Duisburg: „Macbeth“

Premiere: 12.06.2022
besuchte Vorstellung: 15.06.2022

Blutiger Kampf um die Macht

Bereits vor einigen Jahren bot die Deutsche Oper am Rhein ihren Besuchern in Kooperation mit der Opera Ballet Vlaanderen einen eindrucksvollen „Otello“ von Giuseppe Verdi in der Inszenierung von Michael Thalheimer. Nun kann der Opernfreund die Kombination von Opera Ballet Vlaanderen, Deutsche Oper am Rhein, Giuseppe Verdi, William Shakespeare und Michael Thalheimer erneut erleben, denn am vergangenen Wochenende fand in Duisburg die viel umjubelte Premiere von Verdis „Macbeth“ statt. Zwar mit zweijähriger Corona-Verspätung, die Aufführungen in Antwerpen liegen inzwischen auch einige Jahre zurück, aber dafür in einer erstklassigen Sängerbesetzung. Mit einem hervorragenden rund 50 Personen umfassenden Opernchor wäre diese Inszenierung in den letzten Jahren in dieser Form sicher nicht möglich gewesen, da wartet man dann gerne etwas länger.

Wie bereits bei “Otello“ konzentriert Thalheimer die Oper auf das Wesentliche und fokussiert sich stark auf das Seelenleben von Macbeth und seiner Ehefrau Lady Macbeth. Auch dominiert die Dunkelheit wieder den Abend. Das weitere Leitungsteam ist ebenfalls identisch geblieben, man kann hier entsprechend von zwei zueinander passenden Werken sprechen, fast schon einer kleinen „Opern-Serie“. Henrik Ahr schuf als Bühnenbild einen Hexenkessel, der stark an eine Halfpipe aus dem Skaterpark erinnert. Immer wieder rutschen die Protagonisten in diesen Kessel, in dem es stellenweise ordentlich qualmt. Rundherum erhellen Blitze immer wieder das Geschehen auf der Bühne (gelungenes Lichtdesign: Stefan Bolliger). Am Rand des Kessels versammeln sich je nach Szene die Hexengemeinschaft oder wie im vierten Akt, eine große Menschenmenge aus Volk und Soldaten, um in die Schlacht gegen Macbeth zu ziehen. Auch mit Theaterblut wird in dieser Inszenierung nicht gespart, sowohl Soldaten wie auch Hexen sind voll des Blutes in einer Geschichte die mit Blut beginnt und mit Blut endet. Michaela Barth schuf für die Darsteller gelungene Kostüme mit vielen schottischen Elementen. Die Hexen wirken vor allem durch ihr langes weißblondes Haar als imposante Gruppe, zumal die Haarfarbe hier im starken Gegensatz zum ansonsten vorherrschenden Schwarz steht. Imposant ist auch der bereits erwähnte Opernchor (Einstudierung: Gerhard Michalski), der in dieser Oper als „dritter Akteur“ neben dem Ehepaar Macbeth eine ganz besondere Stellung einnimmt und den Opernbesucher stellenweise in Verbindung mit stark aufspielenden Duisburger Philharmoniker unter der musikalischen Leitung von Stefan Blunier regelrecht in die Sitze drückt. Ein großes Bravo an den Chor der Deutschen Oper am Rhein, der so lange nicht in dieser Stärke auf der Bühne erlebt werden konnte.

Auch in der musikalischen Besetzung kann dieser Opernabend überzeugen. Der isländische Bariton Hrólfur Saemundsson, der die Rolle des Macbeth in diesem Monat gleichzeitig in Duisburg wie auch am Luzerner Theater verkörpert, gibt einen innerlich zerrissenen Herrscher, der von der Macht erbarmungslos in den Abgrund gezogen wird. Gesanglich stark und immer wieder berührend in den lyrischen Passagen gelingt Saemundsson eine eindrucksvolle Rolleninterpretation. Dies gilt auch für den zweiten Gast des Abends. Mit Ewa Plonka übernimmt die derzeit stark gefragte polnische Sopranistin die Rolle der Lady Macbeth, die in der Saison 2022/23 u. a. Debüts an der Bayrischen Staatsoper, den Staatsopern unter den Linden und Hamburg sowie dem Royal Opera House in London erwartet. Da sie zum Finale des zweiten Aktes einen Asthmaanfall erleidet, nimmt sie sich im Vergleich zu ihren fulminanten Auftritten vor der Pause bei der Schlafwandelszene merklich zurück, steht den Abend aber ansonsten souverän durch, wofür sich das Publikum am Ende mit lauten Beifallsbekundungen bedankt. Die weiteren Rollen sind aus dem eigenen Ensemble passend besetzt. Bogdan Talos gibt mit starkem Bass einen prägnanten Feldherrn Banco, der auch nach seiner Ermordung als Geist durch Macbeth Kopf spukt. Ovidiu Purcel hat als schottischer Adliger Macduff zwar rollen bedingt wenig Chancen seinen klaren Tenor zur Geltung zu bringen, nutzt dies aber besonders in seiner Arie glänzend. David Fischer übernimmt die Rolle von König Duncans Sohn Malcom während Beniamin Pop vier kleinere Rollen ausfüllen darf.

In Duisburg ist diese sehenswerte Inszenierung noch dreimal als starker Abschluss der aktuellen Spielzeit zu erleben. Nach der Sommerpause findet in Düsseldorf am 04. September 2022 die dortige Übernahmepremiere statt. Ein Besuch kann an dieser Stelle ausdrücklich empfohlen werden.

Markus Lamers, 17.06.2022
Bilder: © Sandra Then