Darmstadt: „Der fliegende Holländer“

und die weisse Frau

Oper von Richard Wagner

besuchte Vorstellung am 21. September 2017

FREISCHÜTZ oder HOLLÄNDER ?

Regisseur Dietrich Hilsdorf zeigte ein weiteres Mal, seine bereits in Köln einstudierte Produktion von Wagners „fliegendem Holländer“. Ähnlich wie beim früheren Darmstädter Intendanten John Dew, so ist auch bei Hilsdorf festzustellen, dass er die szenische Kontroverse früherer Regie-Arbeiten zu Gunsten einer Ästhetik aufgab, die sich heute erkennbarer in einem historischen Kolorit bewegt. So gibt es also eine Interpretation zu erleben, die im 19. Jahrhundert als Schauergeschichte erzählt wird. Dieter Richter (Bühnenbild) baute akustisch günstige Räume, die dem Zuschauer die Orientierung leicht machen. Ansprechend die Kostüme von Renate Schmitzer.

Hilsdorf erzählt die Geschichte und kann sich dabei eine Eitelkeit nicht verkneifen: Samiel! Nein, wir sind nicht im falschen Stück! Aber weil, so Hilsdorf, es eine „Reminiszenz an den Freischütz“ geben soll, wird diese Figur als blondhaariges Zwitterwesen eingeführt. Und da es offenkundig noch immer Menschen gibt, die die Anatomie des menschlichen Körpers nicht kennen……, ja da darf Frau Samiel nackte Brüste und einen XL-Penis zur Schau tragen! Erhellend ist das zu keinem Zeitpunkt und somit völlig überflüssig!

Mit Astrid Weber stand eine erfahrene Senta auf der Bühne, die sehr gut die Vielschichtigkeit des Rollencharakters traf. Ihr jugendliches Stimmtimbre ist immer noch gut erkennbar, jedoch sind inzwischen sehr deutliche Schwierigkeiten festzustellen. Die Höhen wurden mit äußerster Anstrengung hart erarbeitet und gerieten häufig zu tief. Die Finali 2 und 3 klangen nach sängerischer Schwerstarbeit!

Deutlich aufgewertet wirkte Erik in der herausragenden Interpretation durch Marco Jentzsch. Szenisch sehr präsent und engagiert, verwöhnte er die Zuhörer mit schmelzenden Tenorklängen. Die schwierige Kavatine im 3. Aufzug gelang besonders mühelos. In der Traumerzählung setzte er gekonnte sprachliche Akzente. Hier stimmte alles! Eine großartige Leistung!

Es war ein Abend ohne tiefe Stimmen. Seokhoon Moon war ein recht gemütlicher Daland, der seinen Part ordentlich sang, jedoch nicht die Hintergründigkeit seiner Rolle vermittelte. Mit seiner Baritonstimme war er dennoch fehlbesetzt, weil er keinen farblichen Kontrast zum Holländer aufzeigen konnte.

Elisabeth Hornung zeigte als Mary ein starkes Rollenportrait und war weit mehr als nur eine Stichwortgeberin. David Lee als lyrischer Steuermann hatte keinerlei Probleme mit den Anforderungen seiner Partie und wirkte jedoch als Figur reichlich blass. Da ist Hildsdorf nicht viel eingefallen.

Bleibt der Holländer in der Gestaltung von Kzysztof Szumanski. Szenisch verkörperte er glaubwürdig den getrieben Suchenden. Sängerisch sehr problematisch klang zu viel nach musikalischer Bewältigungsarbeit. Der oft heisere Beiklang seiner Stimme kann als „Ausdrucksfarbe“ schön geredet werden, ist aber vielmehr Beleg dafür, dass stimmtechnische Schwächen zu konstatieren sind. Je länger der Abend voran schritt, um so schwerer gerieten die Höhen, nicht selten wurden Töne auf Tonhöhe gerufen und nicht gesungen. Schnell sang er sich immer wieder fest. Im Liebesduett kämpften sowohl er als auch Astrid Weber um das musikalische Überleben.

Die tiefen Töne waren nur erahnbar und dynamisch konnte er außer lauten Tönen nichts anbieten. Die Intonation war nicht selten vage und die Textverständlichkeit war mäßig. Sehr störend jedoch der fehlende Bezug zum Text.

Insgesamt darf einmal mehr an der fachlichen Kompetenz der Entscheider am Staatstheater Darmstadt gezweifelt werden, die Besetzungen verantworten, die zu selten den Anforderungen des jeweiligen Werkes entsprechen.

Eine Freude waren die Chorgesänge (Chor und Extrachor des Staatstheaters, Einstudierung: Thomas Eitler-de Lint), die schallkräftig und differenziert von der Bühne tönten.

Großartig einmal mehr auch das Dirigat von GMD Will Humburg, der das zu Beginn etwas unkonzentriert aufspielende Orchester des Staatstheaters immer wieder antrieb. Auch gab es im Eingangschor heftige Wackler zwischen Chor und Orchester. Dann stimmte die Balance durchweg, blitzsauber intonierten die heftig geforderten Hörner, sekundiert von der homogen musizierenden Gruppe der Holzbläser. Streicher, Blech und die viel geforderte Pauke erzeugten Sturm und Drang. Kleine Schmisse im Schlagzeug beim Geisterchor waren bedauerlich. Dennoch eine überzeugende Leistung.

Am Ende wenig Enthusiasmus im gut besuchten Haus.

Dirk Schauß 23.9.2017

Bilder (c) Staatstheater