Berlin: Debussy und Wagner

Kulinarisches auf dem Musikfest Berlin

Aus dem Rahmen des Musikfestes der Berliner Festspiele zu fallen scheint der Beitrag der Deutschen Oper Berlin mit Werken von Debussy und Wagner, die nicht einmal zueinander und schon gar nicht zu Nielsen, Schönberg, Mahler und Stockhausen zu passen scheinen. Dazu kommt noch, dass sich die Werke beider Komponisten im Repertoire des Opernhauses befinden, eines der beiden am Tag darauf sogar auf dem Spielplan steht.

Spätestens aber mit einem Blick in das Programmheft wird die Sinnfälligkeit der Zusammenstellung, die die „Pelléas et Mélisande-Symphonie“ im Arrangement von Marius Constand und nicht die Oper mit dem zweiten Akt von „Parsifal“ vereint, sichtbar. Die vielfältigen Beziehungen werden offensichtlich, und seien es auch die des Kontrasts, zwischen beiden Kompositionen, den Romain Rolland zu sehen meint in seinem sehr kämpferischen, um nicht zu sagen antideutschen Vergleich beider Werke, in dem er quasi zähneknirschend „zwei oder drei Reminiszenzen aus dem Parsifal, die nicht das Wesentliche des Werkes ausmachen“ diesem zugestehen muss. Ganz anders sieht das Adorno, der den „Rhythmus des Parsifal-Motivs durch das Gebilde geistern“ sah.

Marius Constant fügte 1983 die orchestralen Teile der Debussy-Oper zu der gut zwanzig Minuten dauernden „Sinfonie“ zusammen, bekannter noch wurde er mit der Bearbeitung der „Carmen“ für den Regisseur Peter Brook. Auch an der Deutschen Oper ist er kein Unbekannter, denn seine Ballettmusik „Der blaue Engel“ wurde 1985 hier unter seiner musikalischen Leitung uraufgeführt.

Ganz bestimmt wird der Besucher einer der kommenden Vorstellungen von „Pelléas et Mélisande“ diese mit mehr Gewinn als bisher besuchen, denn durch die Konzentration auf die Musik und ohne jede optische Ablenkung konnte diese ihren Zauber ungleich stärker entfalten, umso mehr als mit Donald Runnicles ein Dirigent am Pult stand, der den feinsten Verästelungen der Musik nachspürte, die schmerzlich schöne Intensität, die sie trotz aller Dezenz besitzt, heraus arbeitete und einen fein gewebten Klangteppich ausbreitete.

Nach der Pause waren für Wagner kaum mehr Pulte besetzt als für den bereits üppig besetzten „Pelléas“ von Debussy/Constant. Donald Runnicles, auch der Dirigent des Bühnen-„Parsifal“, wiederholte seinen üppig schwelgenden Zauberberg-Akt und hatte wahrscheinlich ein besonders aufmerksames rechtes Ohr für die Solisten, denn aus dem Ensemble der DOB sang der amerikanische Bassbariton Seth Carico seinen wohl ersten KLingsor, war bisher, wenn er große Partien sang, eher als Mozartsänger, und das positiv, aufgefallen. Auch für den Klingsor hatte er eine gute Diktion, hielt die Stimme von angenehmer Dunkelheit schlank und ließ seiner Partie zwischen Parlandostil und markantem Befehlston viel Dynamik angedeihen. Nach ihren Bayreuther Isolden überzeugte Evelyn Herlitzius als Kundry mehr durch die Intensität ihres Singens, auch durch darstellerische Ansätze mehr als durch Stimmpracht, fand zu schönen Sehnsuchtslauten, herrliche „Parsifal“-Rufen, eine gleisnerische Verführungskraft ging von ihrem Gesang aus, sie hatte aber auch unüberhörbare Höhenprobleme, da wurde einiges nur angetippt, was bei der für einen Sopran tief liegenden Partie verwunderte. Aus dem gleichen Grund konnte Klaus Florian Vogt seine größte Stärke, die mühelose Höhe, nicht so spektakulär einsetzen wie bei anderen Partien. Die obere Mittellage hat an Substanz gewonnen, „Amfortas, die Wunde“ ging dem Hörer durch Mark und Bein, und insgesamt passt das Timbre zu der knabenhaften Figur. Ärgerlich, wenn nicht geradezu lächerlich war, dass er ausgerechnet als zur Erkenntnis Erweckter in einen Tonfall selbstgefälliger, substanzloser Naivität zurückfiel, den man bereits überwunden glaubte. Die Blumenmädchen und der Damenchor der DOB, einstudiert von William Spaulding, waren hinter dem Orchester platziert, wussten sich aber vorzüglich akustisch in Szene zu setzen.

Foto Bettina Stöß

9.9.2015 Ingrid Wanja