Vorbemerkung: Die Turandot Aufführung so kurz nach Manon Lescaut am Opernhaus Zürich macht es mir schwierig, die an den Basler Theatern präsentierte Version einzuordnen.
Akt 1 fand ich in Regisseur Christoph Loys Sichtweise stimmig und psychologisch differenziert, wie von ihm gewohnt, sehr gut gearbeitet. Die Atmosphäre war dicht, der Stereo-Klang des exzellenten Chors, Star der Aufführung, umfing den Zuhörer, man war mittendrin.

Akt 2 war noch immer von gutem Niveau, allerdings, trotz „in questa reggia“ und der musikalisch packenden Rätselszene, hat sich mir der Sinn der nackten, oberen Ebene nicht erschlossen. Und das blieb so in Akt 3 und dem angehängten Akt 4 aus Manon Lescaut. Das ewige Aufstehen, sich dahinschleppen, wieder darnieder Sinken und sich an die Wand lehnen, war repetitiv langweilig, brachte null Gewinn.
Warum Akt 3 nicht mehr in China, sondern im Nirgendwo eines totalitären Regimes und in einer anderen Zeit spielt, bleibt das Geheimnis des Regisseurs. Da stimmte Einiges gar nicht mehr,
Beispiel: eine Sklavin Liu, unauffällig in ein Röcklein gekleidet, dass sie kaum sichtbar war (was im Gegensatz zu alten Kostümschinken Inszenierungen richtig ist), kommt unmöglich auch nur in die Nähe einer Kaiserin Turandot, die nun eher wie eine neureiche Russin In einem mondänen Winterkurort im Nerzmantel daherkam, und berührt sie sogar. Dass die Sängerin der Liu mit der Partie grenzenlos überfordert war, die erforderlichen Piano Höhen nur forciert im Forte erreichen konnte, null schwebender Silberklang, war der totale Crash der Aufführung. Zum abfallenden Niveau trug auch die „Nessun dorma“ Arie des Kalaf bei, mit kehliger Stimme dürftig vorgetragen.
Und dann der angehängte Akt 4 aus Manon Lescaut, dessen Dernière der Rezensent ganz kürzlich in Zürich erlebte und somit in frischer Erinnerung ist. Ich gebe offen zu, dass mich der Text des Duetts Manon-Des Grieux, dessen Textschnipsel variierend von Kalaf an die tote Liu, und/oder an Turandot, von Turandot an Kalaf oder die am Boden liegende Liu gerichtet, auf Grund der zeitlichen Nähe der beiden Aufführungen nicht überzeugt hat, ich Schwierigkeiten hatte, mich objektiv darauf einzulassen.
Ich räume ein, dass die Basler Version ein reizvoller, interessanter Versuch ist, den nach komponierten Alfano Schlüssen und dem Berio Schluss (allesamt nicht restlos befriedigend) reine Puccini-Musik als weiteren, möglichen Schluss vorzuschlagen.
Die Sängerin der Titelrolle Turandot hat die mörderische Partie mit hoher Tessitur fast ausnahmslos gesungen. Sie verdient Lob, war von den drei Hauptrollen allein adäquat besetzt.

Da diese alle doppelt besetzt waren und ich kein Programm mit Tagesbesetzung kaufen konnte, weiß ich nicht, wer gesungen hat, nenne ich keine Namen. Ich bitte um Verständnis.
Alle übrigen Sänger waren ordentlich bis gut besetzt, exzellent das Minister Trio Ping, Pang, Pong.
Fazit: Dass Teile des Publikums eine Standing Ovation erzwingen wollten, spricht nicht für die Qualität einer mittelprächtigen Produktion, die zwar interessant war, es jedoch nicht wert ist, hochgejubelt zu werden.
Alex Eisinger, 30. April 2025
Dank an unseren Kooperationspartner MERKER-online (Wien)
Turandot
Giacomo Puccini
Theater Basel
Aufführung vom 27. April 2025
Inszenierung Christoph Loy
Dirigat: José Miguel Pérez-Sierra
Sinfonieorchester Basel