Bücherecke: „Donald Duck und der Ring der Diebelungen“

Frage: Wo begegnet man folgenden Geräuschen: „Schlapp!!“ – „Ritsch! Ratsch! Ritsch!“ – „Plinnnng!“ Die Antwort dürfte den Donaldisten (so heißen die Entenhausen-Fachleute) leicht fallen: bei Disney. Wer jemals ein Lustiges Taschenbuch oder ein Micky Maus-Heft in die Hände bekam – und wer hat das nicht? – kennt all die in Worte gebrachten Geräusche. „Plinnnng!“ bezeichnet beispielsweise den Laut, der beim Schwertschmieden entsteht, wenn Zwerg Mime in seiner Wohnhöhle steht und aufs Eisen kloppt. Einst hatte Dagowotan ja seinen Neffen Jung Siegnald in den Wald gebracht, damit der Tölpel die Kunst des Schmiedens lerne.

Mime, Dagowotan, Siegnald? Es ist nicht das erste Mal, dass sich Disney dem Wagner-Kosmos, speziell der Ring-Welt widmet. Nun kam man im Haus Egmont auf die gute Idee, eine Trilogie und eine Einzelgeschichte aus dem unmittelbaren Umkreis des Ring des Nibelungen mit zwei weiteren Opern-Geschichten zu koppeln und unter besagtem Titel in einem Band zu vereinigen. Die Trilogie Der magische Ring ist die älteste der vier Storys; erstveröffentlicht wurde sie unter dem opernhaft anmutenden Titel La trilogia di Paperin Sigfrido e l‘oro del Reno (Die Trilogie von der Ente Siegfried und dem Rheingold) schon 1989 in einem italienischen Topolino-Buch, also der südländischen Entsprechung unserer Disney-Bücher und -Hefte, bevor sie im Folgejahr im 148. Lustigen Taschenbuch ihre deutsche Premiere erlebte. Dies war übrigens nicht die erste Geschichte in den Lustigen Taschenbüchern, in denen Wagners Ring lustig variiert wurde: in der Nr. 66 (Donald dreht durch!) fliegen beispielsweise schon in der Reingold (!)-Geschichte Walküren durch die Luft, die nichts Anderes sind als Daisy Ducks Schwestern; Siegfried war schon damals eine mythische Variante Donald Ducks. Bereits 1959 zeichnete Carl Barks, der „gute“ Disney-Zeichner, wie man ihn respektvoll nennt (ein Künstler!), den Fliegenden Holländer: zwar ohne Wagner-Sage, aber mit Dagobert Duck, den Neffen Tick, Trick und Track und einem prachtvollem Holländer-Schiff. Die schärfsten Wagner-Comic-Aficionados werden auch die Entenhausener Lohengrin-Zeichnung kennen – Donald Duck als Lohengrin.

