Berlin: Eine Florentinische Tragödie u. a.

Saisonbeginn an der Deutschen Oper Berlin im Konzerthaus am Gendarmenmarkt

Große Verdienste um die Rehabilitierung der jüdischen Komponisten aus dem deutschen Sprachraum, die sich im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts die Opernbühnen erobert hatten, die mit der Herrschaft der Nazis von ihnen verbannt worden und ins Exil getrieben worden waren und die sich zunächst nach dem Krieg ihre alten Positionen nicht wieder einnehmen konnten, hat sich die Deutsche Oper Berlin, so mit nicht nur einer Produktion von Korngolds Die tote Stadt, mit der Inszenierung des Wunders der Heliane, erst unlängst von Schrekers Der Schatzgräber und davor von Zemlinskys Der Zwerg. Auch wenn wieder einmal wegen Corona oder wie jetzt wegen Renovierungen im Haus der große Saal bis Ende Oktober nicht bespielt werden kann, will man auf diese lobenswerte Gewohnheit nicht verzichten und hat sich Ersatzspielräume wie das Parkdeck in der Bismarckstraße, die Philharmonie, die Tischlerei, das Haus der Berliner Festspiele oder das Tempodrom gesichert für allerlei nicht unbedingt opernhafte Unternehmungen, aber durchaus auch solche wie Delibes‘ Lakmé in der Philharmonie oder im Konzerthaus mit Werken gleich zweier der genannten Komponisten, nämlich Zemlinskys Eine florentinische Tragödie und Korngolds Suite zu Shakespeares Komödie Viel Lärm um nichts, dazu Alban Bergs Sieben frühe Lieder.

Vor die Aufführung von Der Zwerg hatte Regisseur Tobias Kratzer in der Deutschen Oper ein Spiel um die verzweifelte Liebe Zemlinskis zu Alma Mahler gesetzt, das noch besser zur Florentischen Tragödie gepasst hätte, in der der Komponist das Verhalten Almas gegenüber dem Gatten gesehen haben wollte. Wie Strauss‘ Salome basiert die Oper auf einem Stück von Oscar Wilde, der offenbar verliebten Frauen eine ganz besondere Grausamkeit zutraute wie eine absonderliche, mit der Vernichtung des begehrten Objekts einhergehende Sexualität, wenn Bianca ihre Liebe zum Gatten just in dem Moment entdeckt, in dem er sich durch besondere Brutalität hervorgetan hat. Wahrlich kein schönes Frauenbild! „Man töte dieses Weib“ wäre auch hier angebracht.

Im Konzert am Gendarmenmarkt sorgte zunächst Korngolds Suite für ausgesprochen gute Laune durch einen rasanten Beginn, durch schwelgerische Melodik und das Unterstreichen dessen, was Dirigent Marc Albrecht das „Poppige“ genannt hatte. Geschickt wurden alle Möglichkeiten der reichen, entfernt bereits an Filmmusik erinnernden Partitur ausgereizt, ein schönes kurzes Cellosolo erfreute ebenso die Ohren wie der Einsatz der Tutti einschließlich Harmoniums, gekrönt noch von einem höchst effektvollen Schluss.

Es ging weiter mit Alban Bergs Sieben frühen Liedern in der Fassung für mittlere Stimme, wofür man den ungarischen Mezzosopran Dorotthya Láng gewonnen hatte. Die sich auf eine Erda hin entwickelnde, bis in die Höhen hinauf dunkel gefärbte Stimme schwebte siegreich über dem Orchester und passte zugleich sehr gut zu den teilweise schwülen, geheimnisvollen Texten. Leider war die Diktion recht verwaschen, so dass der volle Genuss für den Hörer nur gegeben war, wenn er die Gedichte gut kannte. Die bereitgestellten Texthefte hatten längst nicht für alle im Publikum gereicht. Auf jeden Fall aber lohnte sich die Bekanntschaft mit dieser für Berlin neuen, farbigen und geschmeidigen Stimme.

Eigentlich sollten sich die Mitwirkenden auch vor einer konzertanten Aufführung Gedanken über ihre Optik machen und sich um eine gewisse Einheitlichkeit bemühen. So aber traten für Zemlinskys Eine florentinische Tragödie der Tenor im Frack, der Bariton im über die Hose fallenden Schlabberhemd und der Dirigent im dunklen Anzug auf. Der Orchesterapparat für den Einakter ist ein enormer, und so hat zwar Zemlinsky reichlich Anweisungen wie „devot und freundlich“ oder „harmlos geschwätzig“ an die Sänger gegeben, macht es diesen aber durch den fast durchweg in immenser Lautstärke sich äußernden Orchesterapparat fast unmöglich, diese zu befolgen. So kam es zwangsläufig zu einem immerhin machtvollen und ungefährdeten Dauerforte auch für die Sänger, den gehörnten Kaufmann Simone, vertreten durch den Heldenbariton Wolfgang Koch, und für den Tenor AJ Glueckert, der als Prinz Guido ebenfalls eher durch Ausstellung seiner vokalen Kraft als durch die ihm von Simone zugesprochene „süße Melodie“ imponierte. Jennifer Holloway war eine hübsche Bianca mit strahlendem Sopran. Ein tief im Orchestergraben versenktes Orchester wäre wahrscheinlich Sängern und Publikum dienlich gewesen.

6.9.2022 / Ingrid Wanja

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