Ihre jüngsten Besucher auch in diesem Jahr nicht im Stich gelassen hat die Deutsche Oper Berlin, indem sie zur Adventszeit zwar 2022 nicht die Hänsel-und-Gretel-Produktion von Andreas Homoki auf den Spielplan setzte, sondern die mindestens ebenso beliebte Zauberflöte, d.h. genau gesagt Das Märchen von der Zauberflöte nach Wolfgang Amadeus Mozart. Die langjährige Regieassistentin und Spielleiterin Gerlinde Pelkowski hat aus der Oper Eine Geschichte über die Liebe und das Erwachsenenwerden gemacht, was mehr als nachvollziehbar ist, wenn man bedenkt, dass schon die Erwachsenen ihre Probleme haben mit dem Schikandedertext und nicht recht wissen, wie sie zum Beispiel die Figur des Sarastro einordnen sollen zwischen gut und böse. Der teilweise neue Text stammt außerdem von Marcel Pomplun, während Pelkowski ihre langjährige Erfahrung mit dem Werk, das sie auch für die Berliner Waldbühne inszenierte, in Regie und Kostümgestaltung einbrachte.
Es gibt nun eine Vorgeschichte, in der Pamina ein eitles Prinzesschen ist, das ständig neue Kleider vor dem Spiegel ausprobiert, während Tamino ein ähnliches Nichtsnutzerleben führt, indem er tage- und nächtelang den Himmel durch ein Fernrohr hindurch betrachtet. Beider Eltern schicken die missratene Brut hinaus in die Welt, damit sie erwachsen werden kann. Danach beginnt die Oper, wie wir sie kennen, mit dem Überfall der Schlange auf den Prinzen. Durch die Handlung führt ein Erzähler, den Jörg Schörner sehr angenehm textverständlich gibt und dazu noch einen Priester singt. Auf die Bühne hat Thomas Gabriel ein Riesenteil von Kulisse mit steilen Treppen rechts und links gestellt, drehbar und so abwechselnd das Reich des Lichts und das der Finsternis darstellend. Prachtvoll sind die Kostüme von Königin und ihren Damen, aber das absolute Highlight der Aufführung sind natürlich die Tiere, ob Elefant oder Schleiereule, Kamel oder Libelle, die im Bühnenhimmel flattert. Die dürfen nicht nur in der von Schikaneder vorgesehenen Szene auftreten, sondern sind neuerlicher Höhe- und damit auch Schlusspunkt der Aufführung.
Sprechtext und Arien und Duette sind stark verkürzt, was unbedingt notwendig ist, um die Aufmerksamkeit der kleinsten Zuschauer wach zu halten, das Orchester spielt in voller Besetzung unter Dominic Limburg, da wurden keine Abstriche gemacht.
Auch bei den Sängern wird deutlich, dass das Haus für die kleinen Zuschauer generell durchaus Hochwertiges bieten will. So ist mit Tobias Kehrer ein erstklassiger Sarastro immerhin mit einer Strophe von „In diesen heiligen Hallen“ auf der Bühne, und zusätzlich singt der Bass noch die Baritonpartie des Sprechers. Meechot Marrero allerdings ist wohl eher noch eine Papagena als eine Pamina, und Hye-Young Moon stimmte mit ihrem Ausschnitt aus der Auftrittsarie der Königin der Nacht höchst bedenklich, ehe sie mit „Der Hölle Rache“ reüssieren konnte. Andrei Danilov setzte für den Tamino einen interessant timbrierten Tenor ein, dem man noch mehr Geschmeidigkeit wünscht. Allen möglichen Querelen war man damit aus dem Weg gegangen, dass man den Monostatos von Burkhard Ulrich rot und nicht etwa schwarz schminkte, obwohl … ist das nicht mittlerweile auch heikel? 2008, als die Premiere der Produktion war, gab es immerhin noch keinen Streit um Winnetou. Simon Pauly war natürlich als Papageno der Liebling des Publikums, und das zu recht, Hyejin Lee gefiel gleichermaßen durch die zarte Stimme wie das prächtige Kostüm der Papagena, die drei Damen waren bei Sua Jo, Karis Tucker und Maire-Therese Carmack und deren Stimmbändern gut aufgehoben.
75 Minuten waren genau die Zeitspanne, die das Publikum im Kindergarten- und Grundschulalter aushielt, ehe es gewaltig nach Erfrischung oder Toilettengang verlangte.
Ingrid Wanja, 25. Dezember 2022
„Das Märchen von der Zauberflöte“
nach Wolfgang Amadeus Mozart
Deutsche Oper Berlin
47. Aufführung am 23. Dezember 2022
Premiere am 21. September 2008
Inszenierung: Gerlinde Pelkowski
Musikalische Leitung: Dominic Limburg
Orchester der Deutschen Oper Berlin