Karlsruhe: „Die schweigsame Frau“, Richard Strauss

© Felix Grünschloß

.Zu einem in jeder Beziehung ungetrübten Vergnügen geriet die Aufführung von Strauss‘ Die schweigsame Frau am Badischen Staatstheater Karlsruhe. Bei dieser selten gespielten Oper handelt es sich um eine absolute Rarität. Manchem dürfte die Handlung bekannt vorkommen. Sie erinnert stark an den Don Pasquale. Das ist indes nicht weiter verwunderlich, denn Strauss‘ Oper und Donizettis Werk gehen beide auf dieselbe Vorlage zurück, nämlich Ben Jonsons Epicoene or the silent woman. Das Ende ist in der Oper indes anders als in Epicoene. Dort entpuppt sich die schweigsame Frau schließlich als Mann, bei Strauss dagegen ist und bleibt sie die Frau Aminta.

Es ist schon ein munteres Feuerwerk verschiedenster heiterer Einfälle, die Strauss und sein Librettist Stefan Zweig hier auf die Bühne bringen. Das dieses überaus kurzweilige Werk im Repertoire der Opernhäuser lediglich ein ausgemachtes Schattendasein führt, hat politische Gründe. Am 24. Juni 1935 an der Dresdener Oper unter der Stabführung von Karl Böhm aus der Taufe gehoben, wurde sie bereits nach wenigen Aufführungen wieder abgesetzt.

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Die Uraufführung fiel in die Zeit des Nationalsozialismus, in dem Juden verhasst waren. Und Stefan Zweig war Jude. Aus diesem Grund wollte die Leitung der Dresdener Oper ihn auf dem Plakat der Uraufführung nicht nennen. Strauss, der damals Präsident der Reichsmusikkammer war, protestierte vehement dagegen und bestand darauf, dass sein Textdichter namentlich genannt wurde. Man entsprach dem Willen des Komponisten, was aber Folgen hatte. Hitler und Goebbels, die sich ursprünglich beide zur Premiere angesagt hatten, blieben der Aufführung dann doch fern. Im Folgenden boykottierten die braunen Machthaber die Schweigsame Frau, bis diese schließlich abgesetzt wurde. Es dauerte nicht lange, bis Strauss von seinem Amt als Präsident der Reichsmusikkammer zurücktrat. Stefan Zweig beging bekanntermaßen Selbstmord. Damit waren die Voraussetzungen für einen Spielplanrenner, die bei fast allen anderen Opern von Strauss in hohem Maße gegeben waren, erloschen. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg konnte sich die Schweigsame Frau nicht mehr an den unterschiedlichen Opernhäusern des In- und Auslandes etablieren. Einige wenige Aufführungen bei den Salzburger Festspielen, bereits vor einigen Jahrzehnten in Karlsruhe, an der Bayerischen Staatsoper und in Kiel konnten daran nichts ändern. Die Menge an Produktionen des Stückes blieb sehr überschaubar.

Dass das Werk jetzt wieder den Weg an das Badische Staatstheater Karlsruhe gefunden hatte, ist GMD Georg Fritzsch zu verdanken, der bei dieser Vorstellung auch am Pult stand. Die große Liebe des Dirigenten zu dieser Oper war von Anfang an zu spüren. Zusammen mit der bestens disponierten Badischen Staatskapelle erzeugte er einen weichen, getragenen und an Mozart geschulten Klangteppich. Herrlich lotete er die lyrischen Stellen aus und stellte gekonnt die reichhaltigen Zitate aus der Musikgeschichte heraus. Aber die lärmenden Stellen vernachlässigte er ebenfalls nicht. Dabei blieb er den Sängern, die er an keiner Stelle zudeckte, stets ein umsichtiger Begleiter und nahm zu jeder Zeit auf ihre Bedürfnisse Rücksicht. Leider hatte er ganz schön den Rotstift angesetzt, so dass man die Oper an diesem späten Nachmittag nur gekürzt hören konnte.

