Schweinfurt: „Die Zirkusprinzessin“, Emmerich Kálmán

Besuchte Vorstellung 18.02.2020, Premiere 21.12.2019

Herrlich altmodische Inszenierung des unverwüstlichen Operettenschlagers

Warum gehe ich so gerne in das Theater nach Schweinfurt. Vor allem, weil dessen Theaterleiter Christian Federolf-Kreppel, und ich kann es bei jedem Besuch nur immer wiederholen, ein ausgesprochenes Händchen für publikumsnahe Aufführungen und Bühnen hat und weil er damit nicht nur für tolle Stimmung, sondern auch für ein volles Haus sorgt. Im Programmheft erläutert Regisseurin Nicole Claudi Weber unter anderem, dass eine besondere Liebe bei ihr zur Operette vorhanden ist und sie sich gerne an die Wochenenden bei ihrer Oma erinnert und im Fernsehen (damals ja noch an der Tagesordnung, heutzutage nur Wüste) herrliche farbenprächtige Operetten sah, bei denen man so richtig eintauchen und die Alltagssorgen ablegen konnte. Und in dieser Erinnerung hat sie die Zirkusprinzessin auf die Bretter, die die Welt bedeuten gestellt. Keine Experimente, keine Neu- und Umdeutungen, nein, die Handlung einfach so wiedergeben, wie sie geschrieben wurde. Und dies ist äußerst erfrischend und belebend und erzählt wird die ganze Geschichte über die allgegenwärtigen Clowns, die vom Ballett ausgezeichnet dargestellt werden. Farbenprächtig und dem Zirkus angepasst auch die Kostüme von Götz Lanzelot Fischer, hier wird nicht nur etwas für die Ohren, sondern auch für die Augen geboten. Alle drei Akte spielen im Zirkusmilieu, selbst der 3. Akt aus dem Hotel „Erzherzog Karl“ in Wien. Das Ballett des Theaters Hof, darf sich in der gekonnten und geglückten Choreographie von Barbara Buser so richtig austoben und man merkt ihnen allen an, welchen Spaß es ihnen macht. Das Zirkusmärchen um den geheimnisvollen im Zirkus auftretenden Mister X, der von Prinz Sergius als vermeintlicher Adliger engagiert wird, um sich an der Fürstin Fedora Palinska zu rächen, die ihn gedemütigt und abgewiesen hat, ist geeignet um schöne Märchen auf die Bühne zu zaubern, vor allem, wenn es dann noch das Buffopaar gibt, und etliche weitere Darsteller, die das ganze so richtig rund machen – und dann natürlich die obligatorischen Clowns. Insgesamt eine bunte abwechslungsreiche mit schönen musikalischen Höhepunkten versehenen Handlung.

Die Hofer Symphoniker werden von dem in Düsseldorf aufgewachsenen Michael Falk geleitet und hier gibt es einige leichte Probleme. Der sehr junge Kapellmeister, der in Hof als 2. Kapellmeister fungiert, stürzt sich voller Eifer und mit aller Leidenschaft, die er zweifelsohne besitzt, in diese Aufgabe. Dabei übersieht er ein bisschen, dass das Orchester vor allem auch auf die Sänger Rücksicht nehmen sollte. Im ersten Teil vor der Pause jedoch lässt er das Orchester mehr als auftrumpfen und überdeckt die Gesangstimmen teilweise gnadenlos. Die armen Sängerdarsteller, die ihr Bestes geben, können einem richtig ein bisschen leidtun. Nach der Pause, als wenn es eine Eingebung gegeben hätte, agiert Michael Falk wesentlich zurückhaltender, sängerdienlicher und damit auch überzeugender. Sein Orchester hat er in jedem Fall voll im Griff, nach der Pause lockert er diesen Griff Gott sei Dank etwas, so dass die Sänger mehr zur Geltung kommen. Überzeugend auch der Opernchor des Theaters Hof, der von Roman David Rothenaicher einstudiert und exzellent auf die Aufgaben vorbereitet worden ist. Chor und Ballett sind gerade in dieser Aufführung ausgesprochene Aktivposten, die viel zum Erfolg der Operettenaufführung beitragen.

Und nun zu dem, was aus meiner Sicht das Wichtigste und auch Eindrucksvollste bei einer guten Operette sein sollte, woran sie aber leider oft scheitert, das sind die Sänger. Und hier auch ein großer Pluspunkt der gesamten Aufführung. Bis auf einige kleine Anmerkungen gibt es keine groben Ausfälle, alles ist stimmig, die Stimmen passen zueinander und alle geben ihr Bestes. Man merkt auch, wie sich die einzelnen Darsteller in die Rollen hineinversetzen und man merkt ihnen auch an, wieviel Spaß ihnen dieser Abend bereitet und wie sie auch aufeinander eingehen und damit eine stimmige Aufführung ermöglichen. Dem Publikum jedenfalls gefällt es, der langandauernde heftige Applaus belegt es eindrucksvoll.

