Meiningen: „The Sound of Music“, Richard Rogers

Premiere am 29.10.21

Songtexte: Oscar Hammerstein II, Buch: Howard Lindsay und Russel Crouse
Regie: Bernd Mottl, Musikalische Leitung: Harish Shankar

Maria lebt als Novizin in einem kleinen Kloster in den Bergen. Quirlig, temperamentvoll, natur- und musikbegeistert weckt sie nicht bei allen Nonnen Sympathie. Aber die Mutter Oberin hat viel Verständnis, erkennt die Lebensfreude und ahnt, dass ein Leben im Orden dieses besondere Naturell zerstören würde. Sie schickt sie als Gouvernante in die Villa des verwitweten Kapitäns Georg von Trapp und dessen sieben Kinder. Maria pfeift auf Drill und sture Disziplin. Weder die Strenge des Vaters noch die elegante Umgebung können sie beeindrucken. Mit Offenheit und Wärme, mit Musik und Gesang gewinnt sie die Herzen im Sturm und auch die Haushälterin und der Diener atmen auf. Sie ersetzt die fehlende Mutter, wird Freundin und Vertraute von Lisl, der Ältesten, die sich in einen Jungen, Rolf, verliebt hat. Noch harmlos, aber dennoch infiziert, sympathisiert dieser schon mit dem Nazikult. 1938 steht die Machtergreifung der Deutschen und der Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland kurz bevor. Wohl symbolhaft nimmt sie den Kindern die Angst vor einem Gewitter, wenn alle in ihr Bett flüchten dürfen und gemeinsam singen.

Kapitän von Trapp kehrt von einer Reise zurück, begleitet von der eleganten Baroness Elsa Schrader, die ihm Avancen macht. Geld gehört zu Geld, ist ihre Devise. Als er seine Kinder ausgelassen und übermütig, statt diszipliniert, erlebt, will er Maria sofort entlassen. Unbeeindruckt lässt sie ihren „Chor“ ein Lied zur Begrüßung der Dame singen und erweicht damit alle Herzen. Während eines Balls, der eigentlich zu Ehren Elses stattfindet, verlieben sich Maria und der Kapitän. Auch hier wird die politische Entwicklung deutlich: Dirndl und Trachtenanzüge neben Uniformen. Nach einem anrührenden Auftritt der Kinder ist Max, ein Musikproduzent und Freund des Kapitäns, so begeistert, dass er sie bei einem Musikwettbewerb groß herausbringen will. Aus Angst vor ihren Gefühlen ist die Novizin inzwischen heimlich ins Kloster geflohen, wird aber von der klugen Äbtissin wieder zurückgeschickt, weil diese Liebe ihre Bestimmung ist.

Im zweiten Teil offenbaren Max und Else, beide Opportunisten, ihren Hang zu den neuen politischen Machthabern. Eigentlich will sie den Kapitän heiraten, erkennt aber, dass dieser ihre Ansichten nicht teilt und außerdem Maria liebt, die inzwischen wieder da ist. Ganz in Rot getaucht, die Farbe der Liebe, finden die beiden sich und heiraten im Nonnbergstift, begleitet vom „Gaudeamus“ des Nonnenchors und blümchenstreuenden Kindern. Zurück von der Hochzeitsreise erhält von Trapp den Befehl, ein U-Boot zu übernehmen. Nur die Teilnahme an dem Gesangswettbewerb verschafft ihm noch etwas Aufschub. Dort erweist sich Max als wahrer Freund und ermöglicht der Familie die Flucht ins Kloster. Doch der Sturmbannführer und seine Truppe überfallen die Nonnen, höchste Gefahr ist im Verzug und Rolf hilft entgegen seiner Überzeugung. Mit dem Segen der Mutter Oberin bricht die Familie auf, um zu Fuß über die Alpen in die Schweiz zu gelangen.

Regisseur Bernd Mottl bleibt in der Zeit vor und während der Machtergreifung der Deutschen. Musik und Gesang tragen diese Familie durch alle bedrohlichen Situationen, vermitteln Gemeinschaft und einen Schutzraum der Geborgenheit. Sie erweichen den versteinerten Witwer Georg, der nach dem Tod seiner Frau alle Musik aus seinem Haus verbannt hat. Mit Musik erobert Maria im Handumdrehen die Herzen der Kinder und Musik bewegt sogar den gestrengen Admiral, Trapps Einberufungsbefehl noch ein paar Tage hinauszuschieben. Musik verbindet Maria und die Mutter Oberin, die in ihrer Novizin einen Teil ihres früheren Ichs wiederfindet. Der Chor der Nonnen begleitet die Hochzeit und die gefährliche Flucht über die Alpen, spendet Segen, Mut und Zuversicht. Nein, Bernd Mottl schuf keine Kitschversion, keine rührselige Seifenoper über die bekannte Trapp-Familie. Szene für Szene reduziert er die Inhalte in schlichter Sprache auf ein Kerngeschehen. Nirgendwo gibt es Zeit zum längeren Verweilen. Tempo ist angesagt. In rascher Abfolge wechseln die Schauplätze. Der Zuschauer gewinnt immer nur kurz Einblick ins Kloster, in die Villa des Kapitäns, in das Zimmer Marias, in die Bergwelt oder das Musikfestival. Auch Komik darf sein, ein Musical ist keine todernste Angelegenheit. Die „Sisteracts“ gleich zu Beginn sind zum Schießen. Der Damenchor des Theaters ist einfach klasse.

