Berlin: „Tango Pasión“

Vielseitiges Berliner Konzertleben

Berlin hat die Philharmoniker, das Deutsche Sinfonie Orchester, das Konzerthaus Orchester, das Rundfunk Sinfonieorchester Berlin und drei vorzügliche Opernorchester, aber es hat auch eine Fülle von kleineren, weniger bekannten, aber gleichwohl beachtenswerten Klangkörpern mit teilweise einer treuen Stammzuhörerschaft. Zu ihnen gehört auch das Berliner Residenz Orchester, das sich nach seinem Aufführungsort, dem Charlottenburger Schloss benennt, von Friedrich I. für seine Gattin Sophie Charlotte, Freundin von Leibniz, erbaut. Das 2006 gegründete Kammerorchester widmet sich vorwiegend älterer Musik, tritt oft kostümiert im Stil der jeweiligen Zeit auf, und nicht selten ist mit dem künstlerischen auch ein kulinarischer Genuss verbunden. Die Mitglieder des Orchesters spielen zum Teil auch in anderen Institutionen der Stadt, widmen sich zum Teil ganz ihrer Aufgabe in Charlottenburg.

Konzertmeister ist seit 2006 Vladi Corda, gebürtiger Russe, der bereits als Wunderkind auftrat und der während seines und nach seinem Studium in der SU und in Kiew viele Erste Preise bei Violin-Wettbewerben gewann.

Einem für das Orchester eher ungewöhnlichen Programm widmet man sich seit dem 5.7. unter dem Titel „Tango Pasión“, für das als Solocellist auch Konstantin Manaev gewonnen worden war. Der junge Russe beschäftigt sich besonders mit moderner Musik, hat u.a. eine CD mit Werken von Fransiz Ali-Zadeh eingespielt.

Das Programm begann mit einer Art Vier Jahreszeiten, von denen der „Winter“ sogar leichte Anklänge an Vivaldi zeigte. Von Astor Piazzola stammen „Frühling“ und „Sommer“ aus den Cuatro Estaciones Portenas, die das Orchester mit straffer Eleganz, eher angemessen gewalttätig als verbindlich spielte. Carlos Gardel komponierte „Herbst“ und „Winter“, die vollmundiger und üppiger, somit auch weicher klangen, was zum Teil vielleicht auch an den Arrangements, die für sämtliche Stücke des Abends vom Konzertmeister stammten, liegen mag. Seine Qualitäten als Solocellist konnte anschließend Konstantin Manaev in Rodriguez‘ „La Cumparsita“ eindrucksvoll unter Beweis stellen.

Nach der Pause ging es weiter mit Kompositionen fast ausschließlich von Piazzola, so mit durchaus angebrachter Härte des Streicherklangs für „Fuga y Misterio“, mit üppigem Schwelgen für Albeniz‘ „Tango“, dem genussvollen Auskosten der Rubati und u.a. einem variationsreichen „Libertango“.

Erfreulich an dem Programm war, dass es neben sehr Bekanntem wie „Paloma“ auch seltener zu Hörendes zu genießen war

Auch für das Auge wurde etwas geboten mit einem Tanzpaar, dessen Namen leider nicht auf dem Programmzettel vermerkt war, obwohl es sich das mit interessanten Choreographien, die dem Charakter des Stückes jeweils gerecht wurden, mit beinahe akrobatischem Körpereinsatz und der Vermittlung der Besonderheiten dieses argentinischen Tanzes verdient hätte.

Fotos Residenz Orchester

6.7.2016 Ingrid Wanja