Düsseldorf: „Die Walküre“

Premiere am 28.2.2018

Familiendrama im Bunker

Nun präsentierte die Düsseldorfer Rheinoper mit „Die Walküre“ also den nächsten Teil des Rings, den man im vergangenen Jahr zu schmieden begonnen hatte und was hier auf die Bühne kam, hinterließ beim Publikum deutlich gemischte Eindrücke. Wenn sich der Vorhang hebt, mag sich beim ein oder anderen Opernfreund und eingefleischten Wagnerianer ein veritables Déjà-vu Erlebnis einstellen, denn diese Walküre ist leider nicht wirklich neu. Regisseur Dietrich Hilsdorf präsentierte seine Lesart des Wälsungen-Dramas bereits vor einigen Jahren am Essener Aalto-Theater und bereits dort konnte seine Deutung nur wenig überzeugen. Umso erstaunlicher mutet es an, dass man nun nicht versucht die Fehler und Schwachstellen der damaligen Produktion auszumerzen, sondern alte Pfade weiter beschreitet und sogar noch vertieft.

Wir befinden uns zu Beginn des ersten Aktes in einer wuchtigen Bunkerlandschaft, die Spuren kämpferischen Treibens trägt. Bühnenbildner Dieter Richter hat hier eine von Grünspan angefressene Betonburg geschaffen, die von Hunding behaust wird. Eine große Tafel bildet den Mittelpunkt, man hat es sich hier in Zeiten kriegerischer Auseinandersetzungen wohnlich gemacht. Bis hierhin ein plausibler Ansatz, schwierig wird es dann jedoch, wenn der gleiche Raum auf einmal Walhall sein soll, die Götter mit Hunding, Siegmund und der schwangeren Sieglinde, sowie zwei sich gelangweilt herumräkelnden Walküren bei einer Art Familienfeier zusammensitzen und im dritten Akt der gleiche Tisch dann zum Heldenmahl wird, an den die Walküren die gefallenen Helden auf ein Gläschen Wein bitten und an dessen Seite auch noch der niedergestreckte Hunding als Puppe bis zum bitteren Ende sitzen bleibt. Ja, das ist unnötig und auch verwirrend. Sicherlich geht es in der Walküre um viele innerfamiliäre Konflikte, aber diese sind nicht das alleinige Thema der Oper. Sie geben für vieles die Motivation, sind Auslöser für Konflikte (wie zum Beispiel für den Streit zwischen Wotan und Fricka), aber sie dermaßen überzubetonen und an einem Tisch zu konzentrieren hilft leider gar nicht, denn die Menschen (und Götter) die da zusammenkommen, sind als Familie einfach so nicht dazustellen.

Hinzu kommt, dass es dann auch immer wieder zu kleinen Dingen kommt, die – neben viel langweiligem und bedeutungsschwangerem Rumgestehe, Rumgesitze und Rumgeblicke – albern oder unbeholfen wirken. So tauschen Siegmund und Sieglinde zwischenzeitlich mal die Garderobe, was leider irgendwie ziemlich peinlich gerät, im zweiten Akt fährt die Decke des bis dahin noch so engen Bunkerraumes nach oben und gibt zwei Rotorblätter frei, die sich dann ziemlich penetrant aber grundlos drehen (das auch ohne dass der Rest des Hubschraubers, der im dritten Akt die Bühne dekorativ ergänzt) und in aller Bunkerästhetik steht der aus dem Rheingold noch übrig gebliebene stuckverzierte Portalrahmen mit bunten Glühbirnchen wie bestellt und nicht abgeholt, bis er dann im Walkürenritt ziemlich hilflos ein bisschen blinken darf. Der Walkürenritt letztendlich gerät aber dann doch zu einem der stärkeren Momente des Abends, denn, wie damals schon in Essen, geleiten die Walküren die gefallenen Helden zum Tisch der Götter und hier gerät die Szenerie zu einem grotesken Totentanz, wenn junge Männer mit sichtbaren Schusswunden von den festlich gekleideten Walküren (Kostüme: Renate Schmitzer) geführt werden. Hier ist man dann ganz schnell gedanklich bei den abertausenden viel zu jung aus dem Leben geschiedenen Männern, die bei Schlachten wie denen von Verdun oder Stalingrad ihr Leben lassen mussten.