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Für die Inszenierung zeichnete die französische Regisseurin Mariame Clément verantwortlich. Sie und ihre Bühnen- und Kostümbildnerin Julia Hansen haben gute Arbeit geleistet. Was sie auf die Bühne brachten, war durchgängig heiter, witzig und temporeich, die Personenregie flüssig und intensiv. Gekonnt hat das Regieteam das Geschehen in unsere Gegenwart verlegt, was dem Stück gut tut. Erst im dritten Aufzug werden bei den Kostümen einige konventionelle Elemente mit einbezogen. In erster Linie kommt es Frau Clément darauf an, den zwischen Sir Morosus und seinem Neffen Henry bestehenden Generationenkonflikt aufzuzeigen. Das gelingt ihr vorbildlich. Auch Gendern wird in dieser Produktion ganz groß geschrieben. Das hätte vielleicht nicht sein müssen. Wenn sich der Vorhang öffnet, erschließt sich dem Blick das langgezogene Wohnzimmer des Sir Morosus. An der Hinterwand hängen zahlreiche Bilder mit Schiffen. Man merkt, dass hier ein Seemann lebt. Rechts befindet sich ein Bett und links sieht man einen Stuhl sowie einen Fernseher. Im zweiten und im dritten Aufzug ist dieser Raum auf die linke Seite gezogen worden. Jetzt erblickt man nur noch seinen knappen rechten Teil mit dem Bett. In der Mitte der Bühne befindet sich der Empfangsraum von Sir Morosus, in dem dieser die drei verkleideten Sängerinnen, die kokette Isotta, den bayerischen Bauerntrampel Carlotta und die Protagonistin Aminta alias Timida empfängt. Ein dritter Raum auf der rechten Seite dient der Operntruppe von Vanuzzi zum Umkleiden und zur Vorbereitung ihres derben Spaßes mit dem Hausherrn. Papageien- und transvestitenmäßig geht es dabei zu. Morbio erscheint als Notarin, Farfallo traditionell als Seemann, der die Nachbarn per Handy zur Hochzeitsfeier einlädt, bei der es ausgesprochen laut zugeht, was den Ohren von Sir Morosus gar nicht behagt. Insbesondere hier im zweiten Aufzug lässt es die Regisseurin ganz schön krachen. Sie versteht es wahrlich  vortrefflich, dem Affen Zucker zu geben und das Publikum auf sehr kurzweilige Art und Weise zu unterhalten. Langweilig wird es wirklich nie, Leerläufe stellen sich an keiner Stelle ein. Diese ausgelassene Munterkeit nimmt auch im dritten Aufzug ihren Fortgang, in dem Sir Morosus zum Schluss seine Ruhe wieder findet und ganz allein auf der Bühne verbleibt. Das im Programmheft wiedergegebene Fazit der Regisseurin für ihren gelungenen zeitgenössischen Ansatzpunkt lautet: Oper kann…für einen alten Morosus heute doch eine gewisse Modernität haben.

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Trefflich gerieten die gesanglichen Leistungen. Mit in jeder Lage warmem, sonorem und gut gestütztem hellem Bass sowie intensiver Darstellung sang und spielte sich Friedemann Röhlig in die Herzen des Publikums, das ihm am Ende begeisterten Beifall spendete. Als indisponiert ansagen ließ sich Danae Kontora. Sorge brauchte man allerdings nicht zu haben. Es war schon erstaunlich, wie sie als Aminta die extrem hohen Spitzentöne ihrer Partie herausschleuderte und mit einem wahren Feuerwerk an geläufigen Koloraturen aufwartete. Zu Recht erhielt auch sie viel Zuspruch des begeisterten Auditoriums. Fein ausgebildetes lyrisches Tenor-Material brachte Eleazar Rodriguez für den Henry Morosus mit. Als Figaros Bruder im Geist präsentierte sich der Barbier von Ks. Tomohiro Takada. Schon schauspielerisch sehr gewandt, konnte er auch stimmlich mit seinem tadellos sitzenden, angenehm timbrierten Bariton fast durchweg überzeugen. Lediglich die Tiefe ist noch ausbaufähig. Solide sang Christina Niessen die Haushälterin, die Frau Clément gut aufzuwerten verstand. In den Partien von Isotta und Carlotta gefielen mit angenehmem Stimmmaterial Henriette Schein und Florence Losseau. Durchweg voll in der Rolle des Vanuzzi auf ging Renatus Mészár. Nichts auszusetzen gab es an den sonor intonierenden Konstantin Ingenpass (Morbio) und Gabriel Fortunas (Farfallo). Die Operntruppe bestand aus Harrie van der Plas, Manuel Oswald, Edgars Skarbulis und Lukasz Ziolkiewicz. Der von Ulrich Wagner einstudierte Badische Staatsopernchor gab zu keinerlei Beanstandung Anlass.

© Felix Grünschloß

Fazit: Eine Aufführung, die zur Wiederbelebung dieser vergessenen Oper höchst geeignet ist und deren Besuch sehr zu empfehlen ist! Diese Rarität sollte sich kein Opernfreund entgehen lassen!

Ludwig Steinbach, 26. März 2024


Die schweigsame Frau
Richard Strauss

Badisches Staatstheater Karlsruhe

Premiere: 9. Dezember 2023
Besuchte Aufführung: 24. März 2024

Inszenierung: Mariame Clément
Musikalische Leitung: Georg Fritzsch
Badische Staatskapelle