Dessau: „Der Troubadour“

Premiere Dessau 22.01.2016 – Wiederaufführung am 21.06..2017

Die Musik begeistert wie vor über 100 Jahren

Erstmals bin ich nach Dessau ins Anhaltische Theater gefahren und ich muss zugeben, dass es sich gelohnt hat. Mit einer größeren Gruppe waren wir in den „Elbterrassen zu Brambach“ untergebracht, ein herrliches Ambiente, vorzügliches Essen und ein Kaiserwetter wie aus dem Bilderbuch, was will man mehr. Dass wir uns noch die Wörlitzer Anlagen angesehen und mit einer längeren Bootsfahrt gekrönt haben, war ein Highlight dieser Fahrt. Und noch etwas mussten wir feststellen, es gibt in Dessau so viel zu sehen und zu erleben, dass man unbedingt öfter hinfahren muss, um alles in sich aufzunehmen. Am Spätnachmittag gingen wir dann zum nächsten Highlight, der Wiederaufnahme von Giuseppe Verdis „Der Troubadour“ und diese Wiederaufnahme vom letzten Jahr wurde begeistert aufgenommen. Die Besetzung war praktisch dieselbe, nur der Manrico wird in dieser Aufführungsreihe anders besetzt, aber dazu komme ich später.

An der etwas verworrenen Handlung des „Troubadours“ hat sich nichts geändert und man braucht etwas Zeit um durchblicken. Die herrliche Musik Verdis und die schönen Stimmen in Dessau, versüßen einem aber die Handlung. In Kurzform (was sehr schwierig ist) lässt sich die Oper wie folgt zusammenfassen. Graf Luna hat sich in die Hofdame Leonora verliebt und will sie für sich gewinnen. Er befürchtet, dass ein geheimnisvoller Mann, Manrico, der ihr Ständchen bringt, sie ihm wegnehmen könnte. Die Geschichte erzählt dass der Graf, dessen Sohn Luna ist, noch ein zweites Kind hat. Eine Zigeunerin hatte den beiden Kindern die Zukunft vorausgesagt, wurde für eine Hexe gehalten und verbrannt. Im Sterben bittet sie ihre Tochter Azucena sie zu rächen. Azucena raubte daraufhin einen der Grafensöhne und wollte ihn verbrennen, warf aus Versehen aber ihr eigenes Kind in die Flammen. Manrico wird von ihr daraufhin als ihr Sohn aufgezogen. Manrico und Luna sind Todfeinde, durch die Liebe zur selben Frau noch mehr. Azucena quälen die Erinnerungen an die Vergangenheit und sie will nur eines: Rache. Bei einer Belagerung wird Azucena gefangengenommen und soll auf dem Scheiterhaufen hingerichtet werden. Ihr mutmaßlicher Sohn Manrico will sie retten, wird aber gefangengenommen und soll am nächsten Tag ebenfalls hingerichtet werden. Leonora bittet Luna um das Leben Manricos und verspricht sich ihm dafür hinzugeben. Gleichzeitig nimmt sie Gift um dem Grafen zu entgehen. Leonora, vom Tod gezeichnet kommt in den Kerker um Manrico die Botschaft seiner Freilassung zu überbringen. Zuerst glaubt er ihr nicht, als er aber das Opfer erkennt, dass sie für ihn gebracht hat, verzweifelt er. Luna hat alles mitbekommen und lässt Manrico hinrichten, der neben der toten Leonora niedersinkt. Azucena enthüllt Luna nun die schreckliche Wahrheit: „Er, den Du getötet hast, war Dein Bruder. Sie bricht mit den Worten: „Gerächt habe ich Dich o Mutter“ zusammen.

Der große Tenor Enrico Caruso hatte einmal erklärt, dass man für eine erfolgreiche Aufführung des „Troubadour“ nur die vier besten Sänger der Welt brauche. Und an dieser Aussage hat sich bis heute nichts geändert. Und Dessau kommt schon verdammt nahe an diese Aussage heran. Inszeniert wird die dramatische Mär von Rebecca Stanzel uns sie tut dies einfach und schnörkellos. Es wird nichts hineingedeutet, die blutige Geschichte wird stimmig erzählt. Ein eigentlich spartanisches, aber dennoch beeindruckendes Bühnenbild und zurückhaltende Kostüme werden von Markus Pysall beigesteuert. Die einzigen Requisiten sind eigentlich Autoreifen in allen Variationen, die eigentlich für alles dienen. Na gut, mein Geschmack ist es zwar nicht so, aber es stört nicht weiter – und das ist heutzutage schon viel. Alles ist nüchtern und zweckgebunden und lenkt daher das Auge (und das Ohr) des Betrachters auf das eigentlich ausschlaggebende, die Musik. Videoeinspielungen von Barbara Janotte sorgen für weitere Stimmung, meist düster und beeindruckend.

