2.Premiere am 10.3.2019
Große Oper neu überabeitet wiederentdeckt
„Irrelohe brennt“ heißt es am Ende von Schrekers großer Oper. Auch hier geht es um ein Schloss, und wenn Brünnhilde mit ihrer Fackel – eine traditionelle Inszenierung vorausgesetzt – in die starken Scheite springt, entfacht sie immerhin den Weltenbrand. Ganz so groß macht es Othmar Schoeck nicht, aber an Dramatik und Spannung durchaus vergleichbar. Hier wird mittels Fackel – Regisseur Ansgar Haag arbeitet dabei sehr werktreu und textgenau – der mit Sprengstoff gefüllt Schlossturm im großen Finale zur Explosion gebracht. Ein auch optisch starkes opernhaftes Ende mit umstürzenden Säulen, Feuer und Rauch – das ist auf der kleinen Meininger Bühne doch ziemlich eindrucksvoll gemacht; auch hat Bernd Dieter Müller eine sehr sängerfreundliche Bühne gebaut, die trotz Einheitsbühnenbild doch von Akt zu Akt recht wandelbar, immer andere Perspektiven erschließt, wobei vor allem auch die Lichtregie perfekt arbeitet.
Die Kostüme von Annette Zepperitz sind zeitgemäß passend und werktreu unaufdringlich. Schön, dass sich das Regieteam in der Verantwortung sieht, dieses seltene Werk – in dieser entschlackten neuen, nicht mehr so völkisch dahintümelnden Textfassung – nicht zu verfremden oder zu modernisieren, sondern dem Publikum gleichsam urtümlich zu offerieren. Schon dafür gebührt den Verantwortlichen großes Lob.
Musikalisch liegt Othmar Schoeck s Musik Franz Schreker oder Richard Strauss näher als Wagner – ich würde ihn als den Schweizer Schreker bezeichnen. Die Musik ist durchgängig hörenswert, schön und mit nur leicht modernem Aplomb – die Ansprüche an die Sänger allerdings liegen auf ähnlich hohem, schweren Niveau.
Man braucht mindestens sechs Sänger, die das hochdramatische Fach einer Strauss-Partie relativ klaglos beherrschen würden. Was das Meininger Theater hier aufbietet, ist der schiere Wahnsinn. Große Häuser wären stolz, ein so durchgängig perfektes, lückenlos überzeugendes Sängerteam zu haben. Auch die Damen und Herren von Chor und Extrachor (einstudiert von André Weiss) überzeugten nachhaltig. Der Rezensent, der eigentlich in den großen Häusern zuhause ist, traute seinen Ohren nicht und deklamierte am Ende mehrfach lauthals „Bravi“. Hier wurde Oper mit dem Herzen für Musik inszeniert und eine vergessene Oper auch szenisch bemerkenswert revitalisiert. Sinnvolle Plage, lohnende Müh…
Philipp Bach evozierte mit der Meininger Hofkapelle in Wagnerbesetzung (!) großdimensionale Bilder mit einer Klangpracht auf Bayreuth-Niveau – und das nicht nur in den goldenen Bläsern. Das ist Spielkultur vom Allerfeinsten und verkörpert weiterhin die große herzogliche Tradition, die immer noch aus jeder Fuge dieses Kleinods von Theater seit einem Vierteljahrtausend bravourös atmet.
Fazit: Othmar Schoeck gehört einfach in jedes Repertoire. Ein ganz großes "Bravissimo" für das ganze Team! Der Aufwand war gigantisch, aber er hat sich gelohnt. Damit wird man zweifellos Schoeck-Rezeptionsgeschichte schreiben. Für diese Rarität lohnt sich auch die weiteste Anfahrt für den vielseitig interessierten Opernfreund. Nicht nur, weil die Besetzung internationales Format hat, sondern auch weil man hier ein zu Unrecht vergessenes Werk endlich wieder hoffähig gemacht hat.
Peter Bilsing 11.3.2019
Bilder © Theater Meiningen / Sebastian Stolz