vogel, sondern als eine Frau dar.
Er erleichtert damit auch den dramaturgischen Effekt, dass Hoffegut sich von ihrem Gesang betören lässt und in ihm eine Sehnsucht nach Freiheit und Liebe entsteht. Das sind sie schönsten Momente der Oper zu Beginn und im weiteren Verlauf des 2. Akts, die hier mit dem kraftvoll singenden koreanischen Tenor Jason Kim und der über herrliche Koloraturen verfügenden Nachtigall von Penelope Kendros bezaubern. Es kommt zu intensiver darstellerischer Aktion und auch viel Emotion, sodass hier die Inszenierung ihre Höhepunkte hat – in einem relativ schlichten Bühnenbild von Lena Brexendorff, die auch für die Kostüme verantwortlich zeichnet. Bei diesen wird bisweilen zu sehr auf Vogel-Ästhetik abgestellt, sodass besonders der 1. Akt, auch wegen einer relativ begrenzten Personenregie, etwas im Sande verläuft. Man hat manchmal den Eindruck eines Wimmelbildes. Hier zeigt aber Aksel Daveyan seine vokalen Qualitäten als Wiedehopf, und es brilliert Brianna Meese als Zaunschlüpfer-Gast mit einem sehr schönen Sopran.
Die andere Seite der Medaille findet durch Ratefreund statt, der mit diktatorischen und populistischen Mitteln intensiv versucht, die Vögel zum Aufbegehren gegen Zeus zu bewegen, was ihm bekanntlich auch gelingt. Arthur Bruce kann dem Ratefreund nicht die ganze negative Autorität geben, die man in der Regel bei dieser unguten Figur erlebt. Interessant ist allerdings, dass Potocki Ratefreund und Hoffegut zu Beginn gemeinsam in einem Bett zeigt, bevor sie sich zu den Vögeln aufmachen. Sie sind also gewissermaßen eine Figur mit zwei Seiten, ähnlich wie Wotan und Alberich im „Ring“ als Weiß- und Schwarzalbe fungieren.
Als Prometheus, Juhyeon Kim als Gast, stimmlich wirkungsvoll auf die Szene kommt und dem aufbegehrlichen Treiben der Vögel ein jähes Ende setzt, bricht die schlichte Vogelburg brennend ganz imposant auseinander. Herrlich dann der Choral der Lobpreisung des Zeus (Seungweon Lee). Der Opern- und Extrachor des Oldenburgischen Staatstheaters wurde bestens von Thomas Bönisch und Paul Plummer einstudiert. Arne Waldl steuerte die im allgemeinen gute Lichtregie bei, und Robert Emil Tappe sowie Joachim Köster waren für einige Videos zuständig.
Hendrik Vestmann sorgte am Pult des Oldenburgischen Staatsorchesters für die passende musikalische Interpretation des abwechslungsreichen Geschehens auf der Bühne. Das Orchester war offenbar bestens einstudiert auf diese ja nicht ganz leichte Partitur, zudem wohl kaum zuvor gespielt. So war es alles in allem ein guter Beitrag zur weiteren Renaissance des so vielfältigen Werkes von Walter Braunfels. Sein Enkel, der international bekannte Architekt (Pinakothek der Moderne in München und Bundestagsabgeordnetenhaus in Berlin, allabendlich in Nachrichten aus Berlin zu sehen) und Förderer des Werkes seines Großvaters, Prof. Stephan Braunfels, gab auf Einladung des Intendanten bei der Premierenfeier in der Theaterbar noch einige interessante Kommentare und Anekdoten aus seiner Familie um Walter Braunfels zum Besten.
Klaus Billand, 2. Februar 2025
Walter Braunfels: Die Vögel
Staatstheater Oldenburg
Besuchte Aufführung am 25. Januar 2025
Premiere am 25. Januar 2025
Inszenierung: Holger Potocki
Musikalische Leitung: Hendrik Vestmann
Oldenburgisches Staatsorchester