Am Dirigentenpult steht Wolfgang Kluge und er macht seine Sache sehr gut. Er führt die Anhaltische Philharmonie Dessau mit starker, kräftiger und zupackender Hand, ist aber auch in der Lage, die Wogen des Orchesters bei den ruhigeren Gesangspassagen sängerfreundlich etwas zurückzunehmen. Der Opernchor des Anhaltischen Theaters Dessau, verstärkt durch den Extrachor des Anhaltischen Theaters Dessau wird von Sebastian Kennerknecht geleitet. Er hat ihn gut einstudiert, der Chor ist immer präsent, ausdrucksstark, kraft- aber auch gefühlvoll. Auch hier eine Leistung, die mehr als zufriedenstellt.

Rita Kapfhammer – Chor

Als Leonora erlebt man Kammersängerin Iordanka Derilova. Die in Sofia geborene Ausnahmesängerin ist seit 2003 eine der Stützen in Dessau. Ihr kraftvoller durchschlagskräftiger Sopran kostet alle Noten aus, leidenschaftlich und mit hochdramatischem Ausdruck, den sie jedoch auch zurücknehmen kann, singt sie nicht nur die Leonora, sondern sie lebt sie. Darstellerisch schöpft sie aus ihrer reichen Erfahrung und gestaltet die Partie in allen Nuancen. Eine nicht nur überzeugende, sondern eine beeindruckende Leistung. Darstellerisch kann ihr nur eine noch das Wasser reichen und das ist die in Bad Tölz geborene Mezzosopranistin Rita Kapfhammer. Bei ihr weiß man, warum die Oper eigentlich „Azucenas Rache“ heißen sollte. Ihre farbenreiche, tiefe und dunkle Stimme, die sie in allen Facetten erstrahlen lassen kann, lässt zuweilen Schauer über den Rücken kriechen. Sie verkörpert die Zigeunerin so intensiv, dass man den Eindruck hat, die gequälte und vom Schicksal getriebene ist sie tatsächlich. Eine exzellente Leistung, die auch vom Publikum, wie für das ganze Ensemble, honoriert wird. Völlig unangestrengt, endlos kraftvoll, alles durchdringend und mit einem durchhaltungsfähigen und ausdrucksstarken Prachtbariton weiß der in Bremervörde bei Hamburg geborene Kammersänger Ulf Paulsen, der seit 2001 in Dessau angestellt ist, in jeder Weise zu überzeugen. Auch darstellerisch lässt er keine Wünsche übrig und im Zusammenspiel mit Iordanka Derilova merkt man die jahrelange Zusammenarbeit, die die beiden sich fast blind verstehen lässt.

Neu in der Wiederaufnahme ist der aus Texas stammende Tenor Ray M. Wade jr., der den Manrico gibt. Am Anfang etwas zurückhaltend, steigert er sich im Verlauf der Oper immer mehr und kann auch gestalterisch punkten, wenngleich er da noch ein bisschen zulegen kann. Sein warmer, geschmeidiger und hell timbrierter Tenor weiß mit kraftvollem Forte und leuchtenden Spitzentönen, wie auch mit dem Zurücknehmen der Stimme für sich einzunehmen. Insgesamt stehen hier vier ausgezeichnete Vertreter ihrer Gattung auf der Bühne, eine der Hauptvoraussetzungen um „Il trovatore“ zu einem Erfolg werden zu lassen. Erfreulich ist auch, dass es bei den kleineren Partien keinen Ausfall gibt, dass alle sorgfältig ausgewählt worden sind und ihre Partien ausfüllen und damit zum Erfolg der Aufführung maßgeblich beitragen. Als Inez weiß sich Gerit Ada Hammer in Szene zu setzen, als Ferrando hat Dominic Barberi keine Probleme, als Ruiz und als Bote ist David Ameln an diesem Spätnachmittag auf der Bühne präsent und Cezary Rotkiewicz kann dem alten Zigeuner Gestalt verleihen.

Ein beeindruckender Troubadour in einem wunderschönen Theater, in einer Stadt, welche viele Schönheiten zu bieten hat, was will man eigentlich noch mehr. Für mich ist klar, dass dies nicht der einzige Besuch in Dessau bleiben wird.

Manfred Drescher, 29.06.2017

Fotos 1 bis 3 Claudia Heysel, Foto 4 Der Opernfreund