Berlin: Sonderkonzert im Rahmen des Musikfestes Berlin

Blühendes Wälsungenblut

Im April 2017 wird es noch einmal zwei Aufführungen des legendären Götz-Friedrich-Rings im Zeittunnel in der Deutschen Oper Berlin geben, aber insbesondere an der „Walküre“ und speziell an deren erstem Akt kann man sich nie satt hören, und so war sicherlich das Sonderkonzert der Deutschen Oper im Rahmen des ansonsten eher der Musik des zwanzigsten Jahrhunderts zugetanen Musikfestes Berlin einer der Höhepunkte und der am besten besuchten Konzerte des Jahres 2016. Zusätzlich interessant und Publikumsmagnet war die teilweise Vorwegnahme des Sieglinde-Debüts, das für Anja Harteros 2017 in Salzburg unter Christian Thielemann ansteht. Zwar gab es nicht wenige Zweifler, die meinten, die Partie läge der für ihre strahlenden Höhen bekannten Sängerin gar nicht gut in der Stimme, aber die ebenso farbige, ausdrucks- und schattierungsreiche Mittellage, die Versonnenheit wie Verzückung, Jubel und schmerzvolles Erinnern auszudrücken vermag, ließ die Freude über ihre Leistung nur noch von der Vorfreude auch auf den zweiten und dritten Akt übertreffen.

Auch beschränkt auf den ersten Akt ließ der Sopran durchschimmern, dass er die Partie bereits verinnerlicht hat und sie wahrscheinlich zu den sie selbst und das Publikum am intensivsten berührenden zählen wird. Anja Harteros wird in der gerade beginnenden Saison noch als Tosca und mit Strauss‘ „Vier letzte Lieder“ an der DO zu hören sein. Der Sängerin zur Seite stand als erfahrener Siegmund einer der beliebtesten Berliner Opernsänger, nämlich Peter Seiffert, der nicht nur, was Dauer und Strahlkraft betrifft, mit rekordverdächtigen „Wälse“-Rufen das Publikum zu andächtigem Staunen brachte. Der Tenor ist noch immer einer der schönsten, weil auch durchgängig in allen Registern von gleich angenehmer Farbe, so dass auch die „heiligste Minne“ tenoral erstrahlt, der Säger beweist, dass man auch für Wagner ein berückendes Legato haben kann. Dass er trotz langjähriger Erfahrung mit der Partie noch immer von den Einsätzen des Dirigenten abhängig ist, erscheint daneben als zweitrangig. Als Hunding machte Georg Zeppenfeld nicht nur optisch eine gute Figur, sondern sang den Wüterich schlank und tiefdunkel, sehr kultiviert, aber im „verhasst“ die ganze Aggressivität der Figur verratend.

Das Orchester der Deutschen Oper unter Donald Runnicles bewies auch an diesem Abend, dass es keine Konkurrenz in Sachen Wagner zu fürchten hat, bereits das Vorspiel ließ in seiner Plastizität, dem Gegeneinander von Vorwärtsdrängen und Widerstand, den Zuhörer vergessen, dass er „nur“ einer konzertanten Aufführung beiwohnte. Besonders hervorgehoben zu werden, verdient auch das Solo des Cellos zu Beginn.

Vorausgegangen war Wagner ein Stück des 20. Jahrhunderts, Rued Immanuel Langgaards „Sfaerernes Musik“ („Sphärenmusik“), das 1921 in Karlsruhe uraufgeführt worden war. Ein umfangreicher Artikel im Programmheft gibt zwar viel über das Leben des Komponisten und die Zeitumstände preis, wenig jedoch über sein bekanntestes Werk. So wäre es hilfreich gewesen, den Text, den Solisten und Chor zu singen hatten, dort wiederzufinden, auch die Titel, die der Komponist selbst den einzelnen Teilen seines Werks gab, so „Wie Sonnenstrahlen auf einem mit duftende Blumen bedeckten Sarg“, hätten zum Verständnis des Werks beigetragen. In dieser Hinsicht bleibt der zudem wohl schlecht übersetzte Text leider recht wortkarg.

So stellte sich die Sphärenmusik als ein sich wellenförmig bewegendes reich schattiertes Klanggemälde der Kontraste , so zwischen wie aus dem Nichts emporflirrender Streicher und fast im Dauereinsatz befindlicher sechs Schlagzeuger dar, so anspruchs- wie reizvoll, und vom Chor (Raymond Hughes) und Orchester der DO unter Donald Runnicles souverän bewältigt, von Siobhan Stagg mit einem engelsgleichen Sopran veredelt. Kleinere Aufgaben waren den Mezzosopranen Ronnita Miller und Abigail Levis zugefallen.

War der Sphärenmusik ein schöner Achtungserfolg beschieden, so brach nach dem Walkürenakt ein wahrer Jubelsturm im Publikum aus.

Fotos Deutsche Oper Berlin

8.9.2016 Ingrid Wanja