Als Fürstin Fedora Palinska erleben wir die junge in Hamburg geborene Sopranistin Sophie Magdalena Reuter. Es ist ihre erste Spielzeit in Hof und man kann dem Theater zu dieser Verpflichtung nur gratulieren. Sie bringt eine zauber- und mädchenhafte, sehr jugendliche Fürstin auf die Bühne. Ihren hellen klaren höhensicheren Sopran kann sie ausdrucksstark und natürlich zur Geltung bringen. Ein ungezwungenes, lockeres und leichtes Spiel kommt dazu. Sie sieht blendend aus und verdreht sicher auch etlichen Herren im Parkett den Kopf, singt und spielt mit Anmut und Grazie, äußerst charmant und einfach beeindruckend. Ihre silbrig perlend gesetzten Töne, die warm und anschmiegsam sind, verzaubern nicht nur ihren Mister X. Man sollte versuchen, sie so lange wie möglich an der Bühne zu behalten. Eine ganz ausgezeichnete Leistung und in kürzester Zeit haben wir wieder eine Operettendiva, die leider in den letzten Jahren sehr rar geworden sind. Als ihren Mister X können wir den in Südkorea und seit 3 Jahren in Hof engagierten Tenor Minseok Kim erleben und hier bin ich etwas hin- und hergerissen. Vor allem vor der Pause hat er für mich einfach zu wenig Feuer, zu wenig Leidenschaft, die hohen strahlenden Spitzentöne, wie bei den berühmten „Zwei Märchenaugen“ fehlen etwas, man hat den Eindruck, dass er sich ein bisschen zu sehr zurücknimmt. Gut, es kann auch, gerade im ersten Teil, an dem etwas zu dominanten Orchester liegen, denn nach der Pause steigert er sich erheblich, sein heller, geschmeidiger weicher Tenor weiß nun, vor allem auch in den Duetten mit der Fürstin mehr zu punkten und sichert auch ihm den wohlverdienten herzlichen Applaus des Publikums. Er ist ja auch noch relativ jung und kann sich mit Sicherheit weiter steigern, man kann gespannt darauf sein, wie er sich noch weiter entwickeln wird.

Thilo Andersson – Minseok Kim und Ensemble

In der Rolle der Jongleurin, Miss Mabel Gibson erleben wir die junge, in Düsseldorf geborene Yvonne Prentki, die erst seit dieser Spielzeit in Hof engagiert ist. Sehr engagiert, quirlig und zu ihrem Toni Schlumberger passend, gestaltet sie die Rolle. Ihr schöner, warmer, ins Ohr gehender Sopran ist gefällig, aber leider noch nicht durchschlagskräftig genug. Ein kleines bisschen zu schwach, aber das ist etwas, was sich mit den Jahren in jedem Fall verbessern kann. In wieweit dies auch dem übermächtigen Orchester geschuldet ist, kann man nicht genau feststellen. Ein liebenswertes und engagiertes Spiel kommt dazu und wenn die Stimme noch etwas stabiler wird, kann sie ihren Weg machen. Toni Schlumberger, der Sohn der Besitzerin des Hotels „Erzherzog Karl“ was auch im Stück zu einigen Verwirrungen führt, wird von dem in Coburg geborenen jungen Tenor Markus Gruber dargeboten. Sein kräftiger, robuster, aber auch stimmschöner und weicher Spieltenor hat sich in den letzten Jahren erheblich weiterentwickelt. Dazu auch eine ausgesprochene Spielfreude und ein teilweise überschäumendes Temperament. Viel Beifall für das Buffopaar, das es sich auch wahrlich verdient hat. Als der rachsüchtige Prinz Sergius Wladimir ist ein wahres Hofer Urgestein zu erleben, der in Frankfurt am Main geborene und seit fast 20 Jahren am Theater Hof engagierte Buffotenor Thilo Andersson. Bei ihm steckt das Theaterblut in jedem Finger und so tritt er auch auf, vollkommen souverän, stimmlich ohne Fehl und Tadel, beweglich, ausdrucksstark, voller Spielfreude und Temperament. Ein Eckpfeiler besonderer Güte am Theater Hof und heute hier auf der Bühne in Schweinfurt. In ihren kleinen Rollen völlig rollendeckend und ohne jeglichen Ausfall Hans Peter Pollmer als Graf Saskusin, Christian Seidel als Leutnant von Petrowitsch, Thomas Harry als Baron Peter Brusowsky, Peter Porzelt als Baron Rasumowsky und Hotelgast und Elias Westerhoff als Piccolo Maxl.

Minseok Kim-Sophie Magdalena Reuter und Ensemble

Sehr gut macht seine Sache auch der Bariton James Tolksdorf, der in Dortmund geboren und seit 5 Jahren in Hof engagiert ist, als Zirkusdirektor Stanislawski. Immer präsent, immer mit vollem Einsatz, engagiert bis in die Haarspitzen. Und dann sind noch zwei zu nennen, die das Salz in der Operettensuppe darstellen. Einmal ein weiteres Hofer Urgestein, 17 Jahre in Hof engagiert, in Kitzingen am Main geboren und als Alt in der Rolle der Carla Schlumberger, der Besitzerin des Hotels „Erzherzog Karl“, eine wahre Gestaltungskünstlerin, Stefanie Rhaue. Sie erfreut nicht nur mit einer überzeugenden spielerischen Darstellung, auch bei ihr ist das Theaterblut zu sehen und zu hören. Sie hat auch zwei berührende musikalische Auftritte, die das Publikum mit großem Beifall honoriert. Und als Oberkellner Pelikan, der seine Chefin seit Jahrzehnten liebt und verehrt ist der in Braunschweig aufgewachsene Schauspieler Thomas Hary in einer Glanzrolle zu erleben. Der Auftritt der beiden gehört zu den Highlights der Operette.

Herzlicher, langanhaltender, teilweise frenetischer Applaus am Ende. Die Operette hat, allen Unkenrufen zum Trotz, wieder einmal gezeigt, dass sie unsterblich ist. Zwei Stunden abschalten vom Alltag, sich hineinversetzen in die Märchenwelt der Operette und in den herrlichsten Melodien zu schwelgen. Was kann man denn mehr verlangen. Aufführungen mit Herzblut und die Freunde auf die kommenden Aufführungen.

Manfred Drescher, 22.02.2020

Fotos (c) Harald Dietz, Hof