Salzburg: „Lady Macbeth von Mzensk“

Großes Festspielhaus 15.8.17 (Premiere 2.8.)

Überwältigender Orchesterklang

Unter den Angeboten des neuen Intendanten Markus Hinterhäuser an Opernkompositionen des 20. Jahrhunderts sticht das Werk des bei seiner Entstehung 25-jährigen Dmitri Schostakowitsch durch die Qualität seiner orchestralen Wiedergabe wohl besonders hervor, denn Mariss Jansons und die Wiener Philharmoniker waren schlicht eine Offenbarung. Trotz der großen Blech- und Schlagzeugbesetzung blieb der Klang immer durchsichtig und entfaltete geradezu soghafte Wirkung. Die Zwischenspiele, die bissigen, ironischen Walzer- und Polkaklänge dieses genialen Wurfs ergaben eine rauschhafte Wirkung, der man sich als Hörer nicht entziehen konnte (und schon gar nicht wollte).

Wegen anhaltender Krankheit von Nina Stemme wurde am besprochenen Abend die Titelrolle neuerlich von Evgenia Muraveva vrekörpert, die in der Originalbesetzung als Köchin Aksinja und Zwangsarbeiterin zu hören gewesen war. Das zierliche Persönchen verfügt über eine große, gut sitzende Stimme, mit der die explosiven Ausbrüche der Titelfigur ausgezeichnet bewältigt wurden. Als Persönlichkeit unterschied sie sich vermutlich von Stemme – sie schien mir jedenfalls in ihrem Aufbegehren gegen ihre häusliche Lage weniger nachdrücklich als in ihren kurzen Glücksmomenten bei der Hochzeit mit Sergej. Dieser wurde von Brandon Jovanovich überzeugend zwielichtig und schmierig mit kraftvollem, nicht unbedingt schönem, aber gut zur Rolle passendem Tenor gegeben.Katharinas fiesen Schwiegervater Boris hätte man sich in der Charakterisierung durch Dmitry Ulyanov schleimiger in seinen Annäherungsversuchen an die Frau seines Sohnes vorstellen können, aber der Bass drückte mit seiner eher tell timbrierten Stimme die Bösartigkeit und den Machtwillen des Alten sehr gut aus. Der quäkende Tenor des Ukrainers Maxim Paster als Katharinas in jeder Hinsicht inpotenter Ehemann Sinowi passte hervorragend zu diesem ungustiösen Geschöpf.

Der Tenor Andrei Popov entwarf eine ausgezeichnete Charakterstudie als Der Schäbige, der die Leiche des ermordeten Sinowi entdeckt und mit dieser Enteckung zur Polizei rennt. Hier gefiel der russische Bariton Aleksey Shishlyaev als gelangweilter Polizeichef, dem der schönstimmige Bass von StanislavTrofimov als betrunkener Pope bei der Hochzeitsfeier Katharinas mit Sergej Paroli bot. Ksenia Dudnikova war eine aufreizende Sonetka mit auffallend schönem Mezzo, und auch der Bass von Andrii Goniukov als Alter Zwangsarbeiter fiel positiv auf. Tatiana Kravtsova ersetzte die zur Titelrollenträgerin avancierte Muraveva in den dieser ursprünglich zugedachten Rollen. Ein nachdrückliches Pauschallob geht an die Vertreter der Kleinstrollen dieser mit Ausnahme von Jovanovich ausschließlich russischen und ukrainischen Besetzung.

Überzeugend fiel auch die Regie von Andreas Kriegenburg aus, dem es vor allem gelungen ist, die Massenszenen überzeugend wiederzugeben, wobei ihm die phantastische Chorvereinigung Wiener Staatsopernchor in der hervorragenden Einstudierung durch Ernst Raffelsberger auch szenisch eine große Unterstützung war. Eine grundlegende Voraussetzung für dieses Gelingen war die Bühne von Harald B. Thor, wo sich vor großen Wirtschaftsgebäuden mit einer Art Loggien die Bilder ohne Umbaupause mit wenigen Drehbewegungen ändern ließen, um Katharinas Schlafzimmer, die Polizeistation oder ein Gefängnis zu zeigen. Besondere Bedeutung kam da auch dem Licht von Stefan Bolliger zu, das die Szene jedes Mal völlig anders erscheinen ließ. Die Kostüme von Tanja Hofmann waren in bestem Sinne unauffällig, da sie der Handlung angepasst waren. Die Gewaltszenen waren zwar ausgespielt, wurden aber nie übertrieben. Nur der berühmte Koitus glich mehr einer Vergewaltigung als wild ersehnter Vereinigung.

Ganz großer Jubel für alle und Ovationen für Jansons.

Eva Pleus 17.8.17

Bilder: Salzburger Festspiele / Thomas Aurin