Darmstadt: „Rusalka“

Antonin Dvorak

TRAILER

Besuchte Vorstellung am 04. April 2019

Märchenhaft

Nach langer Abwesenheit am Staatstheater gibt es wieder eine Gelegenheit, eine Neuproduktion von Antonin Dvoraks Opern Hauptwerk „Rusalka“ (1901) zu erleben. Gegeben wird eine neuere deutsche Übersetzung von Bettina Bartz und Werner Hintze.

Die Inszenierung von Luise Kautz versteht die Handlung als Emanzipationsprozess der Nixe Rusalka, die sich für die Menschwerdung entscheidet. Kautz erzählt die Handlung erkennbar am Libretto orientiert. Die Besonderheit dieser Produktion zeigt sich darin, dass sie der Musik vertraut und nicht das Märchenhafte ausspart. Somit gibt es vielerlei Bildwirkungen, die das Geheimnisvolle und Symbolhafte zeigen. Vielerlei gelungene Videoeffekte (Video: Simon Janssen) unterstreichen surreale Handlungselemente. Im ersten Akt gibt es eine beeindruckende Moorlandschaft (Bühne: Lani Tran-Duc) zu bestaunen. Von überall her wabert der Nebel herein, beeindruckende Lichteffekte runden das stimmungsvolle Bild ab. Das höfische Leben wird im zweiten Akt mit drei gigantischen Kronleuchtern betont, die sich zudem auf und nieder bewegen, was sie wie gigantische Quallen wirken lässt. Im dritten Akt liegen sie dann zerstört auf dem Bühnenboden und bilden ein Gefängnis. Nixenwelt und die einstmals höfische Welt treffen hier aufeinander, vom Verfall gekennzeichnet. Am Ende bleibt der Prinz allein, lebendig zurück, während Rusalka ihn verlässt. Die Personenführung wirkt natürlich, kann jedoch Leerläufe nicht immer vermeiden. Manche Übertreibungen, wie die derbe Vergewaltigung Rusalkas durch den Prinzen im zweiten Akt, wirken sinnlos. Aber von dieser Entgleisung abgesehen, ist es eine sehenswerte Produktion, die erfreulich gut Hand in Hand mit dem Werk geht.

In der Titelpartie war Katharina Persicke vorgesehen. Sie erkrankte, so dass sehr kurzfristig Angela Davis für sie einsprang. Und diese Umbesetzung erwies sich als Trumpf des Abends! Darstellerisch konnte Davis die Entwicklung der Rusalka sehr anrührend aufzeigen. Mit großer innerer Beteiligung und reger, sehr natürlicher Mimik vermochte sie ungemein zu berühren. Ihre äußerst angenehme Sopranstimme hatte keinerlei Probleme mit der langen und fordernden Partie. In der Höhe blühte die Stimme mächtig und obertonreich auf. Dazu sang sie differenziert, wandlungsfähig und intonierte blitzsauber mit ausgeprägter Musikalität. Dazu strahlte sie eine entwaffnende Ruhe und Selbstsicherheit aus, die selten zu erleben ist. Dies ist umso erstaunlicher, da Frau Davis am Aufführungstag erst um 14.00h im Theater ankam. Eine großartige Leistung einer fabelhaften Sängerin, die diese Partie auch jederzeit an großen Häusern singen könnte!

Als Prinz hatte Tenor Thorsten Büttner einen schweren Stand an ihrer Seite. Die Stimme hat ein angenehmes Timbre und wirkt recht kompakt in der Mittellage. In der Höhe geriet er mehrfach an klangliche Grenzen, da die Durchschlagskraft fehlte und die Stimme hier nicht im Körper verankert wirkte. Davon abgesehen war er aber immerhin in der Lage, alle Töne dieser schweren Partie, auch ein sehr sicheres hohes C im dritten Akt, zu singen. Als Rollencharakter wirkte er etwas zurückhaltend und machte den Eroberer nicht wirklich deutlich.

In der Rolle der fremden Fürstin zeigte Katrin Gerstenberger hochdramatische Stimmkraft und raumgreifenden Gestus. Eine gefährliche Gegenspielerin für Rusalka mit viel stimmlicher und szenischer Präsenz.

Zuvor ließ sich Rusalka von der Hexe Jezibaba verzaubern, um ein Menschenkind zu werden. Eine schöne Rolle für Elisabeth Hornung, die mit satter Altstimme ihre Rolle prägnant gestaltete, wenngleich sie sich in der Höhe merklich plagen musste.

Als Wassermann war Johannes Seokhoon Moon zu hören. Eher eine Baritonstimme und nicht der von Dvorak geforderte Bass. Moon sang kultiviert, war aber vom Stimmumfang zu schmal und wenig volltönend. Somit wirkte seine Stimmgestaltung zu wenig dominant. Auch darstellerisch wirkte er farblos und ohne Geheimnis.

Gute Leistungen in den vielen Nebenrollen. Sehr homogen das Trio der Nixen, interpretiert von Rebekka Reister, Gundula Schulte und Maren Favela.

Klares Profil zeigte der Jäger von Keith Bernhard Stonum.

Tadellos auch Julian Orlishausen als Wildhüter Xiaoyi Xu als Küchenjunge.

Eine Freude war der homogen tönende Opernchor, einstudiert von Sören Eckhoff.

Nach GMD Daniel Cohen übernahm Michael Nündel das Dirigat. Der Dirigent hat erkennbar genau in die Partitur gehört. Wunderbar abgetönt breitete er ein weites Farbpanorama mit dem sehr gut mitgehenden Staatsorchester Darmstadt aus. Die Streicher intonierten sauber, die Holzbläser agierten gefühlvoll in ihren Kantilenen, feierlich, niemals dröhnend das Blech und knackige, dynamisch gut abgestufte Akzente im Schlagzeug. Der Orchesterklang wirkte stets tadellos ausbalanciert und überzeugend. Nündel gab seinem Sängerensemble viel Raum für gestalterische Entfaltungen.

Anerkennender Beifall im gut besetzten Haus.

Dirk Schauß, 5.4.2019

Bilder siehe obige Zweitbesprechung