Premiere am 10.08.2016
Ein operettiges Schmankerl mit
Ohne engagierte Streiter, könnte die Coburger Sommeroperette auf der wunderschönen Waldbühne in Heldritt wohl kaum überleben. Es ist in erster Linie der rührigen Produktionsleiterin Adelheid Frankenberger zu verdanken, gemeinsam mit Claus J. Frankl, der guten Seele der Sommeroperette, der die Spielleitung und Dramaturgie innehat, dass hier auf höchstem Niveau Operette (und manchmal auch Musical) aufgeführt wird. Seit Jahren stellen die beiden wunderbare Musikerlebnisse auf die Bretter, die die Welt bedeuten und Adelheid Frankeberger lässt neben ihrem Charme alle Beziehungen spielen, um Ausnahmekünstler zu kleinem Honorar auf die Waldbühne zu bringen. Drei Spielzeiten war der international zurzeit aufsehenerregende Tenor Andreas Schagerl, der sich jetzt, nachdem er Bayreuther Wagnerweihen hinter und vor sich hat und sich nun Andreas Schager nennt, Haustenor auf der Bühne der Sommeroperette. Mit geringen finanziellen Mitteln gelang es immer wieder tolle Künstler zu annehmbaren Preisen nach Heldritt zu holen. In der neuen Ausgabe des in Wien erscheinenden Magazins „Festspiele“ rangiert die Sommeroperette Coburg in der Abteilung Operette und Musical als erstplatziertes Festival in Deutschland auf dem sensationellen vierten Platz, nach den Seefestspielen Mörbisch, dem Lehár-Festival Bad Ischl und dem Operettenfest Baden bei Wien. Bestplatziert in Deutschland müsste Adelheid Frankenberger eigentlich vor Stolz zerspringen und die Region um Coburg herum vor Ehrfurcht erstarren lassen. Aber nein, wir sind ja im Coburger Raum, wo der Prophet im eigenen Land nicht viel gilt. Es ist für mich eine Schande, wie gering dieser sensationelle Erfolg gesehen wird, wie wenig die Politik bereit ist, dieses außergewöhnliche Festival im eigenen Land zu unterstützen. Anstatt stolz wie Oscar zu sein und die finanziellen Drahtseilakte etwas abzufedern, lässt man die Bühne teilweise am ausgestreckten Arm verhungern. Um das erreichte Niveau der Coburger Sommeroperette auf Dauer zu halten und zu festigen, wäre auch eine andauernde gleichbleibende Unterstützung mehr als erforderlich. Vielleicht besinnt sich der ein oder andere Politiker einmal darauf, dass nicht nur das Sambafestival ein großer Segen für Coburg und die Region ist.
Alois Walchshofer-Willi Narowetz
Ein kleiner Nachteil, auf den ich immer wieder hinweise, der aber leider nur für meine Figur gilt, ist, dass man vor Beginn der Vorstellung den überaus schmackhaften Köstlichkeiten der Region ausgesetzt ist und sich an so manchem schmackhaftem Schmankerl laben kann. Aber das gehört zur Coburger Sommeroperette und der Waldbühne Heldritt einfach dazu und unterscheidet Heldritt von anderen Spielorten, ebenso wie die überdurchschnittliche ehrenamtliche Mitarbeit einer Unzahl von Helfern.
Nun, in diesem Jahr hat man die wunderschöne Operette von Leo Fall „Der fidele Bauer“ ausgegraben, die in der Region seit fast 40 Jahren nicht mehr aufgeführt worden war und es ist schön, dass zur Zeit die Werke von Leo Fall eine wahre Renaissance erleben, so in diesem Jahr auch „Die Rose von Stambul“ in Bad Ischl. Erstmalig hat man mit der Pramtaler Sommeroperette zusammengearbeitet, einen Teil der dortigen Inszenierung übernommen, die Orchesterstimmen und den Text (wodurch man einiges an Euros sparen konnte) aber das Ganze auch für die Waldbühne angepasst. Und zum Coburger Ensemble hat man einige Gäste aus Pramtal dazu genommen, auch das ist nicht unbedingt für die Authentizität schädlich, im Gegenteil. Nun ja, ein bisschen hat man auch die Handlung umgestellt, der letzte Akt wird zum großen Teil als Eingangsakt gezeigt, aus dem Stefan wird das Heinerle, welcher in der sonst üblichen Fassung der Operette vom Zipfelhaubn-Bauern als Sohn angenommen wird, nachdem sein eigener Sohn ihn so schmählich in Stich lässt, obwohl er sich für ihn aufgeopfert hat. Diese Fassung basiert aus den 1990er Jahren von Wilfried Steiner und ist im Großen und Ganzen stimmig und nachvollziehbar inszeniert. Das Bühnenbild von Ruth Krottenthaler vermittelt den ländlichen Charakter des Bauernstücks ohne in den schenkelklopfenden Bereich des Komödienstadels abzugleiten. Bunt und voller prallem Leben bietet sich die Operette dem Zuschauer dar.
