Frankfurt, Konzert: „Mozart“, Orchestre des Champs-Elysées unter Philippe Herreweghe

Das Pro Arte Konzert in der Alten Oper am 27. November 2023 stand ganz im Zeichen von Wolfgang Amadeus Mozart. Das Orchestre des Champs-Elysées und das Collegium Vocale Gent unter der Leitung von Philippe Herreweghe brachten zwei seiner Werke zur Aufführung: die Sinfonie Nr. 35 D-Dur KV 385, bekannt als „Haffner-Sinfonie“, und das Requiem d-Moll KV 626, das letzte und unvollendete Werk des Salzburger Komponisten. Die „Haffner-Sinfonie“ entstand 1782 als Auftragswerk für die Familie Haffner, die Mozart zu Ehren ihres Sohnes, der zum Ritter geschlagen wurde, ein festliches Konzert veranstalten wollte. Die Sinfonie zeichnet sich durch einen lebhaften und spritzigen Charakter aus, der die festliche Stimmung des Anlasses widerspiegelt. Herreweghe und sein Orchester spielten die Sinfonie mit viel Schwung und Eleganz, wobei sie die kontrastierenden Themen und die feinen Nuancen der Partitur klar herausarbeiteten.

(c) Hendryckx

Die historischen Instrumente verliehen dem Klang eine besondere Wärme und Transparenz. Faszinierend, wie natürlich der musikalische Fluss zu erleben war und wie zupackend Herreweghe mit dem Orchestre des Champs-Elysées Mozart gestaltete. Ein kurzweiliger Dialog pointiert vorgetragen in vielfältiger Farbgebung und flottem Tempo. Das Requiem d-Moll KV 626 ist eines der berühmtesten und rätselhaftesten Werke der Musikgeschichte. Mozart begann es 1791 im Auftrag eines anonymen Bestellers, der sich später als Graf Franz von Walsegg herausstellte, der das Werk als sein eigenes ausgeben wollte. Mozart konnte das Requiem jedoch nicht vollenden, da er am 5. Dezember 1791 im Alter von 35 Jahren starb. Sein Schüler Franz Xaver Süßmayr vervollständigte das Werk nach Mozarts Skizzen und Anweisungen. Der musikwissenschaftliche Umgang mit diesem Werk ist seltsam eigen. Obwohl der Einfluss von Süßmayr auf dieses Werk sehr umfassend ist, gilt diese Komposition als Mozarts Werk. Bei Gustav Mahlers zehnter Sinfonie, die wesentlich mehr Musik des Komponisten enthält als bei Mozart, rümpfen immer noch zu viele Musiker und Wissenschaftlicher die Nase, weil sie der irrigen Meinung sind, dass die Vervollständigungen zu weit von Mahler entfernt seien. Ein Irrtum. In Mozarts Requiem, das von großer Schönheit und Tiefe ist, wird die Trauer, die Hoffnung und den Glauben an das ewige Leben bewegend zum Ausdruck gebracht. Phillipe Herreweghe und seine Ensembles gestalteten das Werk mit viel Sensibilität und Ausdruckskraft, wobei sie die lyrischen Momente besonders hervorhoben. Herreweghe verbreitete eine große Ruhe und Gelassenheit in seinem Dirigat. Mit wenig äußerlichem Aufwand verstand er es, den musikalischen Vortrag unter einem fortlaufenden großen Bogen zu stellen. Das Orchester spielte sehr präzise und klar, wobei es genau die dynamischen und harmonischen Spannungen der Musik einfing.

(c) Joscelin Renaud

Die historischen Instrumente wirkten überaus homogen und schlank in der Tongebung. Herreweghe wählte auch in diesem Werk eine überaus flotte Gangart, worunter allerdings Dramatik und Rhythmus etwas litten. Insgesamt wirkten die großen Steigerungsmöglichkeiten arg zurückgenommen. Der fabelhafte Chor des Collegium Vocale aus Gent sang mit vorbildlicher Homogenität und sehr sicherer Intonation, was sich vornehmlich in den Fugen, den Chorälen und den Solopassagen gut erleben ließ. Die dynamische Bandbreite der Sängerinnen und Sänger war groß, ihre hohe Sangesfreude allgegenwärtig. Mustergültig war die fein ausgewogene Vielstimmigkeit der einzelnen Stimmgruppen. Perfekter Chorgesang, ein starkes Erlebnis! Das Solistenquartett, bestehend aus Mari Eriksmoen (Sopran), Eva Zaïcik (Mezzosopran), Ilker Arcayürek (Tenor) und Samuel Hasselhorn (Bass), überzeugte nur bedingt. Die Sopranistin Mari Eriksmoen überstrahlte mit ihrem herrlichen obertonreichen Sopran ihre Mitsänger sehr deutlich. Was für eine herrliche, seelenvolle Stimme. Sopranglanz allererster Güte. Ein großer Genuss! Eva Zaïcik (Mezzosopran) und Ilker Arcayürek (Tenor) komplettierten zuverlässig, wobei dem Tenor ein einschmeichelndes Timbre leider nicht gegeben ist, dafür mit kultiviertem Legato gefiel. Wer auf die Idee kam, die Bass Partie mit dem lyrischen Bariton von Samuel Hasselhorn zu besetzen, erwies dem Sänger keinen guten Dienst. Mit kleiner, wenn auch wohltönender Stimme mühte er sich vergeblich, in der Bass-Lage vokale Substanz zu realisieren, was nicht in den Möglichkeiten seiner Stimme war. Hier wäre eine sonore Bass-Stimme die adäquatere Wahl gewesen. Darunter litt vor allem das „Tuba mirum”, da Hasselhorn beim Abstieg in die tiefe Lage kaum mehr zu hören war. Dies war umso bedauerlicher, weil die vier Solisten abwechselnd mit dem Posaunensolo gut dialogisierten. Im „Recordare” verschmolzen die vier Stimmen in einem zarten Quartett, und das „Lacrimosa” geriet zum ergreifenden Flehen um Gnade. Das Publikum in der Alten Oper war von der Aufführung hörbar begeistert und spendete den Künstlern langanhaltenden Applaus.

Dirk Schauß, 28. November 2023


Konzert in der Alten Oper Frankfurt
am 27. November 2023

Werke von Wolfgang Amadeus Mozart

Orchestre des Champs-Elysées
Collegium Vocale Gent
Philippe Herreweghe, Leitung