Meiningen: „Cosi fan tutte“

Besuchte Premiere am 17.11.17

So machen es eben nicht alle

Eigentlich ist die Neuproduktion von Mozarts „Cosi fan tutte“ am Meininger Staatstheater auf den ersten Blick gar nicht so etwas Besonderes, doch das Besondere ist das unaufgeregt und werkdienlich gemachte dieser Produktion. Anthony Pilavachi und sein Ausstatter Christian Rinke verlegen die Handlung zwar nicht in die Entstehungszeit, sondern ein paar Jahre später in die Zeit von Goethes „Wahlverwandtschaften“, zwei Meisterwerke, die wirklich sehr viel miteinander zu tun haben. Die Kostüme sind also kein ausladendes Rokoko, sondern feines Empire, die Albanertrachten der Verkleidung erinnern dabei durchaus an die schrecklichen Bilder aus dem heutigen Nahen Osten, ohne dabei den Rahmen des Historischen zu verletzen. Ansonsten findet das Spiel um die Authenzitäten der Gefühle genau nach Libretto und Partitur statt, Despinas Mummenschanz als Doktor und Notar ganz aus der handelsüblichen Opera Buffa statt. Doch mit welcher zwischenmenschlichen Beobachtungsgabe die Beziehungsfäden des Personals geknüpft werden, weisen Pilavachi als großen des Regiefaches aus; „denn in dem „Wie“, da liegt der ganze Unterschied“, möchte man sagen. Alles in duftigen, eleganten Bildern, die in ihrer Solidität fast schon unzeitgemäß anmuten und es trotzdem sind. Und das obwohl der Ferrando als Einspringer sehr kurzfristig zur Premiere eingewiesen werden mußte, mit einem Wort: bestes Handwerk. Erst zum Schluss erlaubt sich der Regisseur eine drastische Pointe, die jedoch den Spaß am vorherigen nicht trübt.
So etwas gelingt natürlich auch nur, wenn die musikalische Seite am gleichen Strang zieht, wie in Meinigen.Unter Mario Hartmuths Leitung zelebriert die relativ hoch plazierte Meiniger Hofkapelle einen duftigen, straffen Mozart, der stets am Puls des Bühnengeschehens pocht. Die vielen Rezitative geraten als feinnerviges Musiktheater, überhaupt dominiert den Abend ein stilles Hinhören in Mozart und da Pontes Kosmos. Der Mut zum Leisen zahlt sich durch Vertiefen des Erlebten aus.
Der bereits erwähnte Einspringer erweist sich als extrem hochkarätig, denn Dovlet Nurgeldiyev von der Staatsoper Hamburg singt die lyrischen Hauptpartien schon an den großen Bühnen. Der Tenor findet sich nicht nur hervorragend in das Ensemble ein, sondern spielt, als ob er die acht Probenwochen mit absolviert hätte, dazu Tenorgesang vom Feinsten, das verinnerlichte „Un aura amorosa“ hört man selten so perfekt. Was nicht heißt, daß sich das Meininger Ensemble verstecken müßte, o nein! Elif Aytekin als Fiordiligi hält voller Gefühlstiefe dagegen, vielleicht klingt ihr Sopran am Premierenabend ein wenig müde, doch so ein Spektrum an Charakterfarben hört man nicht oft und läßt nicht unberührt. Carolina Krogius als Dorabella zieht mit saftigem Mezzo auf buffoneskere Art mit. Dazu passend der Guglielmo von Marian Krejcik mit angenehm virilem Kavaliersbariton. Monika Reinhard als Despina ist ein Ausbund an Kammerzofe mit sehr realistischem Denken, eine wunderbare Soubrette voller Bitterkeit in dieser Partie. Daniel Pannermayr nimmt man den „alten Philosophen“ optisch nicht ab, er gibt jedoch einen bösen Zyniker mit leichten Höhenproblemen. Dann gibt es in dieser Aufführung noch zwei Hauptrollen, zum einen den szenisch sehr aufgewerteten Chorpart, der Chor des Meininger Staatstheater unter Martin Wettges ist vokal hervorragend und freut sich sichtlich über die vielfältig anfallenden Aufgaben. Ebenso wie Robert Jacob am Cembalo, der auf der Bühne zu einem Mitspieler auch in szenischer hinsicht wird.
Wie gesagt, alle ziehen in dieser Neuproduktion an einem Strang, das es nur so Freude macht. So werden die immerhin dreieinhalb Stunden zu einer enorm kurzweiligen Angelegenheit. Im Publikum wird viel mitgelacht, aber auch in die Herzen der Figuren gelauscht, deshalb gibt es einen langen und verdienten Schlussapplaus für diese sehens- und hörenwerte Aufführung, die einmal erneut beweist, das „Provinz(-iell)“ nichts Lokales ist. Meiningen ist wieder einmal Garant für gutes Musiktheater und eine Reise wert.
Fotos: Marie Liebig
Martin Freitag 18.12.2017