Frankfurt, Konzert: „Deutsche Kammerphilharmonie Bremen“, Sol Gabetta

Im Rahmen seiner Londoner Reise schrieb Joseph Haydn seine sog. „Londoner Sinfonien“. Im Jahr 1792 wurde seine Sinfonie Nr. 93 uraufgeführt und war bereits von Anbeginn ein großer Erfolg. Die beiden Ecksätze sind in einem schnellen Tempo vorgegeben. In den Mittelsätzen gibt es zunächst ein melodisches Cantabile und danach ein tänzerisches Menuett. Furios ist das Presto Finale mit einer zündenden Coda. Von Anfang bis Ende wurde das Publikum in Haydns Welt der kreativen Musikalität und Energie eingeführt, welche von der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen und Paavo Järvi unglaublich präzise und leidenschaftlich dargeboten wurde. Das Werk wurde in einer Weise interpretiert, die sowohl den klassischen als auch den modernen Ansprüchen gerecht wurde, und somit das Beste aus beiden Welten vereinte. Die Musiker der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen spielten mit außergewöhnlicher Technik und beeindruckendem Können. Besonders hervorzuheben sind die fabelhaften Hornisten und Trompeter, welche auf alten Natur-Blasinstrumenten spielten, was ein authentisches Hörerlebnis ergab. Die Balance zwischen den verschiedenen Instrumentengruppen war perfekt abgestimmt, sodass sich ein harmonisches und ausgewogenes Klangbild zeigte, welches einen starken emotionalen Ausdruck erzeugte. Paavo Järvi führte die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen mit großer Freude und Passion. Fabelhaft betonte er die tänzerischen Elemente. Immer wieder blitzte der Schalk aus seinen Augen. Äußerst treffsicher arbeitete Järvi jeden humoristischen Moment heraus und so durfte dann auch schon einmal das Solo-Fagott derb grunzen ….Ein Erlebnis!.

(c) Julia Baier

Solistin des Abends war die international gefeierte Cellistin Sol Gabetta. Diesmal war sie mit dem seltenen anzutreffenden Cellokonzert von Robert Schumann zu hören. Nur knapp zwei Wochen benötigte Robert Schumann, um sein Cellokonzert zu schreiben. Von der Form gleicht es eher einer Fantasie, drei Sätze in nahtlosen Übergängen.

Obschon es schwelgerisch liedhaft beginnt, so wollte Schumann einen leisen Beginn realisiert sehen und „nicht zu schnell“. Ein Widerspruch. Denn Schumanns Metronom-Angabe gibt ein flottes Tempo vor, das selten zu hören ist. Der langsame Satz ist ein Lied ohne Worte in stillem Zauber getränkt. Eine kurze Atempause. Doch dann kommt der spielerische und auch leicht skurril anmutende finale Satz. Frische und Humor sind hier kennzeichnende Elemente. Sol Gabetta ist zweifellos eine der herausragenden Cellistinnen ihrer Generation. Ihre Kunstfertigkeit und ihre interpretatorischen Fähigkeiten sind beeindruckend und haben sie zu einer der gefragtesten Solistinnen und Kammermusikerinnen unserer Zeit gemacht. In ihrer Interpretation des Schumann-Cellokonzerts zeigte Gabetta einmal mehr ihr spieltechnisches Können und ihre Gabe, die Musik klangschön zu gestalten. Ihre technische Fähigkeit und ihr feines Gespür für den Klang des Instruments waren deutlich zu hören. Dennoch fehlte es ihrem Spiel etwas an Leidenschaft und vor allem an Emotionalität. Es schien, als ob sie sich nicht vollständig mit der Musik und der Botschaft von Schumann verbunden fühlte. Obwohl Sol Gabetta zweifellos eine virtuose Cellistin ist, schien ihr Vortrag an diesem Abend etwas uninspiriert zu sein. Besonders in den langsamen Sätzen fehlte es ihr an emotionaler Tiefe, die das Publikum hätte intensiver berühren können. Nichtsdestotrotz war ihr Spiel einwandfrei und ihre Fähigkeit, das Cello zum Singen zu bringen, war unbestreitbar. Vor nicht langer Zeit spielte ihr Kollege Alban Gerhardt an gleicher Stelle das Werk und war damit vielfach eindrucksvoller zu erleben, weil er das Werk als musikalische Erzählung packend gestaltete. Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen spielte mit einer hervorragenden Präzision und dynamischen Ausdruck. Paavo Järvi führte das Orchester mit pulsierender Energie. Besonders hervorzuheben ist die Fähigkeit des Orchesters, die Stimmung und Atmosphäre von Schumanns Musik treffend zu erfassen und widerzuspiegeln. Die leisen, lyrischen Passagen wurden mit Zartheit gespielt, zuweilen trat dabei jedoch das Orchester zu sehr in den Hintergrund. Insgesamt war das Konzert ein schönes Erlebnis für die Zuhörer. Die Begeisterung der Zuhörer war andauernd, jedoch nicht überschäumend. Dafür gab es eine ungewöhnliche Zugabe. Sol Gabetta spielte die bekannte Arie des Lenski aus der Oper „Eugen Onegin“ von Peter Tschaikowsky. Auch hier war der Eindruck ähnlich ambivalent. Recht flott und diesseitig wurde dieser Abschiedsgesang an das Leben, eher als melancholische Frühlingsweise von Gabetta vorgetragen. Auch eine Möglichkeit, jedoch gestalterisch weit von der Ursprungsidee des Komponisten entfernt.

