Buchkritik: „Jahrbuch der Opernfreunde“, Wiener Staatsoper

Operndirektoren wechseln und mit ihnen die Gewohnheiten. Hat Dominique Meyer jede Saison der Staatsoper in einem dicken Bildband dokumentiert, so gibt sich Bogdan Roscic (der auch mit den Live-Streams ziemlich knausrig ist) minimalistisch: keinerlei Publikationen. Zum Glück gibt es die Opernfreunde. Verlässlich legen sie zu Saisonbeginn das Jahrbuch mit Rückblick und Vorschau vor.

Die Premieren der eben angelaufenen Saison 2024 / 2025 gelten Verdis „Don Carlo“, Kurtags „Fin de Parrie“, Mozarts „Zauberflöte“, Bellinis „Norma“, Tschaikowskis „Iolantha“ und Wagners „Tannhäuser“. Mit Ausnahme des „Endspiels“ als Oper kann man wohl die anderen Werke voraus setzen, wenn es in den Beiträgen auch immer gelingt, neue Aspekte aufzutun (wie etwa Fragen der „Zauberflöte“ aufgeblättert werden).

Aber angesichts dessen, dass der nun 98jährige (!) György Kurtag neben seinen (mittlerweile verstorbenen) Zeitgenossen Ligeti und Eötvös als wichtigster ungarischer Komponist der Moderne gilt, ist es erstaunlich, dass man sein einziges Opernwerk in Wien noch nie auf der Bühne gesehen hat. Hier gibt es eine profunde Einführung zu dem Mann und sein Werk, das sicher nicht einfach ist, aber neugierig ist man doch geworden.

Besonders beliebt an den Opernjahrbüchern sind die Interviews, diesmal wieder mit einigen Superstars, dem neuen Liebling Lisette Oropesa, die an der Met groß wurde und seither buchstäblich die Opernwelt erobert hat. Und Bryn Terfel, seit langem ein Wiener Liebling, wenn man ihn in letzter Zeit auch selten bei uns sieht, kam zu einem Gespräch anlässlich der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft der Staatsoper. Dazu Luca Salsi, derzeit der italienische „Bariton vom Dienst“ und Georg Zeppenfeld, ohne den Christian Thielemann gar nicht mehr arbeiten will, Rachel Willis-Sørensen, die mittlerweile schon mehr als ein halbes Dutzend Hauptrollen an der Staatsoper gesungen hat, und Bariton Thomas Weishappel, der schon bei Wagner  ist und in Klosterneuburg mit großem Erfolg an der Seite von Günther Groissböck den Posa in „Don Carlos“ gesungen hat. Eine schöne Ausbeute.

Die Chronik-Seiten werden von einem Bild eingeleitet, das schmerzt: Der Tod von Stephen Gould war wohl der tragischste Verlust, den Opernfreunde in der letzten Saison erlitten haben. Zahlreiche Fotos verweisen auf „Freunde“-Veranstaltungen.  

Am Ende der alte Jammer. Zwar hat man sich entschlossen, die Ballett-Besetzungen übersichtlich untereinander zu drucken, nicht hingegen bei den Opern. Ein Fehler – wohl den ewigen Sparmaßnahmen geschuldet. Schade.

Dennoch, auch wie immer: Jeder Opernfreund wird reichlich Information in diesem Jahrbuch finden.

Renate Wagner, 9. Oktober 2024


Jahrbuch der Opernfreunde 2024
Gesamtredaktion: Rainhard Wiesinger
Eigenverlag, 2024