Musikalisch gerät der Abend allerdings zu einem echten Highlight, denn die Rheinoper präsentiert hier eine eigentlich durch die Bank weg exzellente Sängerriege. Am wenigsten zu überzeugen vermag hier vielleicht der Hunding von Sami Luttinen, der gerade im ersten Akt reichlich unverständlich und mit viel Druck an die Partie geht. Gerade bei ihm fällt bereits erwähntes bedeutungsschwangeres Rumgestakse auf der Bühne besonders auf, denn allzu oft durchmisst er den Raum mit mächtigen Schritten und man weiß eigentlich gar nicht warum. Mit Corby Welch als Sigmund hat er einen Gegenspieler, der mit höchster Akkuratesse glänzt. Stimmlich hervorragend und mit bemerkenswerter Textverständlichkeit meistert er auch die schwierigen Passagen des ersten Aktes. Gelegentlich würde man sich hier etwas mehr „Haudegen“ in der Interpretation und etwas weniger „Kammersänger“ wünschen, denn gerade bei den wuchtigen Orchesterstellen gerät die Stimme dann doch – und hier wir jetzt auf hohem Niveau gejammert – etwas zu zart.

Ihm zur Seite steht als Sieglinde die schwedische Sopranistin Elisabeth Strid und diese Sängerin ist ein echter Glücksfall. Selten konnte man eine weibliche Wagnerpartie so textgenau verstehen. Dazu kommt eine Stimme, die vom piano bis zu den großen, gewaltigen Momenten im zweiten Akt allen Anforderungen der Rolle absolut perfekt entspricht. Nicht zuletzt szenisch füllt sie die Rolle mit viel Verve und Energie, von der sich an diesem Abend ihre Kollegen durchaus ein Scheibchen abschneiden dürften. Den kurzen Auftritt der Fricka meistert Renée Morloc souverän. Stimmgewaltig und mit enormer Bühnenpräsenz gibt Linda Watson die Brünnhilde. Mal kämpferisch rebellisch, mal zart, mitfühlend – stimmlich bietet sie alles, was man sich wünscht. Der Wotan von Simon Neal ist aber sicherlich als absoluter Höhepunkt des Abends zu verbuchen. Voller Agilität gibt er einen Wotan, der nicht der majestätische Göttervater ist, sondern ein kraftvoller, mal wutentbrannter, mal fast kindisch wilder Kämpfertyp ist, der einzig vor Fricka dann doch zu Kreuze kriechen muss. Dieser Wotan springt auch mal auf den Tisch, tobt durch den Bunker und ist gerade in seinem Abschied dann doch ein beseelter Vater, der viel Wärme und Emotion verströmt. Und genau diese vielen Facetten, die auch die gesamte Anlage der Rolle zu einem der interessantesten Punkte des Abends werden lässt bringt er auch stimmlich mit. Viril und energisch, voll Inbrunst und dann doch voller zartem, väterlichen Gefühl interpretiert er die Rolle bis in die letzte Note höchst exakt und da sieht es ihm das Publikum nach, dass die Kräfte am Ende ein kleines bisschen weniger werden. Den Abend rundet ein stimmlich solides Walkürenensemble ab.

Ein wahrer Bravo-Sturm bricht über alle Sänger her und auch Axel Kober und seine Düsseldorfer Symphoniker trifft diese Begeisterung und man muss sagen: zurecht! Denn das, was der Düsseldorfer GMD da im Graben zaubert ist ein runder, satter Wagnerklang. Ausgewogene Tempi, ein Schwelgen in den Melodiebögen und viel Energie in den wuchtigen Passagen machen diese Walküre musikalisch wirklich rund. Einzig im ersten Akt läuft man Gefahr den Siegmund ein bisschen zu sehr zuzudecken – aber ansonsten ist diese Leistung wirklich bemerkenswert.

Das sieht das Publikum genau so, denn am Ende branden Bravo-Rufe aus dem ganzen Saal den Musikern entgegen. Das Produktionsteam sieht sich dann allerdings doch mit der satten Buh-Salve konfrontiert, verständlich, denn dieses Konzept ist einfach nicht schlüssig. Weniger Familienfeier, mehr Konzentration auf das Wesentliche und dafür mehr Dynamik in der Personenführung wäre wünschenswert gewesen.

Sebastian Jacobs 29.1.2018

Fotos (c) Hans-Jörg Michel / DOR