Bonn: „Christus an Ölberge“

Ludwig van Beethoven

Premiere: 8. Februar 2020

Zum Beethoven-Jubiläum beschäftigt sich die Oper Bonn intensiv mit dem größten Sohn der Stadt. Nach der Fidelio-Neuinszenierung von Volker Lösch kommt jetzt schon die zweite Premiere heraus. Da Beethoven keine weiteren Opern komponiert hat, gibt es nun eine szenische Umsetzung des Oratoriums „Christus am Ölberg“. Als Prolog beginnt der Abend mit der Uraufführung von Manfred Trojahns „Ein Brief“.

Manfred Trojahn nennt sein gut vierzigminütiges Stück eine „reflexive Szene“. Naheliegend wäre eine Vertonung des „Heiligenstädter Testaments“, stattdessen greift Trojahn auf den fiktiven Chandos-Brief von Hugo von Hofmannsthal zurück. Der Schreiber entschuldigt sich hier für das Ausbleiben weiterer literarischer Tätigkeiten und äußert abschließend Zweifel, ob die ihm die bekannten Sprachen das ausdrücken können, was er sagen möchte. Bariton Holger Falk, der in Frankfurt die Titelpartie in Trojahns „Enrico“ sang, gestaltet den Chandos mit leichtem und sauber geführtem Bariton

Trojahn hat den Text sehr feinsinnig und kammermusikalisch komponiert, schließlich werden viele Abschnitte nur vom Streichquartett begleitet. Immer wieder setzt er kluge Pausen, die das nach Worten-Suchen des Erzählers deutlich machen. Klangliche Höhepunkte setzt Trojahn nur sehr sparsam ein und oft fragt man sich, ob dieses Stück überhaupt ein großes Orchester benötigt? Auf der großen Bonner Bühne verpufft viel von der intimen Wirkung der Musik. Vielleicht würde dieses Stück als Kammeroper in einem kleinen Saal, gekoppelt mit einer anderen Solo-Oper wie Poulencs „Die menschliche Stimme“ oder Rihms „Proserpina“, viel besser zur Geltung kommen.

Regisseurin und Bühnenbildnerin Reinhild Hoffmann ist zu diesem Stück wenig eingefallen. Der Erzähler steht, sitzt, läuft umher. Zu einer Verdichtung der Spannung kommt es nur in den Momenten, in denen auf den großen gebogenen Rückwänden und auf den aufgeschlagenen Seiten eines großen Buches, welches das zentrale Bühnenbildelement ist, Gemälde projiziert werden und ineinander überblenden.

In „Christus am Ölberg“ kann die Regisseurin, die eigentlich vom Tanz kommt, ihre Kunst dann wesentlich besser entfalten. Die drei Gesangssolisten stehen im Zentrum, werden von je fünf Tänzerinnen und Tänzern des Folkwang-Tanzstudios choreografisch begleitet, welche eine kraftvolle Ausstrahlung besitzen, während der Chor weitgehend im Hintergrund oder am Rand der Bühne bleibt. Reinhild Hoffmanns Choreografie ist streng gehalten, meist wird synchron getanzt. Die Regie versteht es das Stück klug zu bebildern, ohne dabei platt oder kitschig zu werden.

Sängerisch herausragend interpretiert Kai Kluge die Jesus-Partie. Er besitzt einen schön gefärbten runden Tenor und singt seine Rolle mit einem Maximum an Textverständlichkeit. Diesen Sänger würde man gerne als Interpreten von Schubert-Liedern erleben. Mit klarem und hellem Sopran singt Ilse Eerens den Seraph, der ebenso wie die Tänzer dem Buch entsteigen, das schon in „Ein Brief“ im optischen Zentrum des Geschehens lag oder stand.

Bonns Generalmusikdirektor Dirk Kaftan kitzelt aus Beethoven Oratorium das dramatische Potenzial heraus. Starke Kontraste und Akzente machen diese Kirchenmusik tatsächlich zum Musikdrama. Trojahns „Ein Brief“ dirigiert er mit viel Gespür für die Feinheiten der Musik. Dennoch: „Ein Brief“ hat nichts mit Beethoven und seinem Oratorium „Christus am Ölberg“ zu tun und ist hier überflüssig.

Die Oper Bonn setzt ihre Reihe zum Beethoven-Jahr mit weiteren interessanten Werken fort: Von Mauricio Kagel, der einst die „Ludwig van“-Collage entwickelte, gibt es das selten gespielte „Staatstheater“ (25. April). In der nächsten Spielzeit folgt Rolf Liebermanns moderner „Fidelio“ in Form von „Leonore 40/45“ (13. September), und Param Vir schreibt „Awakening“ (13.Dezember) über eine buddhistische Friedens- und Freiheitslehre.

Rudolph Hermes, 25.2.2020

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