(c) Davod Maupile

Im zweiten Teil noch einmal Joseph Haydn. Seine Sinfonie Nr. 104 entstand Anfang 1795 in London und ist die letzte der von Haydn komponierten Sinfonien. Sie erhielt den Beinamen „Salomon“, benannt nach dem damaligen Konzertveranstalter. Diese finale Sinfonie zeigt einmal mehr die hohe Kunst von Haydns Kontrapunkt und seiner melodischen Brillanz. Die langsame Einleitung, im Fortissimo in einem fanfarenartigen Motiv beginnend, leitet ein Allegro von größter Dichte der motivischen Verzahnung ein, welches auf einen einzigen Gedanken gegründet ist. Harmonische Feinheiten neuer Art bringt der langsame Satz. Das schnelle Menuett, ein Walzer mit einem Trio, gefällt vor allem durch seine Solobeiträge verschiedener Instrumente. Die finale Melodie des Schlusses erinnert an einen Dudelsack. Haydn soll dabei von einem kroatischen Volkslied inspiriert worden sein. Insgesamt betrachtet, darf diese Sinfonie zurecht als finales Wort des großen Haydn gelten. Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen und Paavo Järvi verstanden es fabelhaft, die subtilen Nuancen und die dramatische Spannung der Musik in ihrer Aufführung umzusetzen. Besonders beeindruckend war die klangliche Homogenität des Orchesters und Lust am offensiv ausgespielten Rhythmus der Musik. Paavo Järvi als Dirigent führte das Orchester mit großem Elan durch das Stück. Auch der musikalische Witz kam dabei wieder nicht zu kurz. Die musikalische Dynamik im Vortrag war ungemein beeindruckend. Das Orchester und Paavo Järvi verstanden es meisterhaft, die vielen Kontraste der Musik bestens herauszuarbeiten und eine fesselnde Spannung aufzubauen. Die langsamen Passagen wurden mit Empfindung und Intensität vorgetragen, während die schnellen und virtuosen Passagen mit spielerischer Leichtigkeit und höchster Präzision ausgeführt wurden. Das Publikum war sehr begeistert von dieser so besonderen Aufführung. Als Zugabe gab es eine echte Überraschung: Eine umwerfend spritzig vorgetragene Tritsch-Tratsch Polka von Johann Strauss.

Dirk Schauß, 10. Mai 2023


Besuchtes Konzert in der Alten Oper Frankfurt am 08. Mai 2023

Joseph Haydn

Sinfonie Nr. 93 D-Dur

Robert Schumann

Cellokonzert a-moll Op. 129

Joseph Haydn

Sinfonie Nr. 104 „Salomon“

Sol Gabetta, Violoncello

Deutsche Kammerphilharmonie Bremen

Paavo Järvi, Leitung