Im Karussellmodus nimmt Friedrich Eggert Darsteller und Publikum vor schroffer Bergkulisse von Schauplatz zu Schauplatz. Die bleiben eigentlich ziemlich gleich, ändern sich aber in Position und Ansicht, in Farbe und Beleuchtung. Zu Beginn gleitet eine gemütliche Kapelle mit grünem Dach und Zwiebeltürmchen ins Bild, die gleichzeitig als Kloster fungiert. Danach tanzt Maria auf ihrem geliebten Berg und verweilt auf einer grünen Bank. Die Villa des Kapitäns in Gelb mit Freitreppe zu den grünen Türen der Kinderzimmer vermittelt edles Ambiente und Marias schlichtes Zimmer in Orangetönen ist ein Wärmekämmerchen für die verwaisten Geschwister. Ganz anders erzeugt die dunkle und schmucklose Bühne des Gesangsfestivals, dominiert von einem riesigen schwarzen Reichsadler, Unbehagen, Grauen. Perfekt passen originelle und farbintensive Kostüme ins Bild: Die lila Tracht der Nonnen mit witzigen Toppings, die an Fahrradhelme erinnern, die Matrosenanzüge der Kinder, später die Spaßkluft in Orange, genäht aus Vorhängen, und schließlich Dirndl und Trachtenanzüge in Rot und Weiß, den Farben Österreichs. Max in hellblauem Karo und Else in elegantem Outfit dürfen die Klischees des Musikproduzenten und der Schickeria bedienen. Authentische Nazikluft bringt den gewünschten Effekt: Angst und Schrecken.

Der bekannte Choreograf Hakan T. Aslan verleiht mit Tanz und Bewegung dem Stück Drive und Pep. Gleich zu Beginn lässt er die Klosterfrauen grooven, Maria übermütig über die Bühne wirbeln, die Kinder wild und scheinbar ungeordnet toben…nein, jeder Schritt ist durchdacht und wirkt. Hier ist ein Meister am Werk.

Mottl peppt die allzu rührselige amerikanische Vorlage etwas auf, gibt den Ohrwürmern wie „Edelweiß“ nur so viel Raum, dass sie nicht zum Mitsummen und Schunkeln verleiten, und rückt damit auch die Figuren mehr ins Licht. Wenn Monika Reinhard als Maria kess und keck im Überschwang voller stimmlich brillanter Kapriolen ihrer Mutter Oberin von ihrer Liebe zur Natur und zum Gesang vorschwärmt, ausgelassen springt und tanzt, zeigt sie sich noch fast pubertär. Später als Erzieherin und Mutterersatz für die Kinder, dann als Ehefrau, findet sie die Balance zwischen Spaß, Fürsorglichkeit und Haltung. Bewegung, Tanz, Gesang und Dialoge sind authentisch. Sie ist der Mittelpunkt des Geschehens, lässt aber den anderen genügend Raum, sich zu entfalten. Michael Jeske als Georg von Trapp erscheint anfangs erst unsensibel, gehemmt und etwas unbeholfen, wächst aber an ihrer Seite und traut sich sogar als singender Vater anrührend das „Edelweiß“ beim Musikwettbewerb vorzutragen. Marianne Schechtel verkörpert mit ihrer wundervollen Stimme, mit ihrem Humor und ihrer Sensibilität die Äbtissin auf das Beste.

Gäbe es im Leben mehr von ihrer Sorte, hätten Orden weniger Nachwuchsprobleme. Stan Meus erweist sich als dandyhafter Musikproduzent komisch, schlitzohrig, aber auch empfindsam und hat wieder eine Rolle, die zu ihm passt. „Ihr Kinder wart ein Traum“, schwärmt Intendant Jens Neundorff von Enzberg am Ende. Überbordender Applaus galt in erster Linie ihnen und ihren hinreißenden Auftritten. Mal quietschvergnügt, turbulent und voller Übermut, mal still, diszipliniert und lammfromm sind sie fast drei Stunden in allen Facetten des Musicals auf der Bühne präsent. Natürlich und unverbildet, ansteckend und anrührend sind sie eine Wucht. Da zeigen sich Talente und die Früchte zahlreicher Proben. Ein großes Lob den Dramaturgen Julia Terwald und Cornelius Edlefsen.

Harish Shankar, der schon als Kind den Film „Sound of Music“ liebte, gestaltet jede Szene, jeden Inhalt, jede Stimmung souverän mit einer idealen Besetzung des Boulevardorchesters der Meininger Hofkapelle.

Ein begeistertes und dankbares Publikum feiert mit „Standing Ovations“ sein Meininger Theater und man darf gespannt sein, was an Überraschungen diese Spielzeit unter der Intendanz von Jens Neundorff von Enzberg noch bieten wird.

Inge Kutsche, 1.11.21

Fotos: Christina Iberl

OPERNFREUND SILBERSCHEIBEN REDAKTIONS-TIPP

Heute digital überarbeitet klingt und sieht der Film natürich tausendmal besser aus, als noch bei der Premiere vor 56 Jahren. Ein Klassiker – ein MUST HAVE. Einfach wunderbar redigitalisiert für die Ewigkeit. P.B.