Nun ist es also amtlich. Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker will den 2022 auslaufenden Vertrag mit Birgit Meyer nicht verlängern. Nachdem der Kölner Stadtanzeiger diese hochbrisante Nachricht bereits vorab verkündet und das Kölner Opernpublikum derart aufgeschreckt hatte, ließ die offizielle Presseinformation der Oberbürgermeisterin nicht lange auf sich warten. Darin heißt es: „2022 wird unsere Oper zwölf Jahre im Interim sein und damit die gesamte zehnjährige Intendanz von Dr. Birgit Meyer. Ich zolle dem, was trotz der widrigen Umstände von Frau Dr. Meyer und dem ganzen Haus in dieser Zeit künstlerisch und auch organisatorisch vollbracht wurde, allergrößten Respekt.“ Nun wünsche man sich frischen Wind und eine „neue Handschrift“. Eine Findungskommission soll nach geeigneten Kandidatinnen bzw. Kandidaten Ausschau halten.
In Köln stieß diese Entscheidung Henriette Rekers beileibe nicht nur auf Zustimmung. Ganz im Gegenteil formierte sich sehr schnell eine breite Front der Ablehnung. In einem Offenen Brief der Mitarbeiter der Kölner Oper an die Oberbürgermeisterin heißt es sehr bestimmt: „Es ist uns unverständlich, dass Sie es tatsächlich riskieren, die ohnehin interims-bedingt komplizierte Planung der Oper für die nachfolgenden Spielzeiten einer solchen Gefährdung auszusetzen“. Und weiterhin wird darauf verwiesen, dass mit Birgit Meyer nicht nur eine sehr erfolgreiche, sondern auch die „ einzige weibliche Intendantin unter allen Führungsspitzen der großen deutschen Opernhäuser“ gerade von einer Frau vom Hof getrieben werde. In zahlreichen Leserbriefen, Petitionen und persönlichen Briefen an das Stadtoberhaupt artikulieren Bürgerinnen und Bürger ihr völliges Unverständnis für Rekers Überraschungscoup.
Vielleicht helfen an dieser Stelle einige Fakten. Meyer trat 2012 die Nachfolge von Uwe Eric Laufenberg an, der zwar die Oper Köln 2012 zur Oper des Jahres katapultiert hatte, aber im Streit um die Finanzen seinen Job räumen musste. Obwohl die Sanierung des Riphan-Baus am Offenbachplatz weiter auf sich warten ließ und sich ein Ende nicht absehen lässt, gelang es Meyer mit ihrem Team, in zahlreichen Ersatzspielstätten die Kölner Oper am Leben zu halten und aus ihrer finanziellen Schieflage zu befreien. 2015 bezog man nach erbittertem Kampf mit den politischen Entscheidungsträgern mit dem StaatenHaus eine frühere Messehalle in Deutz in der Nähe des Rheinparks. Meyer und ihrem Team gelang ein kleines Wunder. Sie verwandelten die nüchternen Räumlichkeiten in einen zugegeben nicht gerade lauschigen, aber spannenden und zu kreativen Regiearbeiten einladenden Musentempel. Das Publikum, gerade auch das junge Publikum strömt mittlerweile in Scharen auf die andere Rheinseite, das StaatenHaus mit seinen drei Sälen wurde zu einem überraschenden Erfolgsmodell.
Die hervorragende Arbeit des ganzen Teams fand in zahlreichen Ehrungen und Auszeichnungen der Oper Köln ihren Niederschlag. So wurde die Oper Köln u.a. für die Inszenierung von Brittens Oper „Peter Grimes“ ausgezeichnet, erhielt 2019 im Rahmen der Opera Awards den Preis für das beste Education-Programm, wurde die von Brigitta Gillessen und Rainer Mühlbach geleitete Kinderoper 2018 zum Unicef-Paten ernannt oder fand das durch Birgit Meyer aus der Taufe gehobene Projekt, Demenzkranke und Kinder in der Kinderoper gemeinsam das Wunder der Musik erleben zu lassen, höchste Anerkennung. Kreative Regiearbeiten etwa von Lydia Steier, Valentin Schwarz oder Tatjana Gürbaca lockten Weltstars unter den Sängerinnen und Sänger in das Kölner Haus, so z.B. Catherine Foster, Pretty Yende, Marina Prudenskaya, Adina Aaron, Peter Seiffert, Attala Ayan, Martin Kränzle, Martin Muehle, Michael Spyres, Matti Salminen und viele mehr.
Das Haus ist „trotz der widrigen Umstände“, wie Frau Reker richtig bemerkt, bestens aufge-stellt. Da macht man sich in Köln schon berechtigter Weise Sorgen, wie es an der hiesigen Oper weitergehen soll. Das Argument, wonach zehn erfolgreiche Jahre einer Intendantinnentätigkeit genug seien, erstaunt schon. An der Frankfurter Oper hat man soeben dem seit 2002/3 dort tätigen Intendanten Bernd Loebe einen weiteren Vertrag über acht Jahre angeboten und in Köln selbst hat Frau Reker ja nicht grundlos den Vertrag von Louwrens Langevoort, der als Intendant sehr erfolgreich seit 2005 die Geschicke der Kölner Philharmonie leitet, bis zum Jahre 2025 verlängert. Never change a winning team- soll dieser Grundsatz nur für die Kölner Oper nicht gelten? Hinzu kommen große Sorgen, wie denn die neue Intendantin/der neue Intendant in kürzester Zeit, ohne jeden Vorlauf und in völliger Unkenntnis der komplizierten logistischen und organisatorischen Imponderabilien des StaatenHauses einen Spielplan für die Opernsaison 2022/23 erstellen soll. Es ist kein Geheimnis, dass alle großen Opernhäuser bereits ihre Planung bis zur Spielzeit 2024/25 vorangetrieben haben. Fragen über Fragen, die dringend einer realistischen Einschätzung und Beantwortung bedürften. Man kann nur hoffen, dass die politisch Verantwortlichen in Köln, Oberbürgermeisterin Henriette Reker, die Kultursprecher der Parteien, die Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach und die Ratsmitglieder noch einmal in einen argumentativen Diskurs eintreten, um für die Oper Köln die bestmögliche Lösung zu finden.
Norbert Pabelick
25.11.2020