Oldenburg: „Die Vögel“, Walter Braunfels

Von den Opern des Komponisten Walter Braunfels (1882 – 1954) waren die 1920 unter der Leitung von Bruno Walter in München uraufgeführten Vögel am erfolgreichsten. Über fünfzig Mal standen sie dort innerhalb von zwei Jahren auf dem Programm und wurden in rascher Folge in Berlin und Wien nachgespielt. Doch als die Nazis 1933 die Werke von Braunfels verboten, war dies zunächst der Todesstoß für sein künstlerisches Werk. Aber 1971 kam die Oper in Karlsruhe, 1991 in Bremen und 1999 an der Volksoper Wien heraus. In jüngerer Zeit erscheint sie wieder häufiger auf den Spielplänen.

© Stephan Walzl

Dem Oldenburger Theater ist mit der Braunfels-Oper nun eine besonders anregende Premiere gelungen. Die Vögel ist ein musikalisch reichhaltiges und faszinierendes Werk, in seiner spätromantischen Diktion an Wagner und Berlioz, ein wenig auch an Mahler und Strauss anknüpfend, mit einer farbigen, effektvollen Orchestrierung und einer eigenständigen, kaum epigonal zu nennenden Tonsprache. Dirigent Hendrik Vestmann führte die Meriten dieser Musik mit dem klangvoll und konzentriert aufspielenden Oldenburgischen Staatsorchester nachdrücklich und überzeugend vor. Eine Rezension aus den zwanziger Jahren sprach von „symphonisch strömender Melodik von bestrickendem Wohllaut“ – und genau das wurde in der musikalischen Ausdeutung durch Hendrik Vestmann schon in dem bezaubernden Vorspiel nachvollziehbar.

Braunfels, der sein eigener Librettist war, hielt sich nur im ersten Teil an die Vorlage von Aristophanes, während er sich im Weiteren eher von Eichendorff inspiriert fühlte. In der Tat trägt die Geschichte von Ratefreund und Hoffegut, der eine ein zynischer Pragmatiker, der andere ein träumender Idealist, durchaus auch romantische Züge. Beide jagen einer Utopie nach – doch während Ratefreund, der die Vögel zum Bau einer Stadt zwischen Himmel und Erde überredet, nur nach eigener Macht strebt, die Vögel zum Krieg gegen Zeus anstachelt und am Schluss mit leeren Händen zur Tagesordnung zurückkehrt, zieht Hoffegut aus seiner (zwar auch gescheiterten) Liebesbegegnung mit der Nachtigall Sinn und Glück für sein weiteres Leben. Die Oper ist ein Lehrstück über die Verführbarkeit durch populistische Demagogie  und damit gerade wieder sehr aktuell. Aber es ist auch ein Stück über Phantasie und die Kraft der Hoffnung.

© Stephan Walzl

Regisseur Holger Potocki zeigt zu Beginn ein Video. Man erblickt den unzufriedenen Hoffegut in seinem Büro. Daheim träumt er dann von einer anderen Welt. Diese Welt der Vögel ist eine knallbunte, pittoreske Gesellschaft – man fühlt sich ein bisschen an friedliche, fröhliche Hippies erinnert. Ausstatterin Lena Brexendorff hat jeden Vogel phantasievoll durch einen individuellen Kopfputz charakterisiert. Nur die Nachtigall ist mehr Mensch als Vogel. Potocki zeigt zwar auch die Kriegstreiberei, aber der Fokus liegt doch eher auf dem romantischen Aspekt der Geschichte. Die Poesie zwischen Nachtigall und Hoffegut untermalt er mit wunderschönen Bildern und Lichtstimmungen. Eindrucksvoll wird auch der Untergang  der Vogelstadt gezeigt, die wie ein Kartenhaus zusammenfällt.

Jason Kim bewältigt die große, anspruchsvolle Partie des Hoffegut mit kraftvollem, gut fokussiertem Tenor bravourös. Die schwierige Koloraturpartie der Nachtigall wird von Penelope Kendros souverän gemeistert. Mühelos erklimmt sie die extremen Höhen. Eindringlich gestalten beide die zentrale Szene der Oper, das sehr lange Duett zu Beginn des 2. Aktes. Arthur Bruce kann den skrupellosen Demagogen Ratefreund treffend charakterisieren. Juhyeon Kim hat mit erzener, wuchtig geführter Stimme einen ungemein starken Auftritt als Prometheus. In weiteren Partien überzeugen u.a. Aksel Daveyan als Wiedehopf, Brianna Meese als Zaunschlüpfer und Seungweon Lee als Adler und Zeus. Ein Sonderlob gebührt den von Thomas Bönisch, Paul Plummer und Felix Schauren einstudierten Chören. Sie bilden das Herzstück der Aufführung und begeistern mit den machtvollen, gewaltigen Chortableaus, die sie inbrünstig und klangvoll realisieren.

Wolfgang Denker, 26. Januar 2025


Die Vögel
Oper von Walter Braunfels

Oldenburgisches Staatstheater

Premiere am 25. Januar 2025

Inszenierung: Holger Potocki
Musikalische Leitung: Hendrik Vestmann
Oldenburgisches Staatsorchester

Weitere Vorstellungen: 28. Januar, 2., 7. Februar, 2., 9. März, 14., 26. Juni 2025