Das Orchester der Coburger Sommeroperette wird von Urs-Michael Theus geleitet, der Chor stimmig und eindrucksvoll von Stefan Meier einstudiert und mehr als ergänzend, sondern ein richtiger Hingucker der Einsatz der Mädchen und Buben des Theater- und Konzert-Kinderchores Coburg e.V., der von Arno Seifert geleitet und einstudiert ist. Es macht Spaß den Kindern zuzuhören und zuzuschauen, die mit Feuereifer bei der Sache sind. Urs-Michael Theis hat das gut aufgelegte Orchester fest im Griff. Schwungvoll und rasant lässt er es musizieren, lässt es auch einmal feurig galoppieren, um es dann bei der Begleitung der Sänger wieder etwas zurückzunehmen, damit diese nicht überdeckt werden. Er arbeitet auch die Feinheiten der Partitur heraus, bringt auch ohne Frage bei manchen der leiseren Stücke den melancholischen Ausdruck eindrucksvoll zur Geltung. Zu Recht bekommen er und sein eindrucksvolles Orchester großen Beifall, nicht nur am Schluss der Operette, Eine feine Leistung und musikalisch auf hohem Niveau.
Christine Holzwarth-Giorgio Valenta
Wieder einmal ein feines und vor allem erfolgreiches Händchen beweisen Adelheid Frankenberger und Claus J. Frankl mit der Besetzung der Sänger und der Gesangsschauspieler. Der Zipfelhaubn-Bauer, Matthias Scheichelreuther wird von dem österreichischen Bariton aus Linz Alois Walchshofer verkörpert. Ich habe Alois Walchshofer schon sehr oft erlebt, auch mit der Wiener Operettenbühne, und man hat den Eindruck, dass er mit zunehmendem Alter immer besser wird. Er bringt den sich für seinen Sohn aufopfernden einfachen Bauern nicht rührselig sondern rührend auf die Bühne. Er, der alles in seinen Sohn steckt, in Armut, ja, man kann schon sagen, dahindarbt und der auch dann noch voll hinter ihm steht, als ihm selbst aufgeht, dass dieser sich für ihn, den einfachen Bauern schämt, er zieht das Publikum in seinen Bann, welches bei vielen seiner Passagen mucksmäuschenstill zuhört, und dass ist für eine Operette nicht gerade üblich. Aber Gott sei Dank gibt es ja auch die vielen fröhlichen und lustigen Momente. Alois Walchshofer gestaltet seinen Bauern mit warmem, vollem, durchschlagskräftigem und vollkommen überzeugenden weichen Bariton und wird zu Recht gefeiert. Neben ihm, dem ausgebildeten Sänger wird noch ein weiterer gefeiert, nämlich Willi Narowetz als Heinrich Lindoberer, Bürgermeister und Holzfabrikant und Taufpate des angehenden jungen Doktors. Willi Narowetz, der aus Blindenmarkt in Niederösterreich stammt, hat nie eine Schauspielausbildung genossen, das Naturtalent und Operettenurgestein ist seit Jahrzehnten Publikumsliebling und so auch hier. Er, der Schlawiner, der den Zipfelhaubn-Bauern auch unterstützt wo er kann, führt alle nach Wien zum feinen Herrn Doktor und dort kommt alles zum guten Ende. Der Sohn erkennt, was sein Vater getan hat und bittet ihn um Verzeihung und die hochgebildeten Schwiegerleute aus Berlin merken auch, dass nicht die Abstammung sondern auch die Herzenswärme viel zu sagen hat.
