2. Vorstellung am 16.1.2019
Uraufführung am 13.1.2019
Aktueller geht’s nicht
Endlich weiß man, warum ausgerechnet ein Gemälde des niederländischen Malers Pieter Bruegel, die Heimkehr der Jäger an einem Winterabend zeigend, die Jahresvorschau der Staatsoper Unter den Linden als Cover schmückt: Es ist ein Vorgriff auf die Uraufführung von Beat Furrers neuer Oper Violetter Schnee, in der dieses Kunstwerk zumindest zeitweise quasi die Rolle eines Bühnenbilds übernimmt, aus dem sich einzelne Figuren verselbständigen und sich unter die eigentlichen Träger der Handlung, eine eingeschneite Gesellschaft von drei Männern und zwei Frauen, mischen. Dazu stößt eine Besucherin des Kunsthistorischen Museums in Wien, in dem das Bild hängt, das von einer Schauspielerin, die übrigen fünf sind Sänger, zu Beginn beschrieben wird, ehe sie zu den Eingeschlossenen stößt. Der Museumsraum taucht immer wieder und zunehmend schäbiger im Verlauf des Abends als höchstes Stockwerk des dreiteiligen Bühnenbilds auf, dessen unterstes das bereits zu Beginn verwüstete Kaminzimmer des eingeschneiten Hauses ist, während zwischen diesem und dem „Dach“ noch ein Treppenhaus mit drei Aufgängen liegt.
Am Abend der Uraufführung des Auftragswerks der Staatsoper, die am 13.1. stattfand, mag die Frage, die in einem früheren Interview an Regisseur Claus Guth, gestellt wurde, ob denn das Stück einen Bezug zur Gegenwart habe, wie blanker Hohn geklungen haben. Schließlich fiel sie genau in den Zeitraum, in dem Dutzende Ortschaften in Bayern, Österreich und der Schweiz durch den Schnee von der Außenwelt abgeschlossen waren. Bei der zweiten Aufführung am 16.1. war die metereologische Situation bereits entschärft, wird eher die Hitze des vergangenen Sommers mit dem Stichwort Klimawandel verbunden bleiben als das Schneeintermezzo, das dem Regisseur, soweit es die Opernhandlung betrifft, trotzdem gut ist für einen Seitenhieb auf die Regierungen, die angeblich nur zum Vermeiden von Flüchtlingsströmen etwas gegen den Klimawandel unternehmen. Der bewirkt denn in der Oper das Aufgehen einer neuen, wohl tödlich wirkenden Sonne, die den Schnee violett färbt.
Wenn der Abend vom wenn auch nicht die Staatoper auch nur annähernd füllenden Publikum sehr wohlwollend aufgenommen wurde, dann ist das zuallererst das Verdienst der suggestiven Bühne von Ètienne Pluss und der raffinierten Lichtregie von Olaf Freese. Da wirkt besonders das letzte Bild vor dem Aufgehen der neuen Sonne und bei ständigem Schneefall so schön, dass man den traurigen Anlass, den wohl bevorstehenden Untergang der Menschheit, ganz aus den Augen und dem Gedächtnis verliert.
Ausgegangen sind der Komponist und sein Librettist Händl Klaus von einer Einstellung in Tarkowskis Film „Solaris“, die einen Blick auf einen unbekannten Planeten zeigt. Die direkte Vorlage für das Libretto ist eine Erzählung von Vladimir Sorokin, außerdem wurden Zitate von Lukrez in lateinischer Sprache in das Libretto mit eingebaut. Die Sänger wechseln zwischen Sprechen, Sprechgesang und Gesang, so dass die Rolle der Schauspielerin in das Ensemble integriert wird. Die Musik vermittelt glitzernd und funkelnd das Gefühl eisiger Kälte, sie scheint, was das Orchester betrifft, mal zum Gefährten der Stimmen, mal zu ihrem Widersacher zu werden.
Scheinbare Atemlosigkeit steht neben Klangflächen, die unbeweglich, wie erstarrt zu sein scheinen. Matthias Pintscher ist der berufene Dirigent für diese Musik und zaubert mit der Staatskapelle faszinierende Klangbilder. Wie aus dem Jenseits ergreift hin und wieder der Vocalconsort Berlin akustisch in das Geschehen ein. In den allerhöchsten Höhen müssen sich die beiden Soprane Anna Prohaska als Silvia und Elsa Dreisig als Natascha bewegen und vollbringen Bewundernswertes, wenn auch nicht immer den Ohren Angenehmes und der Stimme Zuträgliches. Martina Gedeck ist die Sprecherin Tanja, die wohl die Wiedergängerin der Gattin von Jacques ist, dem Otto Katzameier dunkle, markante Töne verleiht. Gyula Orendt schenkt dem Jan wärmere, weichere Klänge, während Georg Nigl solide den Peter singt. Übrigens werden die Namen nie genannt, existieren quasi nur für den Besetzungszettel.
Fotos Monika Rittershaus
16.1.2019 Ingrid Wanja