Premiere am 26. Januar 2020
Akustische Opulenz zu optischer Genügsamkeit
Was tut ein Regisseur, der für sein Wirken an einem Stück engagiert ist, das in der Realität angesiedelt ist wie in einer Traumwelt, im Palast eines realen wie im Naturreich eines irrealen Herrschers, zwischen Menschen jedweden Standes wie überirdischen Wesen spielt, und der eine der modernsten Bühnen überhaupt, ausgerüstet mit allen technischen Schikanen, zur freien Verfügung hat? Er beschränkt sich, was die Optik betrifft, auf die Möglichkeiten einer gut ausgestatteten Schulaula und die künstlerischen und handwerklichen Fähigkeiten eines Kunst-Leistungskurses (Bühne Marsha Ginsberg).
So geschehen bei der Premiere von Brittens „A Midsummer Night’s Dream“ an der Deutschen Oper Berlin, an der Genrealmusikdirektor Donald Runnicles ein Faible für seinen Landsmann hat und an der bereits Billy Budd, Peter Grimes und Death in Venice zur Aufführung gelangten.
Regisseur Ted Huffman erläutert im Programmheft seine Sicht auf die Oper, erläutert, dass er die Elfen, denen er keinen Wald zugesteht, sondern nur eine leere, in dunklem Grau gehaltene Bühne und ebenso eintönig wirkende einheitliche Kostüme ( Annemarie Woods) als Schattenwesen sieht, die Unpersonen und verwandelbar, so in Bäume, sind und Dienste leisten, so wenn sie den Mond hereintragen. Puck, dem eigentlich ergebenen Diener Oberons, verleiht er aufmüpfige Züge und lässt ihn deshalb von einem sehr erwachsenen Mann spielen. Ein bisschen Klassenkampf, so sieht man, muss sein, Herrscher und Liebende aus besseren Kreisen sind nur mit sich selbst beschäftigt, die Handwerker die Garanten für kulturelles Leben und Wirken. Die Zauberblume ist für Huffman eine Droge, Oberon der Verabreichung derselben schuldig und deshalb zur Reue und zur Teilung der Sorgepflicht für das umstrittene Waisenkind mit Tytania bereit, „damit die beiden am Schluss gemeinsam mit dem Jungen in den Sonnenuntergang gehen können“.
Dass das Herrscherpaar aus Athen und die beiden Liebespaare mitten im Himmelsgestirn leben, wäre da eigentlich die logische Schlussfolgerung, bedenkt man, dass das letzte Bild im knalligen Orange angesiedelt ist. Dem scheint aber nicht so zu sein, denn Theseus kommt nicht von der Champagnerflasche weg, und auch die anderen bechern fleißig mit. Man könnte also vieles anders machen, aber auch so fand die Optik Gefallen beim Publikum, dass am Schluss allen ohne Ausnahme mit herzlichem Beifall dankte.
Keinen Zweifel hingegen kann es an der hohen Qualität der musikalischen Umsetzung geben. Was nicht zu sehen war, klang umso märchen-, zauber-, geisterhafter, geheimnisvoller und farbenreicher aus dem Orchestergraben, wo Donald Runnicles der kahlen Bühne zarteste Tongespinste und flirrendes Geistertreiben entgegensetzte. Ein ganz besonderes Lob gebührt dem Kinderchor unter Christian Lindhorst, der wunderbar präzise und hochmusikalisch seine vielfältigen Aufgaben absolvierte. Solistisch betätigten sich, es handelt sich nicht am einen reinen Knabenchor, Markus Kinch, Lola Violetta Haberstock, Selina Isi und Chiara Annabelle Feldmann:
Das Werk ist eine Ensembleoper par excellence. Der Oberon, weil für einen Countertenor bestimmt, war allerdings ein Gast, James Hall, der vom Dirigenten einiges an Rücksichtnahme für sein zartes Organ verlangte. Einen wunderschönen lyrischen Sopran mit Koloraturgeläufigkeit setzte Siobhan Stagg für die Tytania ein.
Annika Schlicht glänzte einmal mehr mit sattem Mezzosopran, eher schon Alt, als Hippolyta, während Padraic Rowan Basstöne als Theseus beisteuerte. Etwas mehr Tenorglanz hätte der Lysander von Gideon Poppe vertragen, markant sang Samuel Dale Johnson den Demetrius. Die beiden verliebten Mädchen fanden in Karis Tucker als warmstimmige Hermia und Jeanine De Bique als Helena mit fein flirrendem Sopran angemessene Verkörperung. Bei den Handwerkern dominierten eindeutig die dunklen Stimmen mit einem auch schauspielerisch umwerfenden James Platt als Bottom und einem noch dunkler dräuenden Timothy Newton als Quince. Michael Kim ( Flute), Patrick Guetti (Snug) und Matthew Cossack (Starveling) trugen das Ihre zum Erfolg des Abends bei. Vom Himmel herabgeschwebt (dafür gab es einen Extra-Choreographen) kam der Puck von Jami Reid–Quarrell, der seine Sache gut machte, auch wenn er nicht der Aufführungstradition entsprach.
Fotos Bettina Stöß
26. Januar 2020, Ingrid Wanja