Alois Walchshofer-Theater- und Konzert-Kinderchor Coburg e.V.
Der feine Herr Doktor wird vom aus Coburg stammenden Tenor Giorgio Valenta dargeboten, der bereits im letzten Jahr den Barinkay im „Zigeunerbaron“ gesungen hat. Und er bringt eine gute Leistung auf die Bühne. Sein hoher Tenor, der schlank geführt wird und auch in den Höhen strahlt, weiß voll zu überzeugen. Ein bisschen schwerer tue ich mir mit der gestalterischen Darstellung, etwas steif agiert er für meine Begriffe schon und der jugendliche Heißsporn von Doktor ist er inzwischen auch nicht mehr so ganz. Aber das sind wieder einmal einige wenige beckmesserische Einwände, die das Publikum anders sieht, großer Applaus für den Coburger Heimkehrer. Christine Holzwarth weiß als Annamirl, die Tochter des Zipfelhaubn-Bauern mit silbrigem zartem Sopran zu überzeugen, eigentlich ist die Wienerin eine vorzügliche Soubrette. Vincenz, der Sohn des Bürgermeisters wird vom Oberösterreicher Harald Wurmsdobler dargeboten. Sein Tenor ist kein Kraftmeier sondern ein wunderschön geführter, zarter voller Ausdruck versehener weicher und tragfähiger Tenor, der mir sehr gut gefallen hat. Harald Wurmsdorbler ist gleichzeitig auch der Intendant der Pramtaler Sommeroperette seit ihrer Gründung und ein Tausendsassa im Operettenhimmel. Jan Reimitz, der geborene Wetzlarer, der in Heldritt kein unbekannter ist, bringt in bewährter Weise die Figur des Dorfpolizisten Zopf auf die Bühne und sorgt für so manchen Lacher. Daneben ist er auch für die Choreographie zuständig, und auch hier hat er eine Leistung ohne Fehl und Tadel hingelegt. Als blasiertes Schwiegerelternpaar aus Berlin können Adelheid Brandstetter als Viktoria und Claus J. Frankl als Friedrich von Grunow (der auch noch einen weiteren Bauern spielt – und diesen ebenso überzeugend) ein Paradestückchen abliefern. Adelheid Brandsetter, die leider nur einen kleinen Gesangspart hat, ich habe sie schon oft erfolgreich in größeren Rollen erleben dürfen, zeigt, dass sie immer noch zur vordersten Reihe gehört und Claus J. Frankl zeigt, dass er für die Coburger Sommeroperette unersetzbar ist. Der Bayreuther Charakterkomiker, der seit vielen Jahren auch als Dramaturg und Regisseur für Musiktheater erfolgreich tätig ist, zeigt immer wieder seine tiefe Verbundenheit zur Coburger Sommeroperette. Als Friederike, die Tochter der beiden Berliner und Gattin des geläuterten Doktors ist die Sopranistin Thea Schuette aus Münster in Westfalen mit gefälligem Sopran zu hören.
Alphornbläser des Musikvereins „Stadtkapelle Baunach“
Kenai Bug mit zarter berührender Stimme ist der kleine Heinerle. Nach der Pause geben in der besuchten Vorstellung die Alphornbläser des Musikvereins „Stadtkapelle Baunach“ ein mit viel Beifall bedachtes „Zwischenspiel“. Am Schluss der Operette hat Claus J. Frankl noch einen stimmigen Einfall, er lässt die wunderschöne Melodie von Leo Fall „Und der Himmel hängt voller Geigen“ als walzerseligen „Rausschmeißer“ den „Fidelen Bauern“ beenden.
Beim Nachhausegehen fast nur glückliche Gesichter, viele, die die Melodien vor sich hin pfeifen und die Freude auf das nächste Jahr, wenn mit „Die Fledermaus“ die Königin der Operette von Johann Strauss jun. auf der Waldbühne von Heldritt aufgeführt werden wird. Ich freue mich schon darauf.
Manfred Drescher 27.08.2016
Bilder von Ulrich Göpfert, Coburg