Nun hat man also vier etwas jüngeren Opern-Folgen, unter besonderer Berücksichtigung zweier Varianten des Wagnerschen Ring des Nibelungen, wie es wissenschaftlich heißen müsste, in einem Band vereinigt. Wer den Ring kennt (und liebt), wird allerorten die Motive wiedererkennen. Im witzigerweise „Vorprogramm“ genannten Der Ohrring des Nibelduck (Originaltitel: Nibbling Gold), einer von Stefan Petrucha geschriebenen und Francisco Rodrigues Peinados gezeichneten Geschichte aus einem Micky Maus-Heft, die erst 2024 als deutsche Erstveröffentlichung erschien, im Ohrring des Nibelduck also werden unsere Entenfreunde, inspiriert durch die Opern Richard Quakners, durch den in König Ludwigs Schloss Neu-Entenstein gefundenen Ring in eine Anderswelt geschleudert, in denen ihnen Alberich und sein Zwergenheer, der gute Drache Fafner und Onkel Primus als Riesenfasolt mit kleinem Kopf über den Weg laufen. Dagobert mutiert natürlich im Angesicht des Rhausgolds zu einer Art Gollum. In der Trilogie wird dagegen auf 100 Seiten eine epische Geschichte erzählt: mit Dagowotan als Göttervater, Brigitta als Mischung aus Fricka und Freia, den gutartigen Riesen Fluffer und Flaffer, der schönen Daisirun (alias Gutrune), die sich in den (Anti-)Helden Jung Siegnald alias Donald Duck verliebt, mit der Walküre Brunhild und den panzerknackenden Diebelungen, aber auch mit der Hexe Kriemundel und dem Drachen Lindi Langzung, mit Tarnhelm, Pferd Klagung und Schwert. So wirbeln der Autor Osvaldo Pavese und der Zeichner Guido Scala die Welt des Ring des Nibelungen und des Nibelungenlieds fröhlich zusammen, um Dagowotan, natürlich, als alten Geizkragen und Siegnald, ebenso natürlich, als liebenswürdigen Tollpatsch zu zeigen. Am Ende aber wird der magische Ring, der von Kriemundel und Mime aus dem von den Diebelungen gestohlenen Dagowotan-Gold gewonnen und gegossen wurde (Dagobert Ducks Talerchen sind danach schlicht und einfach nicht mehr vorhanden; welch ein Pech für den Erzknauser), am Ende wird der titelgebende Ring nicht irgendwelchen Rhein- oder Rhaustöchtern zurückgegeben. Er landet einfach – aber lesen Sie selbst. Die Hinweise auf die bekannten Vorlagen sind jedenfalls deutlich genug, um lustvoll wahrgenommen zu werden. Und selten wurde die Heldendämmerung so locker in Szene gesetzt wie von Walt Disneys Nachfahren.

Für die Ring– und Duck-Freunde ist die Lektüre des Bands also eine große Freude, weil die Autoren mit vielen Anspielungen und Zitaten die von Quackner – pardon: Wagner vorgefundene, individuell veränderte und unverwechselbar gemachte Opern-Sage mit den Mitteln des klassischen Disney-Theaters reichlich variierten. Beigepackt: Zwei „Pausenfüller“, zuerst Morpheus in der Unterwelt (Originaltitel: Topolino e la serata all‘opera Micky Maus und der Opernschlaf) von 2004, die Leidensgeschichte der Maus, die in der Entenhausener Oper stets einschläft, um Chaos zu verursachen, dann Tenor des Schreckens (The Voice) von 1992, in dem sich Donald Duck als eben solcher betätigt. Eine Hommage an die Oper? Eine Hommage an die Oper!

Ein Leckerbissen also für alle, die in ihrer Bibliothek dem vielfältigen wie durchaus umfangreichen Gebiet des Opern- und Ring-des-Nibelungen-Comics bzw. der -Graphic Novel einen durchaus gewichtigen Band hinzufügen möchten. Die Disney-Autoren standen übrigens, echt avantgardistisch, nach dem Disney-Reingold von 1980 noch am Beginn der Auseinandersetzung der Comic-Macher mit Wagners Tetralogie, denn Roy Thomas und Gil Kane haben ihren Ring-Vierteiler erst ab 1989 veröffentlicht, bevor P. Craig Russell seine umfangreichere Graphic Novel vom Ring des Nibelungen ab 2000 erscheinen ließ und nicht wenige französische und japanische Ring-Adaptionen auf den Markt kamen. 2023 erschien Russells Ring in einer deutschen Fassung, 2024 dann Der Ohrring des Nibelduck – und nun eben der Sammelband, der nicht am Ende der Wagner-Comic-Geschichte steht und das nachhaltige Interesse der Pop-Künstler am Ring bezeugt. Man muss da als Kulturbürger nicht die Nase rümpfen. Im Gegenteil: auch durch diese witzigen Variationen wird Wagners Werk nicht beschädigt, denn nur das Gute kann immer wieder parodiert und neu erzählt werden, und wer weiß: Vielleicht wird ja auch manch späterer Operngänger durch die Comics dazu angefixt, sich mal das Original anzuschauen. Die dazu taugende zeichnerische und erzählerische Qualität hat es ja.

Mit einem Wort: 141 Seiten Lesevergnügen für Groß und Klein, für Opern-, Wagner- und Entenhausen-Freunde oder die, die es noch werden wollen.

Frank Piontek, 4. Mai 2025


Donald Duck und der Ring der Diebelungen

Egmont Verlag, 2025
141 Seiten, 20 Euro