Berlin: „Vorschau-Konzert“ an der Deutschen Oper

Vorschau auf die kommende Saison

© Marcus Lieberenz

Vergleicht der Freund der Deutschen Oper Berlin die Spielzeitvorschau für die Saison 2024/25 mit der neuesten, der für 2025/26, dann fällt zunächst einmal auf, das die ältere in fröhlichen Farben leuchtete und Buchstaben wie gemeißelt imponierten, während die neuere in trübem Grau und mit wie trunkenen, schwankenden Buchstaben den Eindruck erweckt, von der Saison unter der kommissarischen Leitung des bisherigen Operndirektors Christoph Seuferle nach dem Abschied von Intendant Dietmar Schwarz in den Ruhestand und vor dem Amtsantritt von Aviel Can dürfe man nicht allzu viel erwarten. Ganz das Gegenteil, und das von Anfang an, scheint der Fall zu sein, denn mit der Vorschau für diese „Zwischenspielzeit“, in der nicht nur die Presse informiert, sondern auch das treue (nicht nur Charlottenburger) Publikum zu einem moderierten Konzert eingeladen wurde, schien ein neuer, frischer Wind durch das Haus zu wehen, was nicht zuletzt an den beiden Moderatoren, Christoph Seuferle und dem Dramaturgen Jörg Königsdorf lag, aber doch ganz wesentlich, denn ersterer führte optisch wie natürlich besonders akustisch auf saloppe und fröhliche Art, begeistert und begeisternd durch das Konzert, das eine Vorschau auf die Premieren der künftigen Spielzeit sowie auf im Repertoire bleibende Werke lieferte und gleichzeitig der seit vierzig Jahren immer wieder in der Deutschen Oper Berlin, nicht zuletzt bei Uraufführungen, auftretenden Sängerin Doris Soffel die Ehrenbürgerschaft des Hauses durch Noch-Intendant Schwarz verlieh. Diese bedankte sich nicht nur mit Richard Strauss‘ Zueignung, sondern provozierte, die Moderation übernehmend, auch einen sehr aufschlussreichen Moment, wenn nach der Erwähnung von Götz Friedrich, dessen vor seiner Intendantenzeit entstandene Figaro-Inszenierung weiter im Spielplan ist, großer Jubel ausbrach, während bei der Erwähnung der Regie von Rolando Villazon als Regisseur für Rossinis L’Italiana in Algeri leises Murren trotz der Beifall fordernden Armbewegungen Soffels nicht zu überhören war, keinesfalls allgemeine Freude ausbrach. Da mochten Erinnerungen weniger an die gelungene Rondine als an die missglückte Fledermaus, die auch wieder aufgenommen wird, wach geworden sein.

© Marcus Lieberenz

Als Zeit des Übergangs versteht man die kommende Saison im Leitungsteam und damit auch als eine der Experimente, so dem, einmal zum unverzichtbaren Repertoire gehörende Stücke wieder auf die Bühne zu bringen, etwa Lortzings Zar und Zimmermann, das einst Winfried Bauernfeind in einem riesigen Schiffsleib zum Erfolg führte. Kieran Carrel sang mit in der Höhe wunderschön aufblühendem Tenor das immer noch bekannte „Lebe wohl, mein flandrisch Mädchen“. Etwas ganz Besonderes hatte sich Elena Tsallagova für die Arie der Cleopatra aus Händels Giulio Cesare in Egitto ausgedacht, welche sie selbst tanzend von zwei Tänzerinnen begleiten ließ. Händel hatte man bisher weitgehend den beiden anderen Häusern überlassen. Auf eine gewissen Korngold-Tradition kann das Haus bereits mit zweimaliger Toter Stadt und mit Das Wunder der Heliane zurückblicken, nun folgte seine mit nur achtzehn Jahren komponierte Violanta, aus der Sir Donald Runnicles das Vorspiel und die Karnevalsszene dirigierte, und dem nach seiner Ansprache zu Beginn das Publikum seine Zuneigung bezeugte. Der Dirigent wird das Haus 2026 nach Dresden ziehend verlassen. Das Orchester bewies bei Korngold und auch mit Le Nozze di Figaro, wobei Federica Lombardi in der Arie der Contessa, „Dove sono“ mit vollständigem, wunderschön gesungenem Rezitativ bewies, dass ihre eigentliche Domäne immer noch der Mozartgesang ist. Wie reich bestückt das Ensemble der Deutschen Oper ist, konnte man bei Rossinis „Dite: chi è quella femmina“ erkennen. Gab es die Italiana in Algeri nicht früher mit echten Kamelen? Da sei Peta vor! Die beiden recht neuen Sterne am internationalen Opernhimmel, Brian Jadge und Jonathan Tetelman, singen auch an der Deutschen Oper, und Letzterer stellte sich schon einmal mit Loris‘ „Amor ti vieta“ aus Giordanos Fedora vor, dem „O mio babbino caro“ der Tenöre als Zugabe, wenn sie nicht das Lamento des Federico bevorzugen. Die Stimme ist kraftvoll, höhensicher, ausgeglichen in den Registern, aber es fehlt die italienische dolcezza, und das ist nicht unerheblich. Tristan und Isolde wird neu inszeniert und zeigt uns das Paar hoffentlich nicht wieder als drogenbetäubt bis senil. Die zukünftige Isolde Maria Motolygina sang „Mild und leise“ gänzlich frei von diesen Schwächen. Die Dirigenten des Frühabends waren Sir Donald Runnicles für Violanta, Figaro und Tristan, und die gegenseitige Vertrautheit war nicht zu überhören, für die Kinderoper Dominic Limburg, alles andere war dem Dirigentenstab von Friedrich Praetorius anvertraut.

© Marcus Lieberenz

Es gibt eine Uraufführung, Detlev Glanerts Die drei Rätsel, für Kinder geschrieben und komponiert, bei dem der Jugend- und der Kinderchor des Hauses beweisen konnte, welch gute Arbeit hier geleistet wird. Alfredo Kraus hatte sich bei seiner letzten Pressekonferenz im Haus gewünscht, dass die Gattung Zarzuela Einzug auf die deutschen Bühnen hält. Dazu ist es bisher nicht gekommen, aber ein Duett au Bidaolas El Caserio, leidenschaftlich gesungen von Cristina Toledo und David Oller Martinez, zeigte zumindest einmal die Qualitäten, die der Gattung innewohnen. Für die abschließenden Brüderlein und Schwesterlein hatte wieder Doris Soffel das Heft in die Hand und die Stimme genommen und führte ein gutgelauntes und offensichtlich zu großen Taten bereites Ensemble an. Auch das Publikum war sicht- und hörbar angetan und offensichtlich voller Hoffnung auf eine inspirierende neue Spielzeit.

Ingrid Wanja, 20. Mai 2025


Was kommt? Moderiertes Konzert mit Highlights aus dem Spielplan der Saison 2025/26

Deutsche Oper Berlin

19. Mai 2025                                                   

Moderation Doris Soffel, Christoph Seuferle, Jörg Königsdorf
Musikalische Leitung Sir Donald Runnicles, Friedrich Praetorius, Dominic Limburg
Orchester der Deutschen Oper Berlin